Renaissance, Rationalismus und Descartes' Philosophie

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Renaissance (15.-17. Jh.) und Rationalismus

Entwicklungen in der Renaissance

Sozio-politische Grundlagen

Übergang vom Feudalismus zur absoluten Monarchie.

Kulturelle Aspekte

Der Humanismus führte zum Anthropozentrismus (der Mensch im Mittelpunkt).

Philosophische Strömungen

Übergang vom Mittelalter zur Moderne. Hauptthemen wurden der Mensch, die Geschichte und die Natur. Es gab eine Erneuerung des Platonismus.

Religiöse Umbrüche

Die Ära der Reformen: Protestantismus (Luther, Calvin) und die katholische Gegenreformation (Konzil von Trient).

Kosmologische und wissenschaftliche Revolution

Gekennzeichnet durch Neugier auf Wissen, geistige Freiheit und ein sich wandelndes Welt- und Menschenbild. Wichtige Beiträge kamen von Bacon, Kopernikus und Kepler.

Mechanizismus

Diese Weltsicht betrachtet die Welt bzw. das Universum als eine komplexe Maschine, vergleichbar mit einem Uhrwerk, in der alle Phänomene auf vernünftige, mathematisch formulierbare Gesetze zurückzuführen sind (Gott oft als „großer Uhrmacher“ vorgestellt).

Rationalismus

Der Rationalismus markiert den Beginn der modernen philosophischen Theorie und ist eng mit den Ideen von Descartes verbunden. Es ist eine philosophische Lehre, die die Vernunft (Ratio) als primäre und autarke Quelle der Erkenntnis und Wahrheit verteidigt.

Sechs Merkmale des Rationalismus

  • Volles Vertrauen in die menschliche Vernunft als Erkenntnisfähigkeit.
  • Geringere Bewertung der sinnlichen Wahrnehmung, da Erfahrungen täuschen können und nicht die letzte Sicherheit bieten.
  • Innatismus: Der Glaube, dass bestimmte Ideen und Prinzipien angeboren sind (z.B. logische Prinzipien, die Idee Gottes).
  • Die Mathematik, mit ihrer deduktiven Methode und Gewissheit, dient als Modell für alle Wissenschaften.
  • Zentralität der Methode: Die Überzeugung, dass eine korrekte Methode entscheidend für den Erkenntnisgewinn ist.
  • Glaube an die rationale Struktur und Erkennbarkeit der Welt.

René Descartes (1596-1650)

Zwei seiner Hauptwerke sind die Abhandlung über die Methode (Discours de la méthode) und die Meditationen über die Erste Philosophie (Meditationes de prima philosophia).

Bedeutung und wissenschaftliches Modell

Vater der Moderne

Die Bedeutung von Descartes für die Philosophiegeschichte ist entscheidend. Seine Philosophie setzt nicht bei der Außenwelt an, sondern beim denkenden Subjekt, dem Ich-Bewusstsein („Ich denke“). Daher gilt er als „Vater“ der modernen Philosophie.

Rationalisierung der Natur

Sein Modell des Wissenschaftsverständnisses zielt darauf ab, die Naturphänomene rational zu erklären und zu systematisieren. Dies ist Teil der Etablierung der autonomen Vernunft als oberste Instanz der Wahrheitsfindung.

Metaphysik

Analog zu Euklids Geometrie, die auf Definitionen, Postulaten und Axiomen aufbaut, versucht Descartes, ein Fundament für alles Wissen zu legen.

Das Cogito: „Ich denke, also bin ich“

Descartes beginnt mit dem methodischen Zweifel, um zu unbezweifelbarer Gewissheit zu gelangen. Man kann an den stärksten Überzeugungen zweifeln – an der Existenz der Außenwelt, an den Informationen der Sinne, sogar an mathematischen Wahrheiten. Woran man jedoch nicht zweifeln kann, ist die Tatsache, dass man zweifelt und somit denkt. Das Denken selbst ist eine klare und distinkte Intuition, eine Tatsache des unmittelbaren Bewusstseins: Jeder, der denkt, existiert. Man kann an der physischen Wahrheit des Gedachten zweifeln, aber nicht am eigenen Denken selbst. Dies fasst der berühmte Satz zusammen: Cogito ergo sum – Ich denke, also bin ich.

