Platons Philosophie: Ideenlehre, Seele & Gerechtigkeit im Staat
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Platons Ideenlehre: Die Suche nach ewiger Wahrheit
Platons Philosophie ist maßgeblich von seiner Ideenlehre geprägt, die eine zeitlose Suche nach der Idee der ewigen und unveränderlichen Gerechtigkeit darstellt. Sie steht im Kontrast zur flüchtigen Natur politischer Macht und den Versuchen, diese zu beeinflussen.
Der Dualismus der Welt
Platon unterscheidet klar zwischen zwei Welten:
- Die Welt der Sinne: Diese ist geprägt von Veränderung und Vergänglichkeit. Sie ist nicht Gegenstand wahrer Wissenschaft, sondern lediglich der Meinung (Doxa).
- Die Welt der Ideen: Diese ist immateriell, ewig und unveränderlich. Hier finden sich die wahren, vollkommenen Formen aller Dinge, die nur durch den Geist erfassbar sind.
Ethische und politische Absicht
Die Ideenlehre hat eine tiefgreifende ethische und politische Intention:
- Ethisch: Die Schaffung der Idee einer allgemeinen Gerechtigkeit.
- Politisch: Die Konzeption eines politischen Systems, das stabil und unveränderlich ist, im Gegensatz zu den wechselhaften politischen Realitäten.
Wissenschaftliche Erkenntnis (Episteme) befasst sich mit den unveränderlichen Ideen, nicht mit den variablen Dingen der sinnlichen Welt, die nur zu Meinungen (Doxa) führen können.
Erkenntnis und die Hauptideen
Obwohl wir in der sinnlichen Welt leben, können wir uns durch eine induktive Methode der Erkenntnis der Ideen nähern. Platon identifiziert drei Hauptideen, von denen sich alle anderen ableiten:
- Das Gute
- Die Gerechtigkeit
- Die Schönheit
Die sinnliche Welt ist lediglich ein Schatten oder eine unvollkommene Abbildung dieser vollkommenen Ideen.
Der Demiurg und die vernünftige Welt
Der Demiurg ist verantwortlich für die Schaffung der vernünftigen Welt. Er formt die Materie nach dem Vorbild der ewigen Ideen, um die Dinge so perfekt wie möglich erscheinen zu lassen. Sein Ziel ist es, eine ethische Grundlage für alles zu schaffen.
Platons Kosmologie: Die beste aller Welten
In seiner Kosmologie beschreibt Platon, wie der Demiurg die Materie nach den Vorstellungen der Ideen formt. Er vertritt eine teleologische Sichtweise (von griech. telos: Ende, Ziel), wonach diese Welt die beste aller möglichen Welten ist. Dies liegt daran, dass sie an den vollkommenen Ideen teilhat und diese nachahmt (Mimesis). Platon versucht, die Entstehung der Welt durch die vier Elemente – Wasser, Feuer, Erde und Luft – sowie ein fünftes Element, das die Harmonie herstellt, zu erklären.
Dualistische Anthropologie: Körper und Seele
Platons Anthropologie ist dualistisch und unterscheidet klar zwischen:
- Dem Körper: Er ist sterblich und wird oft als Gefängnis der Seele betrachtet.
- Der Seele: Sie ist der unsterbliche und geistige Teil des Menschen.
Die Unsterblichkeit der Seele
Die Seele ist aus mehreren Gründen unsterblich:
- Sie nimmt am Leben teil und nicht am Tod.
- Sie ist wie die Ideen immateriell und unteilbar.
- Sie ist ewig, genau wie die Ideen.
- Ihr Wissen ist eine Erinnerung (Anamnesis) an Dinge, die sie bereits vor der Geburt kannte. Die Seele gibt dem Körper eine ethische Ausrichtung.
Seelenwanderung (Metempsychose)
Platon akzeptiert die pythagoreische Theorie der Seelenwanderung oder Reinkarnation. Diese dient der Reinigung und der Annäherung der Seele an die Ideen.
