Die Philosophie René Descartes': Rationalismus, Metaphysik und Ethik
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Historischer und sozioökonomischer Kontext
Renaissance (15.-16. Jahrhundert)
- Politisches Feld: Übergang vom Feudalismus zur absolutistischen Monarchie; Entwicklung einer säkularen Vision (Verlust der Macht der Kirche).
- Wirtschaftssektoren: Aufschwung des Seehandels (Entdeckung Amerikas) dank wissenschaftlicher Fortschritte (z.B. Astrolabium).
- Religiöser Bereich: Religiöse Krise, Ausbreitung des Humanismus, Entstehung der evangelischen Kirche und des Calvinismus.
- Sozialer Bereich: Die Kirche verlor an Macht, das Bürgertum wuchs.
Barock (17. Jahrhundert)
- Der Dreißigjährige Krieg zwischen Protestanten und Katholiken prägte die Zeit.
Kulturelle und wissenschaftliche Situation
Eine neue wissenschaftliche Mentalität entstand (Wissenschaftstheorie nach Descartes): Persönlichkeiten wie Galileo, Kopernikus, Kepler und Newton prägten eine neue Sicht des Universums, stießen jedoch auf Widerstand durch die Inquisition.
Philosophische Strömungen und Erkenntnistheorie
Rationalismus und Empirismus
- Rationalismus (17. Jahrhundert): Vertreter wie Descartes, Leibniz, Spinoza, Malebranche betonten die Vernunft als primäre Erkenntnisquelle.
- Empirismus (18. Jahrhundert): Vertreter wie Hume, Locke, Berkeley sahen die Erfahrung als Grundlage des Wissens.
Grundlagen des Wissens
- Verständnis der Vernunft:
- Zur Sicherung des Wissens wird a priori Erkenntnis verwendet (unabhängig von der Erfahrung); die Vernunft ist nicht unbegrenzt, man kann nicht alles wissen.
- Im Gegensatz dazu steht die a posteriori Erkenntnis (empfindlich gegenüber der Erfahrung), die die Grenzen der Vernunft durch die sinnliche Erfahrung aufzeigt.
- Der Ursprung der Ideen: Ideen als Inhalte des Bewusstseins:
- Angeborene Ideen: objektiv und sicher.
- Sinnliche Erfahrung: nicht angeboren, aber objektiv und sicher.
- Verständnis von Wissenschaft:
- Wissenschaft als allgemeines und notwendiges Wissen.
- Nützliches und praktisches Wissen durch die Sinne.
- Wissensmodell:
- Das mathematische Modell der Wissenschaft.
- Die empirische Wissenschaft (z.B. Newtons Physik).
- Grenzen der Vernunft:
- Rationalisten glauben, die Vernunft könne alles wissen und die Realität vollständig erfassen.
- Empiristen sehen die Grenzen der Vernunft und die Erkenntnis der Realität jenseits der Erfahrung als unerreichbar an.
Leben und Hauptwerke von René Descartes
Jugend, Ausbildung und Militärdienst
René Descartes wurde im März 1596 in La Haye (Frankreich) als dritter Sohn einer berühmten Adelsfamilie geboren. Ein Jahr nach dem Tod seiner Mutter war sein Vater, ein Ratsherr des Parlaments der Bretagne, oft abwesend. Descartes besuchte die Schule in La Flèche (zur Vorbereitung des Adels auf den Kampf gegen den Protestantismus der Hugenotten), wo er sich intensiv mit Philosophie und Wissenschaft beschäftigte. Nach Abschluss seiner Ausbildung (einer Zeit in Paris) trat er mit 30 Jahren in die Armee des Moritz von Nassau ein und lernte in den Kriegsjahren die Welt und die Kunst der Befestigung kennen. 1619 war er in der Kaserne in Neuburg gegen die Böhmen stationiert.
Reisen und frühe Schriften
Nach dem Verlassen der Armee reiste Descartes durch Europa und kehrte schließlich nach Paris zurück. Er lebte lange Zeit in den Niederlanden, wo er einen großen Beitrag zur Förderung des unabhängigen Denkens leistete. Er arbeitete bis 1649 in verschiedenen Städten.
Philosophische Hauptwerke
- 1637 (im Alter von 41 Jahren): Abhandlung über die Methode (Discours de la méthode). Hier legte er die metaphysischen Grundlagen für die wissenschaftliche Methode dar und demonstrierte deren Nutzen in Studien zur Dioptrik, Meteorologie und Geometrie.
- 1641: Meditationen über die Erste Philosophie (Meditationes de prima philosophia). Dieses Werk enthält Reflexionen über Einwände und Antworten, die seine Beziehungen zu Wissenschaftlern und Philosophen prägten.
- 1644 (Utrecht): Prinzipien der Philosophie (Principia philosophiae). Dieses Werk wurde in einigen Kreisen verboten. 1649 wurde er als Philosophieprofessor an den Hof der Königin Christina von Schweden nach Stockholm berufen, wo er 1650 (im Alter von 54 Jahren) starb.