Die Existenz Gottes

Die Existenz Gottes ist für Descartes die zweite fundamentale Wahrheit, die er nach dem Cogito etabliert. Das Argument basiert nicht auf der Bewegung (wie in einigen traditionellen Gottesbeweisen), sondern auf der angeborenen Idee eines unendlich vollkommenen Wesens im menschlichen Geist. Nur ein tatsächlich existierendes vollkommenes Wesen (Gott) kann Ursache dieser Idee sein.

Ideenlehre

Wissen besteht für Descartes in der mentalen Repräsentation der Realität. Einige Ideen sind klar und distinkt (einsichtig und eindeutig), sie sind evident und können nicht mit anderen verwechselt werden.

Arten von Ideen:

  • Angeborene Ideen (ideae innatae): Ideen, die von Natur aus im Geist vorhanden sind, z.B. die Idee Gottes, mathematische Axiome, das Ich.
  • Erfahrungsbedingte Ideen (ideae adventitiae): Ideen, die von außen durch die Sinneswahrnehmung in den Geist gelangen.
  • Selbstgeschaffene Ideen (ideae factitiae): Ideen, die von der Phantasie gebildet werden, z.B. Fabelwesen wie Chimären oder Hippogryphen.

Definitionen zentraler Begriffe

Descartes verwendet bestimmte Begriffe als grundlegende Bausteine seiner Philosophie, ähnlich den Axiomen in der Geometrie.

  • Substanz: Dasjenige, was zu seiner Existenz nichts anderes benötigt. Streng genommen ist nur Gott eine Substanz in diesem Sinne.
    • Unendliche Substanz: Gott.
    • Endliche Substanzen (geschaffene Substanzen): Benötigen nur Gott zu ihrer Existenz.
      • Seele (res cogitans): die denkende Substanz.
      • Körper (res extensa): die ausgedehnte Substanz.
  • Attribut: Das wesentliche Merkmal, das einer Substanz zukommt und ihr Wesen ausmacht (z.B. Denken für die Seele, Ausdehnung für den Körper).
  • Modus: Die konkrete Art und Weise, wie eine Substanz existiert oder sich manifestiert (z.B. eine bestimmte Vorstellung als Modus des Denkens, eine bestimmte Form oder Bewegung als Modus der Ausdehnung).

Wissenschaftsverständnis

Die grundlegende Wissenschaft ist für Descartes die Physik, die auf metaphysischen Prinzipien beruht.

Die deduktive Methode

Wahrheiten werden durch logische Ableitung (Deduktion) aus anderen gesicherten Aussagen (Axiomen oder bereits bewiesenen Sätzen) gewonnen. Die Deduktion wird durch Intuition (unmittelbare klare und deutliche Einsicht in erste Prinzipien) ergänzt.

Mechanizismus in der Physik

Die materielle Welt wird als eine komplexe Maschine konzipiert. Die Natur folgt einheitlichen, mathematisch formulierbaren Gesetzen, die alle Körper und ihre Bewegungen erklären. Qualitative Unterschiede werden auf quantitative, messbare Eigenschaften zurückgeführt.

Naturgesetze

Die Funktionsweise der Natur wird durch allgemeine Bewegungsgesetze bestimmt, die Gott bei der Schöpfung in die Welt gelegt hat. Das Universum ist geordnet, seine Abläufe sind uniform und notwendig (gesetzmäßig).

Mechanistische Gesetze der Physik
  • Trägheitsgesetz: Jeder Körper verharrt von selbst in seinem Zustand (sei es Ruhe oder geradlinig-gleichförmige Bewegung), solange keine äußere Kraft einwirkt, um diesen Zustand zu ändern.
  • Gesetz der geradlinigen Bewegung: Jeder sich bewegende Körper tendiert dazu, seine Bewegung in gerader Linie fortzusetzen (Abweichungen erfordern eine Ursache).
  • Gesetz von der Erhaltung der Bewegungsgröße: Bei der Kollision von Körpern bleibt die Gesamtmenge der Bewegung (definiert als Produkt aus Masse und Geschwindigkeit, obwohl Descartes den Begriff Masse nicht modern verwendet, sondern Größe und Geschwindigkeit) im System erhalten; sie wird lediglich zwischen den Körpern umverteilt. Gott erhält die Gesamtquantität der Bewegung im Universum konstant.

