Raum verstehen: Geographische Perspektiven und Lernansätze
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Was ist Raum?
Raum ist ein multidisziplinärer Begriff, der in verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen Anwendung findet: in der Mathematik als Menge von Punkten und in den Sozialwissenschaften als Bereich, in dem menschliche Aktivitäten stattfinden. Raum und Zeit sind mentale Konstrukte, strategische Informationsmuster, die genutzt werden, um die Realität, in der wir leben, zu entschlüsseln. Hier stellt sich die Frage: Warum Raum unterrichten? Die Antwort lautet: Weil er ein Grundpfeiler für die Inhalte der Sozialkunde sowie für das Verständnis des natürlichen, sozialen und kulturellen Lebens ist. Und weil wir nach räumlichen Mustern leben und handeln, die wir in unseren Köpfen konstruieren, weil das Leben räumliche Bezüge nahelegt.
Entwicklung des Raumkonzepts bei Schülern
Um die Entwicklung des Raumkonzepts bei Schülern zu verstehen, muss zunächst zwischen dem subjektiven Raum (abhängig vom biologischen Stadium und Kontext des Subjekts) und dem objektiven Raum (definiert durch Lage, Ausrichtung etc.) unterschieden werden. Kant glaubte, dass Raum und Zeit allen experimentellen Daten vorausgehen, was die Existenz genetischer mentaler Modelle impliziert, die allen Individuen gemeinsam sind. Diese Ansätze wurden von Piaget weiterentwickelt, der verschiedene Stadien beschrieb:
- Präoperatives Stadium
- Konkret-operationales Stadium
- Formal-operationales Stadium
Gleichzeitig erklärte er den Prozess der räumlichen Konzeptualisierung durch:
- Topologische Eigenschaften: Nähe, Kontinuität, Ordnung
- Projektive Eigenschaften: Fähigkeit, sich vorzustellen, wie ein Objekt aus verschiedenen Blickwinkeln aussieht
- Euklidische Eigenschaften: Ermöglichen die Bezugnahme auf Größe, Entfernung und Richtung
Nach Hannoun, der Piagets Theorie weiterentwickelte, gibt es:
- Gelebter Raum: Der Bezugspunkt ist der Körper des Kindes und seine Bewegung.
- Wahrgenommener Raum: Verständnis der Position von Elementen im Raum, nicht nur aus eigener Sicht, sondern auch aus anderen Perspektiven.
- Konzipierter Raum: Entwickelt sich ab 11 Jahren, Beginn des abstrakten Denkens.
Es gibt zwei räumliche Systeme:
- Das spontane System: Das Selbst als Zentrum der Welt; Raum als persönliche Repräsentation, bestimmt durch die eigene Zentralität.
- Das kartesische System: Raum als Darstellung eines externen Beobachters; eine messbare und objektive Abbildung des Raumes, unabhängig von der individuellen mentalen Repräsentation.
Abschließend ist die Bedeutung des Kontexts für das räumliche Lernen hervorzuheben. Ein Schüler aus einem städtischen Umfeld orientiert sich vielleicht eher an Kaufhäusern oder U-Bahn-Plänen als an Sternen, während jemand aus einem ländlichen Umfeld, der sich an Sternen orientiert, in einer Stadt unsicher sein könnte.
Lernansätze zum Raumverständnis
a) Beschreibender Ansatz
Konservative Ideologie: Lernen bedeutet hier das Anhäufen von Informationen. Das geografische Gebiet wird als absolute Einheit betrachtet.
Der Wert liegt in Lehrmitteln, die den Prozess der Dezentrierung des kindlichen Raumes unterstützen.
Ermöglicht die Verknüpfung mit früheren Systemen und die Aufnahme weiterer Informationen.
Praktische Maßnahmen: Räumliche Orientierung, Entfernungsberechnung, Flächenvergleich. Die Rationalität beschränkt sich auf die räumliche Wahrnehmung jedes Einzelnen.
b) Analytischer Ansatz
Liberale Ideologie: Begünstigt den technischen Prozess als Motor der Gesellschaft, wobei technisches und instrumentelles Wissen im Vordergrund steht.
Der Raum muss quantifiziert werden, um ihn grafisch darzustellen.
Ein großer Anteil entfällt auf mathematische Studien (Dichte, Flächen, Entfernungen, Kosten, Volumen...).
Der untersuchte Raum wird dekontextualisiert.
c) Humanistischer Ansatz
Beeinflusst von der Wahrnehmungsgeographie: Individuelle Gefühle und Verhaltensweisen in Bezug auf den Raum müssen berücksichtigt werden.
Die persönliche Geographie steht im Mittelpunkt.
Es wird mit den mentalen Karten (Mental Maps) unserer Schüler gearbeitet. Aus pädagogischer Sicht müssen berücksichtigt werden: geografische Erfahrungen der Schüler, ihre Interessen und Fähigkeiten. Der Ansatz geht über allgemeingültige Gesetze hinaus.
