Platons Philosophie: Ideenlehre und Dualismus

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Die Theorie der Ideen

Die Theorie der Ideen bestätigt die Existenz einer bestimmten immateriellen Realität, die konzeptionell, unveränderlich, angeboren und ewig ist. Sie ist absolut, transzendent, nicht zugänglich für die Sinne, sondern nur für die Intelligenz, getrennt und unabhängig von der physischen Welt der sinnlichen Dinge und menschlichen Ansichten. Ideen sind auch ideale Paradigmen oder Modelle, die das Wesen der sinnlichen Dinge darstellen und von diesen mehr oder weniger unvollkommen nachgeahmt werden, so wie ein Schatten das Objekt kopiert oder imitiert, das ihn erzeugt.

Philosophischer Kontext

Die Stadt Athen wurde seit jeher von Oligarchen regiert. Im 6. Jahrhundert v. Chr. wurde die Demokratie eingeführt, ein politisches System, in dem die Bürger ein Mitspracherecht hatten (wobei Ausländer, Frauen, Sklaven und Kinder nicht als Bürger galten).

Ein Jahrhundert später verschlechterte sich das Schicksal Athens aufgrund interner Konflikte zwischen Oligarchen und Demokraten, verstärkt durch den bereits erwähnten Krieg zwischen Sparta und Athen, den Peloponnesischen Krieg. Athen wurde besiegt, und Sparta setzte eine Regierung von 30 Oligarchen für die Polis ein. Diese sehr kurze Zeit ist als die Herrschaft der Dreißig Tyrannen bekannt. Aufgrund der großen Ungerechtigkeiten und der Unterdrückung durch diese Regierung gegenüber den Demokraten organisierte der Führer der demokratischen Seite einen Aufstand, in dem die Demokratie wiederhergestellt wurde. Dies führte jedoch zum Todesurteil für Sokrates, die Person, die als der Gerechteste der Welt galt.

Platon wurde in einer Zeit politischer und militärischer Instabilität geboren. Als Mitglied einer Familie mit politischen Möglichkeiten wollte er sein Leben der Politik widmen, begegnete aber seinem Lehrer Sokrates, der ihn in die Welt der Philosophie einführte. Die großen Ungerechtigkeiten, die von der Regierung der Dreißig Tyrannen verübt wurden, und der Tod seines Lehrers Sokrates unter der demokratischen Regierung machten ihm klar, dass Philosophen regieren müssen, da keine Regierung sonst jemals in der Lage wäre, gerecht und gut über Herrscher und Beherrschte zu herrschen. Daraus entstand die Lehre vom Philosophenherrscher.

Ontologie: Sinnliche und intelligible Welt

Die Theorie der Ideen unterscheidet zwischen zwei grundlegenden Ebenen oder Stufen der Wirklichkeit. Dies wird als ontologischer Dualismus bezeichnet:

  • Die Ebene des wahrhaft Realen, auch als intelligible Welt oder Welt der Ideen bezeichnet. Es ist eine Welt der abstrakten Realität, ewig, vollkommen, unveränderlich, immateriell und nur der Intelligenz zugänglich. Die Ideen sind hierarchisch organisiert, wobei die höchste von allen die Idee des Guten ist – metaphorisch durch die Sonne im Höhlengleichnis symbolisiert. (Parmenides)
  • Die sinnliche Welt, auch als sichtbare oder physische Welt bezeichnet. Es ist die Welt der Objekte, die wir durch unsere Sinne wahrnehmen. Es ist eine Welt materieller Dinge, die entstehen und vergehen, unvollkommen sind und Veränderungen unterliegen. Aus diesem Grund besitzt sie weniger Realität als die Ideen. Ideen sind die Essenzen der sinnlichen Dinge. Das Wesen einer Sache ist das, was eine Sache zu dem macht, was sie ist.

Kurz gesagt, Platon beschreibt das Verhältnis zwischen der sinnlichen und der intelligiblen Welt mit den Begriffen Teilhabe (Methexis) oder Nachahmung (Mimesis). So sagt er, dass sinnliche Dinge Ideen kopieren oder nachahmen, oder dass sinnliche Dinge an den Ideen teilhaben. Ideen sind also die Ursache des Seins und der Existenz der sinnlichen Dinge; sie sind das perfekte Modell, das sinnliche Dinge unvollständig kopieren oder imitieren. Dass sinnliche Dinge tatsächlich existieren, verdanken sie der Teilhabe an den Ideen. Wir können also sagen, dass eine Beziehung der ontologischen Abhängigkeit der sinnlichen Dinge von den Ideen besteht, da die Ideen ihr Wesen sind. (Die Noesis ist die höchste Stufe der Ontologie).

Erkenntnistheorie: Episteme und Doxa

Platon postuliert die Existenz von zwei verschiedenen Ebenen oder Stufen des Wissens. Dies wird als Erkenntnistheorie oder epistemologischer Dualismus bezeichnet:

  • Wissenschaftliche Erkenntnis oder Episteme

    Das Ziel der Erkenntnis muss eine klare, objektive und wahre Wirklichkeit sein. Das wahrhaft Wirkliche ist stabil, unveränderlich und ewig, d.h. die Welt der Ideen – das Wesen der Dinge. Um wahre Erkenntnis zu erlangen, muss unsere Seele zur Betrachtung der ewigen Ideen geführt werden, weg von den trügerischen Möglichkeiten, Dinge zu verändern, und der sinnlichen Welt. Das Erreichen dieser Art von Wissen ist das Ziel der Philosophie. Sobald dies erreicht ist, kennt der Philosoph die Idee von etwas und somit auch die sinnlichen Dinge, die diese Idee kopieren.