Provisorische Moral

Descartes plante eine umfassende Moralphilosophie, konnte dieses Werk aber aufgrund seines unerwarteten Todes nicht vollenden. In der Abhandlung über die Methode skizziert er eine „provisorische Moral“, die als vorläufige Richtschnur für das Handeln dienen soll, während die philosophische Untersuchung noch andauert.

Drei Maximen (basierend auf gesundem Menschenverstand):

  1. Den Gesetzen und Gebräuchen des eigenen Landes folgen, an der Religion festhalten, in der man erzogen wurde, und sich in allem Übrigen nach den gemäßigtsten und von den Klügsten allgemein angenommenen Meinungen richten.
  2. So fest und entschlossen wie möglich in seinen Handlungen sein und einmal getroffenen (auch zweifelhaften) Entscheidungen konsequent folgen, als wären sie völlig sicher.
  3. Stets versuchen, eher sich selbst als das Schicksal (die äußeren Umstände) zu besiegen und eher die eigenen Wünsche als die Weltordnung zu ändern.

Er war der Ansicht, dass das höchste Gut und Ziel des menschlichen Lebens die Glückseligkeit ist. Diese besteht in innerer Zufriedenheit, Seelenruhe und einem tugendhaften, von der Vernunft geleiteten Leben, was insbesondere durch geistige Reife und die Erkenntnis der Wahrheit erreicht werden kann.

Die menschliche Person: Dualismus

Die menschliche Person wird bei Descartes durch die Unterscheidung und Verbindung der beiden endlichen Substanzen erklärt: res extensa (der ausgedehnte, materielle Körper) und res cogitans (die denkende, immaterielle Seele/Geist).

Descartes vertrat die Auffassung, dass die wahre Identität des Menschen der Geist (die Seele) ist, nicht der Körper. Der Körper ist eine komplexe Maschine, die Seele hingegen ist unsterblich und frei.

Trotz ihrer fundamentalen Verschiedenheit interagieren Körper und Geist im Menschen (nach Descartes' umstrittener Theorie über die Zirbeldrüse als Sitz dieser Interaktion): Der Körper beeinflusst den Geist durch Sinneswahrnehmungen, Gefühle und Leidenschaften; der Geist kann den Körper durch Willensakte bewegen.

Descartes ist ein Substanzdualist: Er glaubte, dass Geist und Körper zwei ontologisch verschiedene und voneinander unabhängige Substanzen sind. Es ist das Denken, die Vernunft und der Zweifel (Akte der res cogitans), wodurch die Person als solche erkannt wird und ihre Existenz als denkendes Wesen gewiss ist.

Zusätzliche Kernpunkte

Das Denken und der methodische Zweifel

Der methodische Zweifel ist das Werkzeug, das Descartes einsetzt, um alles bisherige Wissen kritisch zu prüfen und unerschütterliche Grundlagen für die Philosophie und die Wissenschaften zu finden. Wahres Wissen muss von bloßer Meinung, Gewohnheit und Vorurteil unterschieden werden. Das Einzige, was dem radikalen Zweifel standhält, ist die Tatsache des eigenen Denkens und damit die Existenz des Denkenden (das Cogito).

Die Existenz Gottes als Garant der Wahrheit

Gott ist für Descartes nicht nur der Schöpfer der Welt, sondern auch der Garant für die Möglichkeit wahrer Erkenntnis. Da Gott vollkommen und daher absolut gut und wahrhaftig ist, kann er uns nicht systematisch täuschen wollen. Wenn das Subjekt seine Vernunft richtig gebraucht und methodisch (d.h. nur dem zustimmt, was klar und deutlich erkannt wird) zu Erkenntnissen gelangt, kann es sicher sein, dass sein Denken der Wirklichkeit entspricht.

Die Existenz der äußeren Welt

Die Existenz der materiellen Außenwelt wird nicht direkt und unmittelbar durch die Sinne bewiesen (da diese täuschen können), sondern ihre Realität wird letztlich durch Gottes Wahrhaftigkeit garantiert. Wir haben eine starke natürliche Neigung, an die Existenz körperlicher Dinge zu glauben, basierend auf unseren Sinneswahrnehmungen. Da Gott uns nicht täuscht, muss es eine äußere, materielle Welt geben, die unseren klaren und deutlichen Vorstellungen von Ausdehnung, Form und Bewegung entspricht (jedoch nicht unbedingt allen sinnlichen Qualitäten wie Farbe oder Geschmack, die eher subjektiv sind).

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