Rationalismus und Descartes: Erkenntnis, Methode, Dualismus
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Rationalismus und die Quelle des Wissens
Das Problem des Rationalismus betrifft die Spannung zwischen Glauben und Vernunft. Bei Denkern wie Augustinus waren Glaube und Vernunft eng verbunden: Glaube wurde als notwendig erachtet, um zur Wahrheit, die Gott ist, zu gelangen. Wir können Rationalismus als die philosophische Lehre definieren, die die Vernunft als die primäre oder alleinige Quelle des Wissens betrachtet.
Der Rationalismus steht im Gegensatz zum Empirismus hinsichtlich der Herkunft des Wissens:
- Empirismus: Wissen stammt aus den Sinnen und der Erfahrung.
- Rationalismus: Gültiges Wissen über die Realität stammt aus der Vernunft.
Auch bezüglich der Natur der Ideen und Prinzipien gibt es einen Unterschied:
- Empirismus: Wissen kommt aus der sinnlichen Erfahrung.
- Rationalismus: Ideen sind angeboren im Verstand vorhanden, unabhängig von jeder möglichen Erfahrung.
Rationalisten haben volles Vertrauen in die rationale Erkenntnis als die einzig gültige. Die Sinne können uns täuschen und zu Irrtümern führen. Sinnliches Wissen wird als begrenzt und nicht universell angesehen. Descartes behauptete die Existenz von angeborenen Ideen im Geist, die unabhängig von der Erfahrung sind.
Descartes' Methode des Zweifels
Ein entscheidender Schritt in der Philosophie von Descartes war die Enttäuschung über die bisherigen Studien. Es schien notwendig, eine einheitliche Philosophie zu finden, eine Methode, die dem menschlichen Leben außerhalb der akademischen Welt Orientierung geben könnte. Descartes orientierte sich an der mathematischen Methode, da sie als gesichertes Wissen galt, Fortschritt ermöglichte, Pluralismus vermied und universell anerkannte Lösungen bot.
Diese Methode besteht aus Intuition und Deduktion. Intuition ist das klare und deutliche Erfassen von Wahrheiten, die unbezweifelbar sind, wie z.B. 2 + 2 = 4. Diese Wahrheiten sind wie Axiome, die keiner weiteren Beweise bedürfen. Deduktion ist die notwendige Schlussfolgerung, die sich mit Sicherheit aus anderen bekannten Dingen ableitet.
Der Ausgangspunkt von Descartes' Methode ist der Zweifel. Er wollte das Wahre vom Falschen unterscheiden und so ein solides Fundament der Gewissheit erreichen. Der Zweifel bei Descartes ist:
- Universell: Alles wird bezweifelt.
- Methodisch: Er dient einem konstruktiven Zweck, nämlich dem Erreichen einer unbezweifelbaren Gewissheit.
- Theoretisch: Er zielt darauf ab, die Grundlagen der theoretischen Philosophie zu überdenken.
Was genau wird bezweifelt? Descartes zweifelt an allem, was ihn umgibt: Er zweifelt an den Sinnen, an der Außenwelt, an seiner eigenen Argumentation und sogar an sich selbst (zunächst). Durch diesen umfassenden Zweifel werden alle bisherigen Überzeugungen in der Schwebe gelassen, mit Ausnahme der Wahrheiten des Glaubens und der Moral, die Descartes (zumindest anfänglich) ausklammert.
Cogito ergo sum: Die erste Gewissheit
Die Wahrheit des Cogito (lateinisch für „ich denke“) ist die erste in der Ordnung des Wissens. Sie ergibt sich unmittelbar aus dem methodischen Zweifel und dient als Grundlage für alles Weitere. Es ist das grundlegende Axiom, von dem aus Descartes seine Philosophie als ein System absolut fundierten Wissens entwickelt. Das Cogito bereitet den Geist darauf vor, Wahrheiten unmittelbar, klar und deutlich wahrzunehmen.
Der Satz „Cogito ergo sum“ (Ich denke, also bin ich) enthält zwei klare Elemente:
- Denken: Dies ist nicht nur ein einzelner geistiger Akt, sondern eine Reihe von Tätigkeiten (Zweifeln, Verstehen, Bejahen, Verneinen, Wollen, Nicht-Wollen, Vorstellen, Empfinden).
