Philosophische Vergleiche: Hegel, Marx, Nietzsche, Sokrates, Ortega

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Hegel und Marx im Vergleich

Unterschiede

Der Marxismus ist ein umgekehrter Hegelianismus. Er ersetzt die geistige und idealistische Konzeption durch eine materialistische Auffassung. Das Absolute ist für Hegel der Geist, für Marx die Materie.

Hinsichtlich der Natur oder des Wesens des Menschen ist für Hegel die Vernunft, oder vielmehr eine Form von Geist oder Seele, das "Selbst" und die Freiheit. Für Marx ist der Mensch ein natürliches Wesen, das durch produktive Tätigkeit oder Arbeit wird.

In Bezug auf die Philosophie des Rechts und die Bewertung der Hegelschen sozialen und politischen Ordnung seiner Zeit: Für Hegel ist der Staat die perfekte Verkörperung von Freiheit und Vernunft. Für Marx widerspricht die "proletarische Existenz" der vermeintlichen Realität der Vernunft. Der bürgerliche Staat ist ein Überbau und schafft sowie perpetuiert die Entfremdung des Proletariats.

Während die Hegelsche Interpretation der Geschichte Handlungen imaginärer Subjekte ordnet, wird die Geschichte von Marx in wirtschaftlichen Fragen geordnet und als Klassenkampf interpretiert.

Das Ende der Geschichte ist für Hegel der germanische bürgerliche Staat, in dem alle frei sind und wissen, dass sie frei sind; der Staat ist die perfekte Verkörperung von Rationalität. Für Marx ist das Ende der Geschichte die Überwindung der bürgerlichen Gesellschaftsformation und die Ankunft des Kommunismus, in dem der Mensch die Entfremdung überwindet und Freiheit und Gleichheit nicht nur formal, sondern real erreicht, anders als bei Hegel.

Hegel gehört zu jener Klasse von Philosophen, die "die Welt nur verschieden interpretiert haben". Marx hingegen versteht Philosophie als Praxis der Verwandlung der Welt.

Gemeinsamkeiten

Marx übernimmt Hegels dialektische Konzeption und wendet sie auf die Wirklichkeit (dialektischer Materialismus) und vor allem auf die Geschichte (historischer Materialismus) an.

Dialektik bedeutet zum einen, dass Widerspruch die soziale und historische Wirklichkeit bestimmt, und zum anderen die Notwendigkeit, diesen Widerspruch zu überwinden.

Die Revolution ist der Prozess der Überwindung des Widerspruchs in der kapitalistischen bürgerlichen Gesellschaft.

Nietzsche und Sokrates zur Moral

Das Ziel der Kritik Nietzsches ist die Frage der Moral. Die moralische oder ethische Frage ist für beide von zentraler Bedeutung.

Gemeinsamkeiten

Die Philosophie des Sokrates ist eine Reflexion über ethische Werte auf der Suche nach einer Definition derselben, gegen den Relativismus der Sophisten. Nietzsches tiefste und systematischste Kritik der westlichen Kultur ist die Kritik der Moral und moralischer Werte. Die Moral ist eine der Wurzeln der Krankheit und des Niedergangs der modernen Kultur.

Unterschiede

In mancher Hinsicht ist Nietzsche das Gegenteil von Sokrates. Für Nietzsche ist Sokrates der große Verderber. Mit dem Sieg des "theoretischen Menschen" über den "tragischen Menschen". Mit der sokratischen Rationalität beginnt, nach Nietzsche, der Niedergang der griechischen Kultur und das Zeitalter der Vernunft und des theoretischen Menschen.

Sokrates beginnt, dem Ersten (Vernunft und Moral) die Vorherrschaft über das Zweite (Instinkte) zu verleihen, identifiziert Glück mit Weisheit und den klugen Menschen mit einem tugendhaften Menschen und erklärt das Vitale, Leidenschaftliche und Instinktive für verdächtig.

Nietzsche entscheidet sich für das Leben als absoluten Wert: Das Wesen der Welt und des Menschen ist der treibende Wille zum Leben, der Wille zur Macht. Schopenhauer nennt dies "Wille", Nietzsche "Wille zur Macht".

Die Methode zur Untersuchung moralischer und ethischer Werte ist bei Sokrates eine rationale Methode, die versucht, sie aus der induktiven Untersuchung vieler Fälle zu definieren. Nietzsche nutzt die Genealogie, die versucht, die Herkunft der Begriffe "Gut" und "Böse" auf etymologischem und historischem Wege zu entdecken.

Für Nietzsche ist das moralische Gewissen eine Erfindung der Priesterkaste, eine Perversion des Instinkts der Grausamkeit.

Für Sokrates ist wichtig, dass der Wille des Menschen auf die Wahrheit gerichtet ist; für Nietzsche ist es der Wille zur Macht.

Sokrates ist eine der Ursachen für die Durchsetzung bürgerlicher Werte gegen das Dionysische. Nietzsche vertritt eine Umwertung aller Werte und die Wiederherstellung des Vitalen.

Nietzsche und Ortega im Vergleich

Zur Frage des Lebens

Gemeinsamkeiten

Ortega und Nietzsche stehen im europäischen philosophischen Kontext, in dem für beide das Leben von entscheidender Bedeutung für die absolute Wirklichkeit ist. Sie wenden sich gegen den Rationalismus, der die Vernunft, aber nicht das Leben zum Absoluten erklärt. Sie stimmen überein in der Ablehnung der statischen Vorstellung von der Wirklichkeit zugunsten eines dynamischen Konzepts.

Unterschiede

Das Leben ist bei Nietzsche eher biologischer Natur und seinem Wesen nach der Wille zur Macht. Bei Ortega beginnt das Leben zwar mit einem biologischen Aspekt, aber der vorherrschende Gedanke ist eher biographischer Natur. Ortega würde sagen, dass biologisches Leben und Seelenleben Realitäten sind, die sich im Wirken des Selbst befinden.

Nietzsche ist irrationalistisch, gegen die Vorherrschaft der Vernunft über das Leben, weil die Vernunft das Leben verfälscht. Ortega ist es nicht und schlägt die Überwindung des Gegensatzes zwischen Vernunft und Leben in seiner Theorie des Ratiovitalismus vor. Das Leben muss daher wissen, was es erwartet.

Zum Thema des Wissens

Gemeinsamkeiten

Beide betonen die Vorherrschaft des Lebens über die Vernunft. Gegen den Rationalismus warnen beide, dass die abstrakte Vernunft (Mathematik, Descartes) nicht in der Lage ist, das Leben zu verstehen, weil sie mit feststehenden, absoluten Konzepten arbeitet, während das fließende Leben eine Realität ist, die "flüssig und streitbar" ist. Beide erheben Einwände gegen den Anspruch der positiven Wissenschaft, die einzig gültige Form des Wissens zu sein.

Unterschiede

Laut Ortega stehen Leben und Vernunft nicht im Gegensatz zueinander, wie Nietzsche es darstellte, wodurch das Verhältnis zur Realität verzerrt und das Leben nicht erkannt wird. Ortega spricht lieber vom Ratiovitalismus, im Gegensatz zum Irrationalismus Nietzsches. Ortega spricht der Vernunft eine entscheidende Rolle im Dienst des Lebens zu; sie ist für das Leben notwendig, damit es weiß, was es erwartet. Die Vernunft ist nicht nur der Feind des Lebens, sie ist notwendig, um das Leben menschlich zu machen.

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