Descartes' philosophische Absicht
Kritik an der bisherigen Philosophie
Descartes kritisierte die bisherige Philosophie für ihre Unsicherheit und mangelnde Fundierung. Im Gegensatz zur Wissenschaft, die auf sicheren Grundlagen wie der Mathematik beruht, schien die Philosophie keine unzweifelhaften Fundamente zu besitzen.
Ziel: Eine sichere und systematische Philosophie
Seine Absicht war es, die Philosophie sicher, systematisch, wissenschaftlich und geordnet zu gestalten. Zweifelsfreie Erkenntnisse sollten als Grundlage für alle weiteren Überlegungen dienen.
Das erste Prinzip: Die Vernunft
Descartes suchte ein erstes Prinzip, das auf der Vernunft und nicht auf der Erfahrung beruht. Die Vernunft ist für ihn die wichtigste Quelle des Wissens.
Die Einheit der Wissenschaften
Die Wissenschaft muss die Einheit der Weisheit ausdrücken, da es nur eine Vernunft gibt. Descartes verwendete die Metapher eines Baumes: Die Wurzeln sind die Metaphysik (Philosophie), der Stamm ist die Physik, und die anderen Zweige sind die spezialisierten Wissenschaften (Medizin, Mechanik).
Philosophie des Bewusstseins und der Erkenntnis
Abkehr von der mittelalterlichen Weltsicht
Descartes vollzog eine radikale Abkehr von der mittelalterlichen Weltsicht, in der die Sicherheit des Wissens primär durch Gott garantiert wurde. Die Komplexität der Welt erforderte eine neue Herangehensweise.
Verändertes Verständnis des Wissens
Die Erkenntnis der Wirklichkeit erfolgt durch Ideen. Ideen sind Inhalte und Wege des Denkens, die jedoch nur einen erkenntnistheoretischen, keinen ontologischen Wert besitzen (sie sind nicht die Realität selbst). Wichtig ist die aktive Erkenntnis der Realität durch Ideen.
Die Bedeutung der Erkenntnistheorie
Der Weg des Wissens führt von der Epistemologie (Erkenntnistheorie) zur Ontologie (Seinslehre). Die Philosophie der Dinge wird zur Philosophie der Ideen. Die rationale Wirklichkeit wird a priori durch die Vernunft erkannt, ohne sinnliche Erfahrung.
Wegbereiter des Idealismus
Descartes gilt als Wegbereiter des modernen Idealismus, einer philosophischen Strömung, die die Realität der Ideen betont.
Descartes' Ontologie: Die Lehre von den Substanzen
Grundbegriffe
- Variable Funktionen: Eigenschaften, die sich ändern können.
- Attribute: Die notwendigen, wesentlichen Eigenschaften einer Substanz.
- Substanz: Eine Realität, die unabhängig von anderen existiert.
Die drei Substanzen
Descartes postulierte drei Substanzen (Pluralismus), jede mit einem Hauptattribut:
- Res Cogitans (Denkende Substanz):
- Die Existenz des denkenden Ichs („Ich denke, also bin ich“).
- Attribut: Das Denken. Das denkende Ich (Seele) ist immer denkend, da Denken ihr Wesen ist.
- Modi: Spezielle Bewusstseinszustände.
- Die Seele ist einzigartig, individuell und unteilbar.
- Res Infinita (Unendliche Substanz):
- Gott.
- Descartes bestätigte seine Existenz durch gnoseologische, ontologische und kausale Argumente.
- Res Extensa (Ausgedehnte Substanz):
- Die Realität der materiellen Welt.
- Attribut: Die Ausdehnung (Extension).
- Methode: Die Welt wird durch Gestalt und Bewegung (Mechanik) erklärt.
Descartes' Ethik und die vorläufige Moral
Die Rolle der Vernunft bei der Kontrolle der Leidenschaften
Die Vernunft soll genutzt werden, um die Leidenschaften zu kontrollieren. Leidenschaften beeinflussen die Seele; es gilt, ihre Auswirkungen zu verstehen und zu steuern. Sie entspringen dem Körper und müssen durch die Vernunft kontrolliert werden. Es geht um Selbstkontrolle, nicht um die Unterdrückung der Leidenschaften, sondern um ihre Lenkung durch die Vernunft. Der Zweck der Kontrolle der Leidenschaften durch die Vernunft ist es, das Gute und Wahre freiwillig zu wählen.
Freiheit des Willens
Die Freiheit des Willens liegt in der Fähigkeit, das Gute und Wahre zu wählen, basierend auf den Erkenntnissen der Vernunft. Sie manifestiert sich im Wunsch, den Gründen der Vernunft zu folgen und das Gute und Wahre zu wählen.
Die vorläufige Moral
Descartes formulierte eine vorläufige Moral als Leitfaden für das Handeln, solange die endgültige Wahrheit des Wissens noch nicht erreicht ist. Sie besteht aus drei Maximen:
- Den Gesetzen und Gebräuchen des eigenen Landes zu gehorchen und sich in allem maßvoll zu verhalten.
- In seinen Handlungen fest und entschlossen zu sein.
- Eher die eigenen Wünsche zu ändern als die Ordnung der Welt.