Philosophie & Glaube im Mittelalter: Gottesbeweise
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Vernunft und Glaube: Zentrale Themen
Ein dominierendes Thema der mittelalterlichen Philosophie ist das Verhältnis zwischen Vernunft (Philosophie) und Glauben (Religion). Dies unterteilt sich weiter in:
- Das Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Macht
- Das Thema der "doppelten Wahrheit" oder des lateinischen Averroismus
Die Lehre der "doppelten Wahrheit"
Der lateinische Averroismus, beeinflusst von Averroes, aber auch stark von anderen abgelehnt, postuliert die Möglichkeit, dass eine Aussage philosophisch (durch Vernunft) wahr, aber theologisch (durch Glauben) falsch sein kann – oder umgekehrt. Averroes selbst vertrat diese Theorie der doppelten Wahrheit nicht in dieser Form. Er argumentierte, dass es zwei Ebenen des Wissens gibt: eine für die breite Masse der Gläubigen und eine wissenschaftlich-philosophische für die Gelehrten. Gott ist einzigartig, universell und ewig, die erste Ursache, und regiert den Kosmos durch ein Naturgesetz, das die Menschen zur Wahrheit führt. Obwohl wir zwischen theologischem und wissenschaftlich-philosophischem Wissen unterscheiden können, sind dies nur unterschiedliche Annäherungsweisen an die eine Wahrheit, abhängig von der Absicht oder Methode. Die Wahrheit ist nur eine: Der Philosoph sucht sie durch Beweisführung, während der Gläubige sie durch die Tradition und Offenbarung empfängt. Man verstand die "göttliche Offenbarung" als zweiteilig: ein klarer Teil, der für alle bindend ist, und ein Teil, der der Auslegung durch die Weisen bedarf. Averroes verteidigte die Vernunft und argumentierte, dass keine Gefahr bestehe, solange man über eine angemessene Ausbildung verfüge und die Vernunft korrekt anwende.
Rationale Gottesbeweise
Die Frage nach der rationalen Beweisbarkeit der Existenz Gottes war zentral für die Scholastik.
Anselms ontologischer Gottesbeweis
St. Anselm von Canterbury versuchte als einer der Ersten, die Existenz Gottes rational zu beweisen. Er stand zwischen verschiedenen Strömungen, ging vom Glauben aus, suchte aber nach rationalem Verständnis (fides quaerens intellectum – Glaube, der Verstehen sucht). Er betonte die Notwendigkeit, vom Glauben auszugehen, wandte sich aber gegen blinden Glauben. Sein berühmtes und umstrittenes Argument für die Existenz Gottes, das ontologische Argument, geht davon aus, dass die Existenz Gottes aus dem bloßen Begriff Gottes folgt. Gott wird definiert als „das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann“. Anselm argumentiert, dass ein solches Wesen nicht nur im Verstand, sondern auch in der Wirklichkeit existieren muss, da die Existenz in der Wirklichkeit „größer“ ist als die bloße Existenz im Verstand. Mit diesem Argument will Anselm zeigen, dass der Ungläubige (der sagt, Gott sei das Größte, was denkbar ist, aber seine reale Existenz leugnet) sich in einem Widerspruch befindet. Wer Gottes Existenz leugnet, sei ein Tor.
Die Fünf Wege des Thomas von Aquin
Thomas von Aquin präsentierte fünf Wege (quinque viae), um die Existenz Gottes durch Beobachtung der empirischen Welt und Anwendung von Kausalitätsprinzipien zu argumentieren. Alle fünf Wege argumentieren ähnlich:
- Sie gehen von empirischen Daten aus der Welt aus.
- Sie wenden das Kausalitätsprinzip an (jede Wirkung hat eine Ursache).
- Sie lehnen einen unendlichen Regress (eine unendliche Kette von Ursachen oder Bewegern) ab.
1. Weg: Der unbewegte Beweger
In der geschaffenen Welt gibt es Bewegung. Alles, was bewegt wird, wird durch etwas anderes bewegt. Eine unendliche Kette von Bewegern ist jedoch unmöglich. Daher muss es einen ersten Beweger geben, der selbst unbewegt ist: Gott.
2. Weg: Die erste Ursache
Alle Dinge sind Wirkungen einer Ursache. Nichts kann seine eigene Ursache sein. Eine unendliche Kette von Ursachen ist unmöglich. Also muss es eine erste Ursache geben, die selbst unverursacht ist: Gott.
3. Weg: Das notwendige Wesen
Alle Dinge in der Welt sind kontingent (zufällig), d.h., sie könnten auch nicht sein und sind vergänglich. Ihre Existenz hängt also von etwas anderem ab. Es muss jedoch eine Realität geben, die den Grund ihrer Existenz in sich selbst trägt, ein notwendiges Wesen: Gott.
4. Weg: Das vollkommenste Wesen
In der Welt gibt es Wesen mit unterschiedlichen Graden der Vollkommenheit (mehr oder weniger gut, wahr, edel etc.). Dies setzt einen Maßstab voraus, an dem diese Grade gemessen werden – ein absolut vollkommenes Wesen, das die Ursache aller Vollkommenheiten ist: Gott.
5. Weg: Die zielgerichtete Ordnung (Teleologie)
Alle natürlichen Körper, auch die ohne Vernunft, handeln zielgerichtet. Es gibt eine Teleologie oder Zweckmäßigkeit in der Natur. Diese Ausrichtung auf Ziele kann nicht zufällig sein; sie muss von einem intelligenten Wesen geordnet worden sein, das alles auf sein Ziel hinlenkt: Gott.
Himmlische und Irdische Welt
(Dieser Abschnitt scheint im Originaltext nur angedeutet zu sein und wird hier beibehalten, obwohl er nicht weiter ausgeführt wird.)
Das Universalienproblem
Die Frage nach den Universalien war eines der zentralen Themen der mittelalterlichen Philosophie. Sie knüpft an die Debatte zwischen Platon und Aristoteles über die Natur der Ideen oder allgemeinen Begriffe an:
- Platon gab den Ideen eine unabhängige Existenz von den Einzeldingen; sie waren die eigentliche Ursache der Dinge (Realismus).
- Aristoteles behauptete, dass die Ideen (Formen) nur in den Einzeldingen selbst existieren; sie sind deren Form (gemäßigter Realismus/Konzeptualismus).
Die Frage der Universalien ist also die Frage nach der Art der Realität, die hinter einem allgemeinen Ausdruck (wie „Mensch“ oder „Gerechtigkeit“) existiert. Gibt es sie unabhängig von den Einzeldingen, nur in den Dingen oder nur als Konzepte im Verstand (Nominalismus)?