Der Parthenon: Analyse und Bedeutung
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Formale Analyse
Architektonische Merkmale
Der Tempel nutzt ein Architravsystem und hat ein Satteldach. Er folgt der dorischen Ordnung, ist ein oktastyler (8 Säulen an der Front), amphiprostyler Peripteros (Ringhallentempel) mit 8 x 17 Säulen.
Der Grundriss umfasst Pronaos (Vorhalle), Naos (Cella) und Opisthodom (rückwärtige Halle). Pronaos und Opisthodom sind hexastyl (6 Säulen).
Die dorischen Säulen weisen eine leichte Schwellung (Entasis) auf.
Optische Korrekturen
Zur Erzielung eines harmonischen Gesamteindrucks wurden verschiedene optische Verfeinerungen eingesetzt:
- Kurvatur: Sowohl der Stufenunterbau (Krepidoma, insbesondere der Stylobat) als auch das Gebälk sind leicht nach oben gewölbt, um einem optischen Eindruck des Durchhängens entgegenzuwirken.
- Entasis: Die Säulen haben eine leichte Schwellung (Entasis), um sie lebendiger und weniger starr erscheinen zu lassen.
- Variable Interkolumnien: Die Abstände zwischen den Säulen (Interkolumnien) variieren leicht.
- Verstärkte Ecksäulen: Die Ecksäulen sind geringfügig dicker als die anderen, da sie sich gegen den hellen Himmel abzeichnen und sonst dünner wirken würden. Sie haben auch einen geringeren Abstand zu ihren Nachbarsäulen.
Skulpturenschmuck
Der Parthenon war reich mit Skulpturen geschmückt:
- Giebelfelder (Tympana): Das Ostgiebel zeigte die Geburt der Athene aus dem Kopf des Zeus, das Westgiebel den mythischen Streit zwischen Athene und Poseidon um die Herrschaft über Attika.
- Metopen: Die 92 Metopen des dorischen Frieses zeigten mythologische Kampfszenen: im Osten die Gigantomachie (Kampf der Götter gegen die Giganten), im Süden die Kentauromachie (Kampf der Lapithen gegen die Zentauren), im Westen die Amazonomachie (Kampf der Griechen gegen die Amazonen) und im Norden Szenen aus dem Trojanischen Krieg.
- Ionischer Fries: Ein durchgehender Fries zog sich über der Außenwand der Cella entlang und stellte die große Panathenäen-Prozession dar, das wichtigste religiöse Fest Athens zu Ehren der Göttin Athene.
Die Skulpturen, insbesondere die Giebelfiguren, zeichnen sich durch anatomische Perfektion und eine meisterhafte Darstellung der Gewandfalten aus (sogenannter „Nasser Stil“).
Polychromie
Der Tempel war ursprünglich farbig bemalt (polychrom), um die architektonischen Glieder hervorzuheben und die Lesbarkeit der Skulpturen zu verbessern:
- Die Triglyphen waren vermutlich blau bemalt.
- Die Hintergründe der Metopen waren oft rot.
- Die Hintergründe der Giebelfelder und des Frieses waren wahrscheinlich blau oder rot.
- Bei den Figuren waren Details wie Augen, Haare und Gewänder farbig gefasst.
Weitere Merkmale
Die Reliefs waren teilweise leicht nach außen geneigt, um die perspektivische Verkürzung für den Betrachter am Boden auszugleichen.
Obwohl horizontale Linien dominieren, wirkt der Bau ausgewogen. Der Maßstab ist monumental, aber dennoch auf den Menschen bezogen („menschlicher Maßstab“).
Standort und Ausrichtung
Der Parthenon steht an einer prominenten, hohen Stelle auf dem Akropolis-Felsen und ist an dessen Gegebenheiten angepasst. Seine Positionierung ist nicht axial auf den Eingang der Akropolis (Propyläen) ausgerichtet, sondern so gewählt, dass er sich den Besuchern während der Panathenäen-Prozession beim Betreten der Akropolis eindrucksvoll von der Nordwestecke präsentierte.
Innenraum
Im Naos (Cella) befand sich die monumentale, etwa 12 Meter hohe Kultstatue der Athena Parthenos, ein Werk des Bildhauers Phidias. Sie war chryselephantin (aus Gold und Elfenbein gefertigt). Die Statue war von einer zweigeschossigen dorischen Säulenstellung in U-Form umgeben. Ein flaches Wasserbecken vor der Statue diente vermutlich dazu, die Luftfeuchtigkeit für das empfindliche Elfenbein zu regulieren und reflektierte zusätzlich Licht in den fensterlosen Raum.
Ionische Elemente
Obwohl der Tempel hauptsächlich der dorischen Ordnung folgt, weist er auch ionische Elemente auf: den durchgehenden Figurenfries über der Cella-Außenwand und vier ionische Säulen im ansonsten nur durch eine Tür zugänglichen Opisthodom (der als Schatzkammer diente).
Bedeutung und Funktion
Der Bau des Parthenon wurde vom athenischen Staatsmann Perikles initiiert, als Teil des Wiederaufbaus der Akropolis nach ihrer Zerstörung durch die Perser im Jahr 480 v. Chr.
Der Parthenon war weniger ein Tempel für regelmäßige Kulthandlungen als vielmehr ein monumentales Weihgeschenk an die Stadtgöttin Athene Parthenos (die „jungfräuliche“ Athene), Göttin der Weisheit und des strategischen Kampfes. Er diente auch als Schatzhaus zur Aufbewahrung wertvoller Weihegaben und möglicherweise des Schatzes des Attischen Seebunds.
Seine Wirkung zielte stark auf die äußere Erscheinung ab. Er symbolisierte den Dank der Athener für die Rettung vor den Persern und den daraus resultierenden Aufstieg Athens zur Vormachtstellung in Griechenland. Die große Osttür ermöglichte es dem Licht der aufgehenden Sonne an bestimmten Festtagen (vermutlich dem Geburtstag der Athene), direkt auf die Kultstatue zu fallen.
Der Parthenon und die gesamte Neugestaltung der Akropolis unter Perikles demonstrierten eindrucksvoll die Macht, den Reichtum und den kulturellen Anspruch Athens auf dem Höhepunkt seiner Blütezeit. Für den Bau wurden enorme finanzielle Mittel aufgewendet, die teilweise aus den Beiträgen der Mitglieder des Attischen Seebunds stammten. Der Parthenon ist somit ein herausragendes Zeugnis der Ideale, des Selbstbewusstseins und der Leistungsfähigkeit der attischen Demokratie im 5. Jahrhundert v. Chr.