Die Reformpädagogik: Eine Einführung und ihre Geschichte
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Die Bewegung der Neuen Schule
Zu allen Zeiten kann man von „Neuer Schule“ sprechen, wenn es um Erneuerung, Veränderung und Anpassung an neue Zeiten geht, die sich von der traditionellen Schule unterscheidet. Die „Neue Schule“, auf die wir uns hier beziehen, ist jedoch eine einflussreiche pädagogische Bewegung, die im späten 19. Jahrhundert entstand und bis nach dem Zweiten Weltkrieg andauerte. Ihre Vorläufer sind bekannte Persönlichkeiten wie Rousseau, Pestalozzi, Herbart und Fröbel, sowie die Schule Jasnaja Poljana des russischen Schriftstellers Tolstoi.
Obwohl es keine einheitliche pädagogische Bewegung war, die an ein bestimmtes Bildungssystem gebunden war, begrüßte sie die zu dieser Zeit durchgeführten Experimente als Alternative zur herkömmlichen Schule. Sie hatte ihre eigenen Verbände, Zeitschriften, Konferenzen und Ideale. Nach dem Zweiten Weltkrieg löste sie sich schließlich auf und verschmolz zu einem großen Teil mit der demokratischen Bildung, die sich weltweit verbreitete.
Die ersten „Neuen Schulen“ entstanden ab 1880 in England, Frankreich, Deutschland, Belgien, der Schweiz und Italien. Die erste „Neue Schule“ war die Abbotsholme School, 1889 von Cecil Reddie gegründet. Die Entwicklung dieser pädagogischen Erfahrungen fiel zeitlich mit wissenschaftlichen Fortschritten in den Bereichen Psychologie und Biologie sowie mit Reflexionen über Lernmechanismen zusammen. Der Begriff „Neue Schule“ wird oft synonym mit „Reformpädagogik“ verwendet.
Prinzipien der Neuen Schule
Die Neue Schule lehnt Formalismus und Intellektualismus ab. Sie konzentriert sich auf die Interessen und Bedürfnisse des Kindes als Ganzes, das als Zentrum des Lehr-Lern-Prozesses betrachtet wird, angepasst an die individuellen Lernrhythmen und konzipiert für Gruppenarbeit.
Gegensatz zur Traditionellen Schule
Die traditionelle Schule ist durch eine Reihe von pädagogischen Prinzipien gekennzeichnet, die in direktem Gegensatz zu denen der Neuen Schule stehen:
- Perfekt ausgerichtete Bänke
- Getrennte Jungen- und Mädchenklassen
- Stille in Reih und Glied
- Angst vor dem Lehrer
Magistrozentrismus
Der Lehrer ist die Grundlage und Voraussetzung für den Erfolg der Ausbildung. Er ist das Modell und der Leitfaden. Disziplin und Strafe sind wesentliche Elemente.
Enzyklopädisches Lernen
Alles, was das Kind lernen soll, ist im Lehrbuch enthalten.
Passivität der Schüler
Die Lehrmethode ist für alle Kinder gleich. Der Beitrag der Schüler wird als bloße Wiederholung dessen verstanden, was der Lehrer gerade gesagt hat, was eine fundamentale Rolle in diesem Verfahren spielt.
Die Anhänger der Neuen Schule schlagen ein völlig anderes pädagogisches Modell vor als die traditionelle Schule: Die Möbel sollten flexibel sein, der Lehrer wird zum Koordinator eines Aktivitätenprogramms und zum Ratgeber, und die Kinder stehen im Zentrum des Lehr-Lern-Prozesses (Paidocentrismo). Lehrbücher sollen nicht als solche existieren, sondern es gibt Arbeitsmuster und vorprogrammierte Aktivitäten. Lehrer und Schüler erarbeiten die Inhalte auf der Grundlage der Interessen und Motivationen der Lernenden.
Kernideen der Bewegung
Zusammenfassend lassen sich die Kernideen der Bewegung wie folgt darstellen:
- Die Schule muss lebensnah sein.
- Das Kind sollte im Mittelpunkt der Schule stehen und seine Interessen sollten berücksichtigt werden.
- Die Schule muss aktiv sein.
- Die Schule muss eine Gemeinschaft sein.
- Es ist notwendig, die Rolle des Lehrers neu zu bewerten.
Geschichte der Neuen Schule
Lew Tolstoi gilt als Vorläufer der Bewegung und Gründer einer der ersten wirklich „Neuen Schulen“, der Schule Jasnaja Poljana.
Jean-Jacques Rousseau (1712-1778)
Der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) gilt als Vorläufer der modernen Bildung. Obwohl er ursprünglich Teil der Aufklärungsbewegung war, entfernte er sich bald vom obersten Kriterium der Vernunft und ersetzte es durch das Gefühl. Das Gefühl wird zum Richter über den Wert der Vernunft. Ein weiterer Schlüssel zu Rousseaus Denken ist das Zusammenspiel zwischen individuellem und allgemeinem Glück. Das wichtigste Ergebnis Rousseaus war das Verständnis des Kindes als wesentlich verschieden vom Erwachsenen und unterliegend eigenen Gesetzen der Evolution. Der eudämonistische Naturalismus (Betonung der aktuellen Interessen) ist das Zentrum seiner Pädagogik. Kinder sollen sorgenfrei leben und die Gegenwart genießen; der Fokus sollte auf dem Hier und Jetzt liegen und nicht auf einer ungewissen und unwirklichen Zukunft.
Seine bekanntesten Werke waren Der Gesellschaftsvertrag und Emile.
