Ortega y Gassets Philosophie: Wissen, Leben, Metaphysik
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Theorie des Wissens
Ortega y Gasset (O.) unterscheidet seit 1916 zwei große Perioden in der Geschichte des Denkens: die realistische und die idealistische. O. kritisiert den Realismus griechischen Ursprungs, der das Ding bzw. die Wirklichkeit als etwas vom Menschen Getrenntes betrachtet. Die Dinge hinterlassen ihre Spuren im Geist, prägen ihr Bild in den Kopf wie ein Siegel in Wachs (die dingliche Metapher). Den Idealismus lehnt er ebenfalls ab. Dieser geht vom Bewusstsein aus: Die Dinge gehen nicht aus sich selbst ins Bewusstsein ein, sondern Dinge sind Objekte, d.h. Ideen (Metapher des Behälters und Inhalts). Gegenüber diesen beiden großen Metaphern stellt O. 1924 fest: Wenn es Denken gibt, gibt es ein Ich, das denkt, und eine Welt, über die es nachdenkt. Beide existieren miteinander, ohne mögliche Trennung. Er schlägt eine dritte Metapher vor: die der Dioskuren, die die gegenseitige Existenz von Mensch und Welt symbolisiert. Man kann weder die Welt (Realismus) noch das Ich (Idealismus) isoliert betrachten, sondern nur gemeinsam in dynamischer Interaktion. Leben wird definiert als aktiver Austausch zwischen dem Ich und der Welt. Der Sinn im Leben ist biografisch. Die radikale Wirklichkeit ist unser Leben, das Leben eines jeden Einzelnen (Sein = Leben). „Ich bin ich und mein Umstand, und rette ich ihn nicht, so rette ich mich nicht.“ Das Leben umfasst Subjekt und Welt (Objekt).
Metaphysik
Das Denken steht nicht vor dem Leben; Denken ist ein Fragment des Lebens. Das Leben ist radikaler als das Denken (Ablehnung von Descartes' „Ich denke, also bin ich“). Die Analyse des Lebens beschreibt dessen Eigenschaften oder Strukturen: Das Leben ist unmittelbare Offenbarung seiner selbst. Leben ist eine Realität, die nur für sich selbst besteht (alles Leben wird gelebt). Wir erkennen, dass wir leben. Dieses Erkennen bedeutet, uns in der Welt wiederzufinden, umgeben von Dingen. Es ist untrennbar mit dem Ich und den Dingen verbunden. Das Leben ist Aufgabe, Tätigkeit, Beschäftigung mit Dingen. Der Pragmatismus der Dinge: Sie sind Aktionen, Möglichkeiten, Vorteile und Schwierigkeiten in meiner Lebensaktivität. Die Dinge tun etwas mit mir, aber ich tue auch etwas mit mir selbst. Unser Dasein ist uns nicht im Voraus gegeben, sondern wir machen es. Wir entscheiden, was wir sein wollen. Unsere Freiheit oder Entscheidungskapazität ist begrenzt durch die Welt, in der wir leben, durch die Umstände unseres Lebens. Der Umstand ist nicht nur räumlich, sondern grundlegend historisch. Das Leben ist Zeit, Veränderung (Datum, historische Zeit). O. integriert Vernunft und Leben (Lebensvernunft) im Ratiovitalismus. Dieser erweitert den Horizont der Vernunft und wendet sich gegen den Rationalismus, der Vernunft von Leben und Geschichte trennt. O. ersetzt den Begriff der reinen Vernunft durch den der Lebensvernunft oder historischen Vernunft, um die Vernunft innerhalb der Geschichte und des Lebens zu retten. Seine historische Vision des Lebens und der menschlichen Existenz gipfelt in der Theorie des Perspektivismus: Es gibt multiple Perspektiven oder Gesichtspunkte. Die Welt ist eine Pluralität von Perspektiven, keine absolute Welt.