Platons Philosophie: Natur, Erkenntnis, Mensch und Staat

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Platons Naturphilosophie: Der Demiurg und die Ideenwelt

Platon lehnt den mechanistischen Atomismus ab: Die Ordnung kann nicht das willkürliche Ergebnis einer Störung sein. Solche Ordnung kann nur von einem intelligenten Ordnungssystem stammen, das er als Demiurg bezeichnet.

Der Demiurg, eine ordnende Intelligenz, wirkt auf eine ewige und chaotische Materie ein, die mit unregelmäßigen Bewegungen ausgestattet ist. Er stimmt der Notwendigkeit einer dritten Instanz zu, die einen Plan oder ein Modell vorgibt. Die Funktion des Demiurgen ist es, die Essenzen und Ideen so weit wie möglich in dieser Materie zu verwirklichen. Wenn das Universum nicht ganz perfekt ist, liegt das daran, dass die Materie stets ein Faktor der Unvollkommenheit und Unordnung bleibt.

Platons Ideenlehre: Was sind Ideen?

  • Sie sind nicht nur abstrakte Begriffe.
  • Sie sind immaterielle, unveränderliche, vollkommene, ewige, absolute Realitäten oder Entitäten, unabhängig von der physischen Welt der Sinne.
  • Die Welt der Ideen ist nicht durch die Sinne wahrnehmbar, sondern nur durch die Intelligenz.
  • Platons Ideen sind die Verdinglichung der von Sokrates entdeckten allgemeinen Begriffe.
  • Sie tragen den Charakter des Seins nach Parmenides: Das Sein ist eins, aber die Ideen sind vielfältig.

Ideen sind:

  • Aus der Sicht des Seins: die wirkliche Realität.
  • Aus der Sicht des Wissens: der Gegenstand wahrer Erkenntnis.
  • Aus ethischer Sicht: die Werte, die das individuelle und kollektive Verhalten bestimmen.
  • Aus politischer Sicht: Der Philosoph, der die Ideen kennt, sollte die Stadt regieren, um die ideale Polis zu verwirklichen.
  • Aus pädagogischer Sicht: Der Lehrer muss die Lernenden über die sinnliche Realität hinausführen.

Die physische Welt bei Platon

Platons physische Welt weist die gegenteiligen Merkmale der Ideen auf: Sie ist materiell, veränderlich, vergänglich (d.h. sie entsteht und vergeht), unvollkommen, vorübergehend und relativ. Es ist die Welt, die durch die Sinne wahrgenommen wird.

Die Ideen sind Archetypen oder Modelle, nach denen die sinnlichen Gegebenheiten geformt werden. Sie sind die Essenzen der Dinge. Die Ideen geben der physischen Welt Sinn. Ohne sie wäre die Materie chaotisch und formlos.

Hierarchie und Ordnung der Ideen

Die Welt der Ideen ist hierarchisch aufgebaut und weist verschiedene Seinsgrade auf. Die pyramidale Basis wird von den Ideen der physischen Welt eingenommen, die Spitze von der Idee des Guten, und dazwischen liegen Wissenschaften wie die Mathematik.

Die Idee des Guten

In der „Politeia“ (Republik) ist die Idee des Guten die höchste Idee in der Hierarchie. Sie ist nicht die schöpferische Ursache, sondern diejenige, die aller Realität Sinn verleiht. Platon vergleicht sie mit der Sonne: So wie die Sonne die Welt sichtbar macht und den Dingen Wachstum verleiht, macht die Idee des Guten alle anderen Ideen verständlich.

Indem Platon die Idee des Guten als oberste Idee festlegt, schlägt er ein teleologisches Modell der Naturinterpretation vor, das besagt, dass alles nicht zufällig, sondern zielgerichtet durch die Idee des Guten geleitet wird.

Platons Erkenntnistheorie: Wege zur Wahrheit

Platons Lehre bestimmt den Gegenstand des Wissens und die Bedingungen, die es erfüllen muss.