    Kurz gesagt, die wissenschaftliche Erkenntnis oder Episteme stellt die oberste Ebene des Wissens dar und zeigt uns die Wahrheit bezüglich dessen, was wirklich real ist, d.h. der Ideen. Im Gegensatz zur bloßen Meinung ist sie unfehlbar, allgemeingültig, objektiv, unveränderlich und basiert auf der Intelligenz, nicht auf den Sinnen.

  • Die Meinung oder Doxa

    Sie kann nur die sinnliche Welt betreffen. Die Sophisten argumentieren, dass jede Meinung relativ ist. Die sinnliche Welt kopiert die intelligible Welt; wir betrachten sie als etwas, das der intelligiblen Realität, die das Modell und die Essenz der sinnlichen Dinge darstellt, etwas näherkommt.

    Kurz gesagt, die Meinung ist ein geringeres Maß an Wissen. Ihr Ziel ist die Welt der sinnlichen und wechselnden materiellen Dinge, die nur einzelne Exemplare der Ideen sind. Es ist ein relatives und scheinbar oberflächliches, unzuverlässiges Wissen, das mit den Sinnen und sinnlichen Erscheinungen verbunden ist. Darüber hinaus verändert sich ihr Objekt ständig.

Das Liniengleichnis: Ontologie und Erkenntnistheorie

Der Kern der platonischen Philosophie ist die Unterscheidung zwischen zwei Realitätsebenen (der intelligiblen und der sinnlichen Welt), die zwei verschiedenen Ebenen oder Stufen des Wissens (wissenschaftliches Wissen und Meinung) entsprechen.

Zusammenfassend stellt Platon mit dem Liniengleichnis eine klare Beziehung zwischen Ontologie und Erkenntnistheorie her. Dadurch sollen vier wichtige Ideen vermittelt werden:

  1. Die Existenz verschiedener Grade der Wirklichkeit, nach einer Skala vom niedrigsten zum höchsten Grad der Realität:
    • Bilder
    • Natürliche und künstliche Dinge
    • Mathematische Objekte
    • Ideen
  2. Die Existenz verschiedener Grade des Wissens, nach einer Skala vom niedrigsten zum höchsten Grad an Klarheit und Wahrheit:
    • Einbildung (Eikasia)
    • Glaube (Pistis)
    • Denken (Dianoia)
    • Intelligenz (Noesis oder Wissen)
  3. Die Existenz einer Korrespondenz zwischen den verschiedenen Ebenen der Wirklichkeit und den Wissenszuständen, sodass gilt: Je realer ein Objekt ist, desto klarer und wahrer ist das Wissen, das wir darüber erlangen können, und umgekehrt.
  4. Auf ihrem allmählichen Aufstieg zu den Ideen muss die Seele alle Ebenen des Seins überwinden, nämlich von den Bildern zu den Ideen, über zwei Zwischenstufen (physische Objekte und mathematische Objekte).

Der Mensch: Körper und Seele

Platon vertritt eine dualistische Auffassung des Menschen: Der Mensch ist ein Verbund aus Körper und Seele. Dies wird als anthropologischer Dualismus bezeichnet. Allerdings wird die Verbindung von Seele und Körper als eine Art Strafe angesehen.

  • Die Seele

    Die Seele ist unsterblich und immateriell; sie ist unser wahres Selbst. Platon sagte, dass der Mensch seine Seele ist. Platon sieht die Seele als das entscheidende Prinzip, das dem Körper Leben und Bewegung verleiht, aber auch als den Ursprung der Erkenntnis. Die spezifische Funktion der menschlichen Seele ist das Wissen, und ihr charakteristischstes Merkmal ist die Rationalität. Die Seele ist eine Realität, die irgendwo zwischen den beiden Welten (sinnlich und intelligibel) angesiedelt ist und präexistent in der Welt der Ideen war. Platons Seelenlehre ist stark vom Einfluss der Pythagoreer geprägt: die präexistente Existenz außerhalb des Körpers, die Lehre von der Reinkarnation, die Notwendigkeit der Reinigung der Seele durch Wissen und Tugendpraxis, die Unsterblichkeit und Immaterialität der Seele und so weiter.

  • Der Körper

    Der Körper ist materiell und sterblich. Der Körper ist das Gefängnis der Seele, eine ständige Quelle von Trieben und Wünschen. Der Körper neigt zu Besitz, Ehrgeiz und Krieg. Die Sinne ziehen die Seele an, wo man niemals Tugend oder Wissen finden kann. Der Körper ist ein Hindernis für die Erkenntnis der Wahrheit, die die Seele erlangen muss, wenn sie sich zur intelligiblen Welt bewegen will, wo sie Wissen und Kraft findet.

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