Der Gesellschaftsvertrag soll die natürliche Freiheit in bürgerliche Freiheit umwandeln. Für Rousseau ist das Volk selbst der einzige Souverän. Alle bürgerlichen Rechte entstehen aus dem Vertrag selbst. Das große Problem ist, wie man den Einzelnen lehren kann, in Bezug auf Demokratie in einer undemokratischen Gesellschaft zu denken. Er plante den Aufbau einer rationalen Gesellschaft, die die Natur aus kollektiver Sicht respektiert. Emile hat den gleichen Zweck, jedoch auf individueller Ebene.
Emile war das Pionierwerk der modernen Erziehung, der „Entdecker des Kindes“. Es betrachtet die Natur im Hinblick auf grundlegende Bildung. Emile ist ein Lehrroman, in dem Rousseaus Bildungsprinzipien auf ein imaginäres Kind, einen adeligen und reichen Waisenjungen, angewendet werden. Zu Beginn von Emile unterscheidet Rousseau drei Arten der Erziehung: die Erziehung durch die Natur, die Erziehung durch die Dinge und die Erziehung durch den Menschen.
Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827)
Der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) verlieh den Theorien Rousseaus eine praktische Dimension und milderte deren radikalste Lehren ab. Pestalozzi widmete seine ganze Begeisterung, seinen Reichtum und sein Wissen der Umsetzung seiner Ideen in einer Reihe von zu diesem Zweck geschaffenen Institutionen. Seine wichtigsten Werke waren: Schwanengesang, das pädagogisch ausgewogen, ehrlich, einfach, klar und vollständig geschrieben ist. Mit der Veröffentlichung seines Buches Wie Gertrud ihre Kinder lehrt erlangte er den größten europäischen Ruf.
Pestalozzi sah Bildung als einen Mechanismus zur Umgestaltung der Lebensbedingungen. Die absolute Grundlage des Wissens ist die Intuition, verstanden als die spontane und kreative Handlung, durch die das Kind die Welt um sich herum erfasst und die sich in drei Gesetzen manifestiert: Zahl, Form und das einprägsame Wort (Name). Er betonte die sozialen Aufgaben und die Notwendigkeit, nach und nach die Gewohnheit der Anstrengung zu erwerben. Pestalozzi vereinte, was bei Rousseau getrennt erschien: die Freiheit der Natur mit der Autorität der Pflicht.
Ethische und religiöse Bildung ist eine Voraussetzung für jede andere Art von Bildung, und es obliegt den Eltern, diese in einer frühen Phase des Kindeslebens zu vermitteln. Gefühl, Verstand und Geschmack sind Schlüsselfaktoren für die Praxis konstruktiven menschlichen Handelns.
Friedrich Fröbel (1782-1849)
Der deutsche Pädagoge Friedrich Fröbel (1782-1849) baute auf den naturalistischen Theorien Rousseaus und Pestalozzis auf und entwickelte praktische Erfahrungen zu einem Bildungsplan für die frühkindliche Bildung (parvula). Bildung sollte die freie Entfaltung der Fähigkeiten des Lernenden fördern. Lehrer sollten eine leitende und anregende Funktion haben und das Spiel als zentrales Element nutzen.
Im Jahre 1816 eröffnete er die Institution, die ihm Ruhm bringen sollte: den Allgemeinen Deutschen Kindergarten, um die Grundlagen des deutschen Charakters und die Grundlagen für eine echte nationale Einheit zu schaffen. Werke: Die Menschenerziehung, Mutter- und Koselieder.
Der natürliche Zweck des Spiels ist die Arbeit. Fröbels Pädagogik basiert auf einem tiefen Vertrauen in die Güte der Kinder, in dem Sinne, dass das Kind in bestimmten Situationen aktive und kooperative Neigungen, warme Gefühle und religiöse Sensibilität entwickelt. Er zeigte eine Haltung echter Achtung vor der Persönlichkeit des Kindes.
Johann Friedrich Herbart (1776-1841)
Johann Friedrich Herbart (1776-1841), deutscher Pädagoge, war der erste, der eine Pädagogik entwickelte, die wissenschaftlich sein sollte, basierend auf Philosophie und Psychologie. Für ihn ist Bildung die Wissenschaft der Erziehung. Im Bildungsbereich entwickelte er die Theorie der formalen Stufen. Eine weitere Dimension ist die Lehre und Pädagogik von Interesse und Motivation als Zentrum des Lehr-Lern-Prozesses.
Seine wichtigste pädagogische Arbeit war sein Buch Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet, in dem er die Grundprinzipien seiner Bildungssystematik formulierte. Die wesentliche Idee von Herbarts Pädagogik ist, dass Bildung das Fundament des gesamten Bildungssystems ist. Das Interesse, das gleichzeitig Objekt und Subjekt erhebt, ist die Quelle der Aktivität, das Prinzip des geistigen Lebens, das an alte Ideen erinnert, zu neuen aufruft und die Bewegung des Geistes bestimmt. Er unterscheidet zwei Quellen des Interesses: das Gefühl der neugierigen Aufmerksamkeit und das Interesse, das sich aus dem gesellschaftlichen Leben ergibt. Moralische Kultur ist wichtiger als intellektuelle Kultur. Die Tugend ist das höchste Ziel der Bildung.
Bevor die moralische Kultur beginnt, wird eine Übergangszeit der Führung oder Disziplinierung der Kinder angewendet, die einige Jahre dauern sollte und dazu dient, auf die wahre Bildung vorzubereiten und hinzuführen. Herbart akzeptierte die Bestrafung, auch körperliche, da er sie in einigen Fällen für notwendig hielt.