Gegenstand des Wissens: Stabilität und Ideen

Objekte in der physischen Welt verändern sich, daher können sie nicht Gegenstand der Wissenschaft sein. Platon begründet die feste Natur des Wissens in den Ideen (z.B. Richter ändern sich, die Idee der Gerechtigkeit nicht).

Zwei grundlegende Arten des Wissens

  • Meinung (Doxa): Subjektives Wissen, das sich auf die veränderlichen Objekte der physischen Welt bezieht.
  • Wissenschaft (Episteme): Objektives, universelles und absolut unveränderliches Wissen, das sich mit den Ideen befasst.

Die Grade des Wissens bei Platon

Platon unterscheidet klar definierte Stufen des Wissens, die er im Höhlengleichnis veranschaulicht:

Detaillierte Erklärung der Wissensgrade:

  • Eikasia (Vermutung/Einbildung): Interpretation von Bildern oder Schatten sinnlicher Objekte.
  • Pistis (Glaube): Eine Meinung, die nicht streng begründet ist und sich auf materielle, sinnlich wahrnehmbare Objekte bezieht.
  • Dianoia (Diskursives Denken): Die kognitive Leistung der Mathematik. Dies ist eine Form der Wissenschaft oder des verstandesmäßigen Wissens, da sich die Objekte (z.B. geometrische Figuren) als ewig und unveränderlich erweisen.
  • Noesis (Reine Intelligenz/Einsicht): Bezieht sich auf intuitives Wissen, dessen Gegenstand die Dialektik ist.

Die Dialektik

Die Dialektik ist ein grundlegendes Konzept in Platons Denken und erscheint prominent in der „Politeia“ (Republik). Sie kann als Methode und als Wissenschaft verstanden werden:

  • Als Methode: Sie ist die rationale Methode schlechthin. Zunächst bedeutet sie die Kunst der Argumentation durch den Dialog, bei der es darum geht, Fragen zu stellen und Antworten zu finden. Im Gegensatz zur sophistischen Dialektik strebt Platon mit ihr das Wissen über Ideen an. Dies beinhaltet einen Prozess der Analyse und Synthese.
  • Als Wissenschaft: Sie ist die höchste Form der Erkenntnis, die der reinen Intelligenz (Noesis) zugeordnet ist. Es ist eine intuitive Art der Erkenntnis, die aufsteigend zur höchsten Idee, der Idee des Guten, führt. Diese Intelligenz ist ein Prozess, der von Erscheinungen zur Wahrheit, vom Veränderlichen zum Unveränderlichen, von Bildern zur Wahrheit aufsteigt. Im absteigenden Prozess kehrt der dialektische Philosoph in die Höhle zurück, um die Gefangenen von ihren irreführenden Ansichten zu befreien und sie zur Betrachtung der Ideenwelt zu führen. Dies ist Platons Konzept der Bildung.

Die Dialektik hat eine reiche theoretische Dimension – die Betrachtung der wahren Realität der Ideen – und eine praktische Dimension, denn die Dialektik, die zur Betrachtung der Idee des Guten gelangt ist, dient auch im Privatleben (Ethik) und hilft den Regierenden und Gesetzgebern, im öffentlichen Leben (Politik) gut und gerecht zu handeln. Es ist eine Wissenschaft, die eine große emotionale Unterstützung, Liebe oder Eros, erfordert.

Anamnesis: Die Erinnerung an Ideen

Wenn die Seele vor der Existenz in der physischen Welt in der Ideenwelt existierte, ist Wissen nichts anderes als Erinnerung (Anamnesis). Die Realitäten der physischen Welt bieten lediglich die Gelegenheit, sich an die Ideen zu erinnern, die die Seele zuvor geschaut hat.