- Sein: Descartes entdeckt durch das Denken seine eigene Innerlichkeit und gelangt so zur Erkenntnis seiner Existenz als denkendes Wesen.
Descartes klassifiziert Ideen wie folgt:
- Zufällige (adventitious) Ideen: Sie scheinen von außerhalb unserer Erfahrung zu kommen (z.B. die Idee einer Sonne).
- Artefaktische (factitious) Ideen: Sie werden von unserer Vorstellungskraft gebildet (z.B. die Idee eines Einhorns).
- Angeborene (innate) Ideen: Der Verstand besitzt diese Ideen von Natur aus in sich (z.B. die Idee Gottes, die Idee der Ausdehnung, die Idee des Denkens). Dies ist die grundlegende Behauptung des Rationalismus.
Aus dem Cogito leitet Descartes die Existenz einer weiteren Substanz ab: Gott. Gott ist die unendliche Substanz. Descartes formuliert mehrere Argumente, um die Existenz Gottes zu beweisen:
- Argument aus der Idee des Unendlichen: Die Idee des Unendlichen und Vollkommenen, die ich in mir habe, kann nicht von mir selbst stammen, da ich endlich und unvollkommen bin. Sie muss von einem unendlichen und vollkommenen Wesen stammen, also von Gott.
- Argument aus meiner Existenz als denkendes Wesen mit der Idee Gottes: Wenn ich mich selbst erschaffen hätte, hätte ich mir alle Vollkommenheiten gegeben, deren Idee ich besitze. Da ich dies nicht getan habe, muss ein vollkommeneres Wesen, nämlich Gott, mich erschaffen haben.
- Das ontologische Argument (Variante): Descartes sagt, es ist unmöglich, Gott zu denken, ohne seine Existenz mitzudenken. Denn die Existenz ist eine Vollkommenheit, und ein höchst vollkommenes Wesen muss alle Vollkommenheiten besitzen, einschließlich der Existenz.
Der kartesische Dualismus: Geist und Körper
Der anthropologische Dualismus besagt, dass das denkende Ich (die Seele oder der Geist) eine Realität ist, die vom Körper getrennt ist. Der Körper wird als materielle Substanz verstanden, die durch Ausdehnung (Extension) im Raum gekennzeichnet ist. Die Seele (oder der Geist) wird als denkende Substanz verstanden, die durch Denken (Cogitatio) gekennzeichnet ist. Diese beiden Realitäten sind grundlegend verschieden.
Descartes nahm an, dass die Koordination zwischen diesen beiden Substanzen in der Zirbeldrüse im Gehirn stattfindet, wo der Geist angeblich speziell mit allen Teilen des Körpers interagiert.
Das Problem des Dualismus ist eng mit dem Problem der Freiheit verbunden. Descartes musste die Natur der Seele und ihre völlige Unabhängigkeit vom Körper verteidigen, um die Freiheit der Seele gegenüber den Gesetzen der materiellen Welt zu sichern.
Descartes im Kontext der Philosophie
Descartes wird oft als der Begründer der modernen Philosophie angesehen, da er sich endgültig von der naiven Sicht der Realität löste, die die griechische Philosophie und die Scholastik dominiert hatte. Für Descartes ist das Wissen primär ein Wissen von Ideen, nicht von Dingen selbst. Während bei Plato die Ideen ewige, unveränderliche Realitäten waren, die von den sinnlichen Dingen getrennt existierten, werden moderne Ideen als Gegenstände des Denkens verstanden.
Die Frage nach der Authentizität der Außenwelt und der möglichen Falschheit der sinnlichen Wahrnehmung war für frühere Philosophen oft kein zentrales Problem. Bei Descartes tritt dieses Problem deutlich hervor, da er versucht, die äußere Realität mit der subjektiven Realität des Denkens in Beziehung zu setzen.
Die Philosophie von Spinoza überarbeitet das Konzept der kartesischen Substanz und wendet es nur auf Gott an. Nach Spinoza sind Denken und Ausdehnung nur zwei der unendlichen Attribute, die uns von der einen Substanz (Gott oder Natur) bekannt sind.
Descartes, Spinoza und andere Rationalisten teilen das Projekt einer Vereinheitlichung der Wissenschaft und betonen die Bedeutung der mathematischen Methode für die Erkenntnis.