Platons Philosophie: Bildung, Erkenntnis & Ideenlehre
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Platons Paideia: Bildung zur Erkenntnis
Ausgehend von einem allgemeinen Standpunkt beschreibt das Verfahren, das sich in Platons Höhlengleichnis – dem Aufstieg der Seele aus der sinnlichen in die intelligible Welt – widerspiegelt, die Stufen des Bildungswesens (Paideia), wie Platon es konzipierte. Von den Ungebildeten (den gefesselten Gefangenen) über diejenigen, die durch Unterricht in Mathematik Fortschritte machen (der Ausgang aus der Höhle), bis hin zum höchsten Grad des Wissens durch die Ausbildung in der Dialektik (die Philosophen, die sich von den Fesseln der materiellen Welt der Sinne und des Körpers befreit haben und fähig sind, die Objekte der intelligiblen Welt zu betrachten: reine Formen oder Ideen). Die Seele durchläuft vier Stufen des Wissens (Vermutung/Bildvorstellung, Glauben/Überzeugung, Verstandesdenken und Vernunfteinsicht), um ein umfassendes Verständnis der wahren Wirklichkeit (der Welt der Ideen) zu erlangen, wobei „das Letzte, was wahrgenommen wird, und nur mit Mühe, die Idee des Guten ist.“ Betrachten wir dies genauer.
Die Zwei-Welten-Lehre Platons
Die Notwendigkeit eines universalen Wissens führte Platon dazu, die Existenz einer Welt der Eidos (Ideen oder Formen) anzunehmen, die nur durch den Geist wahrgenommen werden konnte. Das heißt, Platon, vor allem unter dem Einfluss von Sokrates, zweifelte an der Möglichkeit, universelles und wahres Wissen aus der sich ständig verändernden, bedingten Realität der sinnlichen Welt zu gewinnen. Diese Tatsache führte ihn zu dem Schluss, dass eine andere Wirklichkeit existieren muss, die gegensätzliche Eigenschaften aufweist: ewig, unveränderlich, beständig – eine Wirklichkeit der Ideen, die nicht durch die Sinne erreicht werden kann.
Damit greift Platon das Erkenntnisproblem auf, das schon Sokrates, sein Lehrer, beschäftigt hatte. Sokrates hatte die Notwendigkeit stabiler Begriffe betont, die durch Definitionen gebildet werden sollten. Dies stand im Gegensatz zu den Sophisten, für die Wissen relativ war und keine absolute Wahrheit existierte – jeder konnte seine eigene „Wahrheit“ haben. Platon postulierte eine Trennung der Wirklichkeit: eine Welt mit den Merkmalen des Seins nach Parmenides (Unveränderlichkeit, Ewigkeit, Vollkommenheit), die er die intelligible Welt nannte. Er verwarf jedoch nicht gänzlich die Vorstellung der Wirklichkeit nach Heraklit (Unvollkommenheit, Veränderlichkeit, Kontingenz), die er der sinnlichen Welt zuordnete, welche völlig andere Eigenschaften als die intelligible Welt aufweist.
Ontologisch gesehen sind die Ideen in der intelligiblen Welt angesiedelt. Wir dürfen sie nicht nur als Konzepte betrachten, sondern sie sind real, mit einer absoluten Realität. Sie sind daher unveränderlich, beständig, ewig und nur dem Geist zugänglich. Im Gegensatz dazu hat die sinnliche Welt, die physische Realität, gegensätzliche Eigenschaften: Die Dinge sind wandelbar, veränderlich, vielfältig, kontingent.
Stufen des Wissens: Von Meinung zu Wissenschaft
Parallel zu dieser ontologischen Einteilung der Wirklichkeit nahm Platon auch eine epistemologische Einteilung des Wissens vor. Die materielle, physische Realität (sinnliche Welt) liefert uns nur unvollkommenes, veränderliches und letztlich wertloses Wissen, da es nur eine Meinung (doxa) darstellt.