Platons Anthropologie: Die Dualität des Menschen

Platon bekräftigt und stimmt mit dem ontologischen Dualismus überein, der auf der Seins-Ebene die Existenz zweier Welten behauptet. Dies korrespondiert auf der Erkenntnis-Ebene mit einem gnoseologischen Dualismus, d.h. zwei grundlegenden Arten des Wissens (Wissenschaft und Meinung), und einem anthropologischen Dualismus: Der Mensch besteht aus Körper und Seele, zwei vollständig getrennten und heterogenen Substanzen. Körper und Seele sind radikal verschieden in ihrer Art, ihrem Ursprung und ihrem Ziel.

Der Körper ist materieller Natur und gehört zur Welt der Sinne. Die Seele hingegen ist spiritueller Natur und stammt aus der intelligiblen Welt. Sie ist im Körper wie in einem Gefängnis gefangen. Das Schicksal der Seele, nicht des Körpers, ist die Kontemplation der Ideenwelt. Daraus folgt, dass die Seele wesentlich ist und der Körper akzidentell; sie bilden keine einzige Substanz, sondern zwei.

Die Unsterblichkeit der Seele

Platon bietet verschiedene Argumente für die Unsterblichkeit der Seele:

  • Argument der Anamnesis: Wenn die Seele sich an Ideen erinnern kann, muss sie diese vor der Geburt geschaut haben.
  • Argument der Einfachheit: Die Seele ist einfach und unteilbar, daher kann sie nicht wie der Körper zerfallen oder beschädigt werden.
  • Ethisches Argument: Wenn die Seele mit dem Tod vergehen würde, blieben Gut und Böse ohne Belohnung oder Bestrafung, was ungerecht wäre.

Die Dreiteilung der Seele

Es ist unklar, ob Platon von drei Seelen oder drei Teilen der Seele spricht. Diese sind:

  • Die rationale Seele (Logistikon): Im Gehirn lokalisiert. Sie ist der Ursprung des Denkens und der Vernunft im Menschen.
  • Die leidenschaftliche Seele (Thymoeides): Im Brustkorb angesiedelt. Sie ist der Ursprung edler Leidenschaften und Emotionen wie Zorn, Ehrgeiz, Mut und Hoffnung.
  • Die begehrende Seele (Epithymetikon): Im unteren Bauchraum lokalisiert und durch das Zwerchfell getrennt. Sie ist der Ursprung der primären Instinkte und Triebe wie Sexualtrieb, Hunger und Durst.

Es scheint, dass nur die rationale Seele unsterblich ist.

Platons Ethik: Tugend, Gerechtigkeit und Glück

Dialektik als Grundlage der Ethik

Die Dialektik ist sowohl ein theoretisches Wissen – die Betrachtung der Ideen, insbesondere der Idee des Guten – als auch praktisch. Denn wer die Idee des Guten und andere ethische Ideen kennt, kann als Individuum im ethischen und politischen Bereich gerecht und klug handeln und dies in seinem individuellen und kollektiven Leben umsetzen.

Wenn die Ethik die Aufgabe hat, das Gerechte zu finden, und die Politik darauf abzielt, den perfekten idealen Staat zu schaffen, dann ist die Gerechtigkeit die grundlegende Tugend der Ethik und Politik, denn sie macht den Menschen tugendhaft und den Staat vollkommen. Es gilt, die Definition von Gerechtigkeit zu finden.

Platon und Sokrates gegen die Sophisten

Angesichts des moralischen Relativismus der Sophisten war Sokrates davon überzeugt, dass moralische Begriffe rational durch Definition bestimmt werden können. Platon akzeptierte diese Überzeugung seines Lehrers Sokrates und begründete die absolute Natur der ethischen und politischen Werte in den Ideen.

