Prüfungsschema Art. 12 GG: Berufsfreiheit

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Art. 12 GG: Prüfung der Berufsfreiheit

I. Eröffnung des Schutzbereichs

Prüfung, ob der sachliche und persönliche Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG eröffnet ist.

  • Sachlicher Schutzbereich: Jede Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient (Beruf). Auch anerkannte Tätigkeiten.
  • Persönlicher Schutzbereich: Deutsche im Sinne des Art. 116 GG; EU-Bürger über Art. 18 AEUV; juristische Personen des Privatrechts mit Sitz in Deutschland (Art. 19 Abs. 3 GG).

II. Eingriff in den Schutzbereich

1. Vorliegen des Eingriffs

Ein Eingriff ist jede staatliche Maßnahme, die die Ausübung der Berufsfreiheit unmittelbar oder mittelbar, final oder unbeabsichtigt, rechtlich oder tatsächlich erschwert oder unmöglich macht.

  • Unmittelbarer Eingriff: Gezielte, finale Beeinträchtigung.
  • Mittelbarer Eingriff: Nicht finale, aber faktisch wirkende Beeinträchtigung.

2. Qualifizierung des Eingriffs (Dreistufentheorie)

Eingriffe in die Berufsfreiheit werden nach der Dreistufentheorie des Bundesverfassungsgerichts unterschieden, was für die Rechtfertigung relevant ist:

  • Berufsausübungsregelungen: Regeln das Wie der beruflichen Tätigkeit (Modalitäten). Dies sind die schwächsten Eingriffe.
  • Subjektive Berufswahlregelungen (Zulassungsvoraussetzungen): Knüpfen die Aufnahme oder Ausübung eines Berufs an persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten oder Kenntnisse der Person (das Ob der Berufswahl).
  • Objektive Berufswahlregelungen (Zulassungsvoraussetzungen): Beschränken die Berufswahl aufgrund von Kriterien, die außerhalb der Person des Bewerbers liegen und dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dienen (das Ob der Berufswahl). Dies sind die stärksten Eingriffe.

III. Rechtfertigung des Eingriffs

Ein Eingriff in die Berufsfreiheit ist nur dann gerechtfertigt, wenn er auf einer verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage beruht (Gesetzesvorbehalt, Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG).

1. Formelle Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage

(Prüfung von Gesetzgebungskompetenz, -verfahren und Form – hier i.d.R. nur kurz anzusprechen.)

2. Materielle Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage

Insbesondere ist die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zu prüfen. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit steigen mit der Intensität des Eingriffs gemäß der Dreistufentheorie.

a) Legitimer Zweck

Die staatliche Maßnahme muss einen legitimen Zweck verfolgen. Die Anforderungen an den Zweck variieren je nach Eingriffsstufe:

  • Bei Berufsausübungsregelungen: Jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls ist ausreichend.
  • Bei subjektiven Berufswahlregelungen: Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter.
  • Bei objektiven Berufswahlregelungen: Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut.
b) Geeignetheit

Das gewählte Mittel (die Regelung) muss geeignet sein, den legitimen Zweck zu erreichen oder zumindest zu fördern. (Die Maßnahme darf nicht völlig ungeeignet sein, den Zweck zu erreichen.)

c) Erforderlichkeit

Das gewählte Mittel muss erforderlich sein. Es darf kein anderes, gleich wirksames, aber den Grundrechtsträger weniger belastendes (milderes) Mittel zur Verfügung stehen.

(Gibt es Alternativen, die den Betroffenen weniger einschränken und das Ziel ebenso gut erreichen? Gegebenenfalls sind Alternativen vorzuschlagen und zu argumentieren, warum diese den Betroffenen weniger belasten würden.)

d) Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne)

Die Schwere des Eingriffs und die damit verbundene Belastung für den Grundrechtsträger dürfen nicht außer Verhältnis zur Bedeutung und Dringlichkeit des verfolgten legitimen Zwecks stehen. Es erfolgt eine Abwägung der widerstreitenden Interessen.

(Ist die Belastung für den Einzelnen unter Berücksichtigung der Gemeinwohlbelange noch zumutbar? Wenn die Intensität des Eingriffs für den Betroffenen den Nutzen des Zwecks überwiegt, ist die Regelung unangemessen. Hierbei ist die Situation des Betroffenen darzulegen und die Argumente aus Sicht des Gesetzgebers sowie des Betroffenen abzuwägen.)

Fazit zur Verhältnismäßigkeit: Ist die [jeweilige Maßnahme/Regelung] unter Berücksichtigung der Eingriffsstufe (un)verhältnismäßig und verletzt sie [den Betroffenen] (nicht) in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG?

3. Spezifische Aspekte der Rechtfertigung nach der Dreistufentheorie

a) Bei Berufsausübungsregelungen

Sind durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist hier am wenigsten streng.

b) Bei subjektiven Berufswahlregelungen

Sind nur zulässig, wenn sie dem Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter dienen. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist streng, insbesondere hinsichtlich der Erforderlichkeit (wäre eine bloße Berufsausübungsregelung ausreichend gewesen?). Der Gesetzgeber hat einen gewissen Prognose- und Gestaltungsspielraum.

c) Bei objektiven Berufswahlregelungen

Sind nur zulässig zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist hier am strengsten (wäre eine Berufsausübungsregelung oder eine subjektive Berufswahlregelung ausreichend gewesen?).

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