Die Raumanalyse erhält eine kulturelle und wahrnehmungsbezogene Dimension. Primäre Untersuchungsmethoden sind Ausflüge und Exkursionen.
d) Kritischer Ansatz
Der geografische Raum ist ein soziales und historisches Konstrukt.
Der Raum ist keine abstrakte oder neutrale Entität mehr, sondern historisch bedingt, interpretierbar und veränderbar. Neue räumliche Erfahrungen entstehen z.B. durch Feminismus, Umweltschutz oder die Verteidigung einer solidarischen Gesellschaft.
Ziel ist es, geografisch für Veränderungen und sozialen Wandel zu erziehen.
Wandel im Fach Geographie
Die industrielle Revolution und ihre globale Verbreitung durch die Globalisierung haben zu einer veränderten Organisation von Raum und Territorium geführt.
Es gibt drei Bereiche, in denen sich der Gegenstand der Geographie verändert hat:
- Eine neue Dimension der Mensch-Umwelt-Beziehungen
- Eine neue Dimension des geografischen Raumes (globales Dorf)
- Das Aufkommen neuer globaler Probleme der Gegenwart
Ziel ist es, die Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt zu untersuchen, wobei zu berücksichtigen ist, dass Menschen die Umwelt erobern, verändern und dabei oft das natürliche Gleichgewicht stören.
Es muss verinnerlicht werden, dass der geografische Raum nicht nur natürlich, sondern auch sozial und individuell ist.
Ziele der Geographiebildung
- Die Wirkung des Menschen auf den Raum verstehen, der heute global ist und je nach Umständen unterschiedliche Konfigurationen annimmt (Stadtgeographie, ländliche Geographie).
- Den Raum historisch denken. Die Geschichte ist ein grundlegendes Element der geografischen Struktur des Raumes.
- Der Geographieunterricht sollte sinnvolles und notwendiges Wissen für die heutige Gesellschaft vermitteln, um deren Probleme zu lösen und nach Alternativen zu suchen.
Grundlegende geografische Konzepte
Vielfalt
Beschreibt die Mannigfaltigkeit der natürlichen Elemente auf dem Planeten (Relief, Fauna, Flora) sowie die menschlichen Aktivitäten, Lebensstile und Organisationsformen an einem bestimmten Ort.
Zeitlichkeit und Wandel
Der geografische Raum und seine Elemente unterliegen Veränderungen und Transformationen im Laufe der Zeit und beeinflussen sich gegenseitig.
Verteilung
Jeder Ort besteht aus sozialen und natürlichen Elementen. Zu verstehen, wie diese organisiert, verteilt (gestreut oder konzentriert) und verbunden sind, führt zu einem besseren Verständnis des geografischen Raumes.
Lage und Orientierung
Ermöglicht die Bestimmung des Standorts einer Person, eines Objekts oder eines Ortes. Die Geographie nutzt dazu Instrumente wie Koordinaten, Pläne und Karten.
Beziehung und Interaktion
Identifiziert und analysiert, wie menschliche Aktivitäten natürliche Elemente beeinflussen und wie Topographie, Klima, Flora und Fauna das Leben der Menschen an einem bestimmten Ort prägen.
Schlüsselkonzepte der Geographie
Diese Konzepte bilden die Grundlage für das Verständnis der Zusammenhänge zwischen natürlichen und sozialen Elementen des geografischen Raumes, in dem wir leben.
Die Geographie ist eine Synthesewissenschaft, die Bereiche der Natur- und Sozialwissenschaften verbindet. Durch sie werden wir uns der Orte durch Vielfalt und Wandel in der Landschaft bewusst. Dies zeigt sich z.B. in der Verlagerung von Fabriken aus Industrieländern in Regionen mit niedrigeren Kosten (Löhne, Arbeitskräfte). Um die Geographie zu verstehen, müssen folgende Begriffe erklärt werden:
Raum (Space): Der Träger (Kontinent), auf dem vielfältige Wechselwirkungen (Inhalt) zwischen menschlichen und natürlichen Komponenten stattfinden und die Landschaft verändern.
Landschaft (Landscape): Das Erscheinungsbild des Raumes in einem bestimmten Gebiet, das identifiziert und charakterisiert werden kann (z.B. Gebirgslandschaft, Industrielandschaft).
Geografisches Umfeld (Geographical Environment): Der Rahmen, in dem Beziehungen zwischen Natur und Gesellschaft stattfinden; die Anpassung des Menschen an die Umwelt (Stadt, Land etc.).
Geografische Region: Eine Raumeinheit, die ähnliche Merkmale aufweist und sich dadurch von anderen unterscheidet (Beispiele: Klimaregion, Mittelmeerregion, Region Valencia).
Territorium (Territory): Der geografische Raum, über den politische Kontrolle ausgeübt wird oder angestrebt wird. Ein wesentliches Element für die soziale, politische und wirtschaftliche Organisation der dort lebenden Bevölkerung. Es ist der Raum, in dem der Staat seine Macht ausübt.
Ort (Place/Location): Der gelebte, nahe und alltägliche Raum. Die lokale Dimension des Raumes und das erste Glied der geografischen Analyse. Kann auch ein virtueller Raum sein.