Meinung (Doxa): Abbilder und Dinge
Diese Meinung (doxa) unterteilt sich in Vermutung/Bildvorstellung (eikasia) und Glauben/Überzeugung (pistis). Durch die eikasia (im Mythos durch die Schatten der von Wachen getragenen Gegenstände dargestellt) erkennen wir nur Abbilder oder Spiegelungen der Dinge; dies ist die niedrigste Stufe des Wissens. Durch die pistis (im Mythos durch die Sicht auf die Gegenstände selbst dargestellt) erlangen wir eine genauere Kenntnis der physischen Realität der Dinge, aber immer noch keine wahre Erkenntnis.
Wissenschaft (Episteme): Denken und Einsicht
Das Wissen (episteme), das uns die Erkenntnis der Ideen ermöglicht, ist unveränderlich, beständig, ewig und stellt die wahre Wirklichkeit dar. Wir nennen es Wissenschaft. Die Wissenschaft unterteilt sich, analog zur Meinung, in Verstandesdenken (dianoia) und Vernunfteinsicht (noesis). Durch die dianoia erkennen wir intelligible Objekte, oft ausgehend von der physischen Realität (z. B. mathematische Formen), und nutzen sie als Hypothesen, um zu Schlussfolgerungen zu gelangen. Dies wird im Mythos durch den Aufstieg des Befreiten an die Oberfläche repräsentiert. Dieses Wissen entspricht der Mathematik und ist ein fundamentaler Schritt, um die höchste Stufe des Wissens, die noesis, zu erreichen. Mit der noesis werden die Ideen selbst erkannt, jedoch nicht durch Rückgriff auf Sinnliches, sondern die Seele erfasst sie direkt mittels der Dialektik. Dies wird im Mythos durch die Schau des von der materiellen Welt befreiten Menschen symbolisiert, wobei das Letzte, was er sieht, die Sonne ist, die die Idee des Guten repräsentiert. Wahres Wissen erfordert jedoch nicht nur Lernen, sondern auch eine geistige und moralische Anstrengung der Seele. Da sie im Körper gefangen ist, muss sie alles Sinnliche abstreifen, um die Idee des Guten zu erkennen.
Die Idee des Guten und der Philosophenstaat
Tatsächlich steht die Idee des Guten über den Ideen der Schönheit und Gerechtigkeit. Sie ist es, die das Gleichgewicht der drei Teile der menschlichen Seele (begehrender, muthafter und vernünftiger Teil) herstellt und die Vorherrschaft des letzten Teils, der unsterblich ist und wahrhaft erkennt, sichert. Dies ist die Grundlage der Gerechtigkeit: die vierte Tugend, die die drei Tugenden der Seelenteile (Mäßigung, Tapferkeit und Weisheit) harmonisiert, sodass der Mensch ein ethisch tugendhaftes Leben führt. Da jedem Seelenteil eine soziale Funktion entspricht (Handwerker/Nährstand, Krieger/Wehrstand und Herrscher/Lehrstand), und in einer perfekten Gesellschaft Harmonie zwischen den Klassen herrschen muss, können nur diejenigen, die am Ende ihrer Ausbildung die Wahrheit und das Gute erkannt haben – die Philosophen –, die fast vollkommene Aufgabe der weisen, harmonischen und gerechten Leitung des Staates und der Gesellschaft übernehmen.
Philosophie als Weg zu Tugend und Glück
Zusammenfassend lässt sich sagen: Wissenschaft ist unveränderliches Wissen, das sich auf das absolut Gute bezieht. Das tugendhafte Leben strebt danach und stellt das höchste Glück des Menschen dar. Das menschliche Verhalten ist auf dieses Ziel ausgerichtet. Glück in diesem Leben bedeutet die Ausübung der Tugend und die Pflege der Philosophie, insbesondere der Dialektik. Beide Wege führen dazu, die Seele vom Körper zu lösen und sie darauf vorzubereiten, die Ideen und vor allem die Idee des Guten zu betrachten. Dies befähigt den Philosophen, die Bürger zu erziehen und als oberster Führer den perfekten Staat zu leiten.