Politische und Soziologische Theorien: Staat, Kultur und Sozialisation
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Die Organismische Theorie der Gesellschaft
Eine Gesellschaft ist eine Gruppe von Personen, die eine gemeinsame Kultur haben. Historisch gesehen sind die ersten Theorien, die auftauchten, die organismischen. Nach dieser Auffassung ist die Gesellschaft ein Organismus, der die Individuen transzendiert. Das Ganze (die Gesellschaft) ist mehr als die Summe seiner Teile (die Individuen). Der Organisimus sieht die Gesellschaft dem Individuum voraus.
Die Gemeinschaft ist Teil der Essenz des Menschseins, sodass diejenigen, die getrennt von ihr leben, nicht als solche betrachtet werden. Aristoteles sagte, dass derjenige, der außerhalb der Polis lebt, entweder ein Gott oder ein Tier, aber kein Mensch sei.
Die Vertragstheorien (Kontraktualismus)
Thomas Hobbes: Der Naturzustand und der Leviathan
- Laut Hobbes leben die Menschen im Naturzustand in Armut und in einem Zustand des Krieges aller gegen alle.
- Um dieses Problem zu lösen und Frieden zu erreichen, unterzeichnen die Individuen einen Gesellschaftsvertrag, in dem sie alle Rechte an den Staat oder den Herrscher abtreten.
- Das daraus resultierende politische Regime ist die Tyrannei. Der Staat (der Leviathan) ist ein Monster, das aus der Freiheit und den Rechten aller Individuen geschaffen wurde.
John Locke: Privateigentum und liberale Demokratie
- Locke beschreibt einen Naturzustand, in dem Individuen nicht isoliert, sondern in kleinen Gemeinschaften leben, glücklich sind und volle Freiheit und Rechte genießen.
- Das wichtigste Recht ist für Locke das Recht auf Privateigentum.
- Seine Theorie ist die Grundlage für den Schutz der Rechte und die liberale Demokratie.
Jean-Jacques Rousseau: Der Gesellschaftsvertrag
- Rousseau sieht die Individuen im Naturzustand als frei, glücklich und gut an, aber sie sind gezwungen, sich um ihr Überleben zu kümmern.
- Zur Lösung dieses Problems entsteht die Gesellschaft und entwickelt eine Institution, die ihre wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht: die Teilung der Arbeit, damit die Menschen ihre Produkte austauschen können. Diese Institution ist nützlich und notwendig für die Gesellschaft.
- Rousseau argumentiert, dass die Probleme der Gesellschaft begannen, als eine Person ein Feld einzäunte und sagte: "Dies ist mein", und andere naiv genug waren, ihm zu glauben.
- Für ihn dient der Gesellschaftsvertrag nicht dazu, die Gesellschaft zu bilden, sondern ihre Konsolidierung zu festigen.
Die Bedeutung von Kultur und Zivilisation
Das deutsche Wort Kultur bezieht sich auf alle Ideen und Techniken, die eine Gesellschaft entwickelt, um der Unwissenheit entgegenzutreten. Der französische Begriff Zivilisation hingegen verweist auf Gewohnheiten und Sitten und steht im Gegensatz zur Wildheit.
Nach griechischer Auffassung ist Kultur alles, was die menschliche Entwicklung und die Humanisierung des Menschen ermöglicht. Wissen und Kultur sind soziale Praktiken, die diese Humanisierung fördern und nicht gegen sie gerichtet sind – im Gegensatz zum Begriff der "Barbarei".
Sozialisation: Primäre und Sekundäre Prozesse
Primäre Sozialisation
Tritt in der Kindheit auf. Die wichtigsten Sozialisationsagenten sind die Familie und die Schule. In diesem Prozess verinnerlicht das Kind die wichtigsten sozialen Normen. Die Internalisierung der Regeln bedeutet, dass sie Teil des Gewissens des Einzelnen werden. (Beispiele: Normen gegen Inzest und Kannibalismus.)
Sekundäre Sozialisation
Tritt ab der Adoleszenz und im Erwachsenenalter auf. Die Sozialisationsmittel sind die Institutionen und Gruppen, denen sich das Individuum im Laufe seines Lebens anschließt, wie Vereine, Arbeitsplatz oder Sportgruppen.
Während dieses Prozesses assimiliert das Individuum die soziale Rolle. Rollen sind die verschiedenen Positionen, die ein Individuum in einer Gesellschaft einnehmen kann (einige sind nicht gewählt, andere schon). Die sozialen Rollen sind die Verhaltensweisen, die eine soziale Rolle begleiten.
Legalität und Legitimität des Staates
Ein Staat muss legal und legitim sein. Legalität bezieht sich auf die Übereinstimmung eines Staates mit seinen Gesetzen. Ein Staat ist legal, wenn er das geltende Recht erfüllt.
Legitimität ist eine moralische Komponente und bezieht sich darauf, wie ein politisches Regime an die Macht kommt und diese ausübt. Ein Staat ist legitim, wenn er eine Reihe von moralischen und politischen Rahmenbedingungen erfüllt, die seine Existenz rechtfertigen.
Beispiele: Die Hitler-Diktatur war legal (im Rahmen der damals geschaffenen Gesetze), aber nicht legitim. Die Franco-Diktatur in Spanien war von Anfang an illegal und illegitim.
Kriterien der Legitimität
- Das älteste Kriterium ist die Macht (Gewalt): Ein Regime ist legitim, weil es das stärkste ist.
- Ein weiteres Kriterium ist das Charisma des Führers: Die Persönlichkeit des Führers, seine Fähigkeit, Massen zu führen, oder seine Entwicklung machen den Staat legitim.
- Ein weiteres Kriterium ist die Tradition und Religion: Ein Staat ist legitim, weil er die von Gott festgelegten Gebote befolgt.
- Ein Staat ist legitim, wenn er die Regeln der Demokratie achtet.
Das Repräsentative Demokratiemodell
Dieses Modell ist in vielen demokratischen Staaten etabliert. Es hat seinen Ursprung in den politischen Theorien der Elitentheoretiker Mosca und Pareto, wonach die Regierung des Landes in den Händen einer Elite liegt, die sowohl wirtschaftlich als auch intellektuell überlegen ist.
Diese Ideen werden mit der Position des österreichischen politischen und Wirtschaftstheoretikers Joseph Schumpeter verbunden, der argumentierte, dass die Regierung durch die Elite den Gesetzen des Marktes unterliegen sollte. Demnach wählen die Bürger diejenigen, die die gesellschaftlichen Anforderungen am besten erfüllen oder die besten "Produkte" anbieten, um diese Nachfrage zu befriedigen.
Die repräsentative Demokratie funktioniert somit wie ein Markt, auf dem die Eliten ihre politischen "Produkte" anbieten und die Bürger in regelmäßigen Abständen entscheiden, welche "Produkte" sie für richtig halten.