Der Begriff der Gerechtigkeit

Um Gerechtigkeit richtig zu definieren, muss die menschliche Natur analysiert werden. Diese Analyse zeigt bei Platon, dass es drei Teile der Seele gibt. Jeder Teil der Seele hat seine entsprechende Tugend. Die Harmonie und Regulierung jedes Teils durch seine entsprechende Tugend ist die Gerechtigkeit. Die Tugend der Gerechtigkeit ist in erster Linie die Harmonie, die entsteht, wenn jeder Seelenteil seine Aufgabe erfüllt und nicht in die Aufgaben der anderen eingreift.

  • Die rationale Seele sollte durch Weisheit (oder Klugheit) geleitet werden, die sich auf die Kenntnis der Ideen, insbesondere der Idee des Guten, konzentriert.
  • Die leidenschaftliche Seele sollte durch Tapferkeit (oder Mut) reguliert werden, die ihre Leidenschaften und Impulse kontrolliert.
  • Die begehrende Seele sollte durch Mäßigung (oder Besonnenheit) beherrscht werden, die die Begierden und Neigungen moderiert.

Es gibt drei Konzepte der Tugend bei Platon:

  • Tugend als Weisheit: Wissen und Verständnis der Welt der Ideen.
  • Tugend als Reinigung: Der tugendhafte Mensch reinigt seine Seele von den Leidenschaften des Körpers, um Zugang zu den Ideen zu erhalten.
  • Tugend als Gerechtigkeit/Harmonie: Die Harmonie, die wir soeben beschrieben haben.

Tugend und Glück

Platon strebt wie alle Menschen nach Glück, und solches Glück findet sich nur im Besitz des höchsten Gutes. Aus den sokratischen Lehren entwickelten sich zwei Schulen: die hedonistische, die das Vergnügen als höchstes Gut ansah, und die zynische, die das Glück allein in der Tugend sah. Platon sagte: „Der Gerechte ist glücklich, der Ungerechte unglücklich.“ Später sprach er von einem gemischten Leben aus Freude und Weisheit, das durch Tugend geregelt wird, da der Mensch weder reine Animalität noch reine Rationalität ist. Für Platon ist das absolute Gut für den Menschen nichts anderes als die Kontemplation der Ideen, deren Kontemplation das höchste Glück darstellt. In diesem Sinne ist die Tugend ein Weg, ebenso wie die Dialektik und der Eros (Liebe), um Zugang zu den Ideen zu erhalten. Doch der isolierte Mensch kann nicht gut und tugendhaft sein; er benötigt die politische Gemeinschaft, den Staat.

Platons Politische Philosophie: Der ideale Staat

Platons politischer Anspruch

Platon theoretisiert über die ideale, utopische Polis. Er verzichtet vorerst auf aktive Politik und bevorzugt eine Reform, die auf einer theoretischen Reflexion über Politik und den idealen Staat basiert. Er ist überzeugt, dass eine radikale politische Reform nur durch das Studium der Philosophie, insbesondere der Dialektik, möglich ist, die „auf die volle und perfekte Vision dessen abzielt, was gerecht ist, sowohl in privater als auch in öffentlicher Ordnung“.

Politik ist für Platon eine tiefgehende Wissenschaft, die gelehrt werden muss. Im Gegensatz dazu lehren die Sophisten Rhetorik, die keine strenge Erkenntnis ist, sondern auf der Ebene der Meinung und Vermutung verbleibt und meist Demagogen hervorbringt, keine guten Herrscher.

Verbindung von Ethik und Politik

Platon trennt Politik niemals von Moral. Für Platon und Aristoteles ist der Mensch kein isoliertes Individuum, sondern ein Bürger innerhalb der Polis. Dort entwickelt er sich als Mensch und wird moralisiert. Ethik und Politik können nicht getrennt werden, da das Ziel eines gerechten Staates untrennbar mit ethischen Prinzipien verbunden ist.

Der Mensch als soziales Wesen

Platon teilt den tief verwurzelten Glauben der griechischen Welt, dass der Mensch von Natur aus ein soziales Wesen ist, eingebettet in die Polis oder den Staat.

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