Die Dreiteilung der Seele
Die menschliche Seele ist in drei Teile gegliedert:
- Die vernünftige Seele (Logistikon):
- Unsterblich
- Sitz: Gehirn
- Funktion: Vernunft, Weisheit
- Zugeordnet: Philosophen
- Die muthafte Seele (Thymoeides):
- Sterblich
- Sitz: Brust
- Funktion: Edle Leidenschaften, Tapferkeit
- Zugeordnet: Krieger, Wächter
- Die begehrende Seele (Epithymetikon):
- Sterblich
- Sitz: Unterleib
- Funktion: Unedle Leidenschaften, Triebe
- Zugeordnet: Bauern, Handwerker, Arbeiter
Erkenntnisweg: Von der Doxa zur Episteme
Wissen ist für Platon ein Wiedererinnern (Anamnesis). Bevor die Seele in den Körper eintritt, kennt sie die Ideen. Beim Eintritt in den Körper vergisst sie diese. Durch Erfahrung in der sinnlichen Welt wird die Seele an die Ideen erinnert. Man erinnert sich jedoch nur an das, was man zuvor schon wusste.
Die Dialektik als Erkenntnismethode
Der dialektische Weg ist die Methode des Erinnerns. Er ist inspiriert von der sokratischen Mäeutik (Hebammenkunst), die durch Dialog, Fragen und Antworten zur Erkenntnis führt. Ziel ist der Aufstieg von der Meinung (Doxa) zum wahren Wissen (Episteme).
Dieser Weg beginnt in der Welt der Bilder und Darstellungen, die uns an die Objekte erinnern. Durch das Studium der Mathematik, die ein deduktives Denken erfordert, steigt man weiter auf, bis man schließlich die reinen Ideen erreicht.
Ethik und Politik: Der gerechte Staat
Platons Ethik und Politik sind eine direkte Antwort auf den relativistischen Moralbegriff der Sophisten. Er strebt eine ethische Revolution an, die das Gute und Böse objektiv erkennt und eine Grundlage für Tugend schafft.
Tugend und Glückseligkeit
Tugend ist für Platon das Wissen des Guten, das zum Glück führt. Sie ist eine Mischung aus Freude und dem Streben nach Weisheit. Tugend bedeutet auch die Reinigung der Seele von Leidenschaften und Leiden, um sich vom Körper zu lösen und zu den Ideen aufzusteigen, was zur wahren Freiheit führt (der Körper als "Gefängnis"). Tugend ist zudem die harmonische Verwaltung der drei Seelenteile (vernünftig, muthaft, begehrend).
Der Mensch und die Polis
Der Mensch ist ein soziales Wesen, und die Polis (Stadtstaat) steht über dem Individuum. Platon zieht eine direkte Analogie zwischen den drei Teilen der Seele und den sozialen Schichten des Staates (Gleichsetzung von Politik und Anthropologie). Ein gerechter Staat erfordert ein Gleichgewicht zwischen diesen Schichten:
- Philosophen (vernünftige Seele): Besitzen Weisheit und Klugheit. Sie sind verantwortlich für die Regierung des Staates.
- Wächter/Krieger (muthafte Seele): Besitzen Tapferkeit. Ihre Aufgabe ist es, die Polis zu verteidigen und für Ordnung zu sorgen.
- Handwerker/Arbeiter (begehrende Seele): Besitzen Mäßigung. Sie stellen die materiellen Güter für die Polis bereit.
Der Staat muss Harmonie zwischen diesen Ebenen suchen, damit Gerechtigkeit entsteht und das gemeinsame Wohl über dem individuellen steht.
Die ideale Staatsform und ihr Verfall
Die beste Regierungsform ist für Platon die Aristokratie, genauer gesagt die Monarchie des Philosophenkönigs, der die Idee des Guten erkannt hat und danach regiert.
Platon beschreibt auch den Verfall der Staatsformen:
- Timokratie: Herrschaft der Krieger, die von Ehre und Ruhm getrieben wird.
- Oligarchie: Herrschaft der Wenigen, die vom Reichtum bestimmt wird.
- Demokratie: Herrschaft der Masse, die oft zu Unordnung und der Herrschaft unvorbereiteter Personen führt.
- Tyrannei: Die ungerechteste Regierungsform, die aus der Demokratie entsteht, wenn ein Einzelner die Kontrolle über die Masse erlangt und jegliche Freiheit unterdrückt.