Die Rolle der Rechtsprechung im Rechtssystem
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Die Rechtsprechung ergänzt das Rechtssystem, also die Lehre, dass Recht sich aus Gerichtsentscheidungen ableitet. Das Zivilgesetzbuch (CC) verweist auf den Obersten Gerichtshof (TS), der als letzte Instanz bei der Gesetzesanwendung fungiert, ohne die Vorinstanzen explizit zu nennen.
Gemäß dem Zivilgesetzbuch (CC) wurden die Obergerichte der Autonomen Gemeinschaften (CCAA) geschaffen. Diese stellen in bestimmten Fällen die letzte Instanz dar, gegen deren Entscheidungen kein weiteres Rechtsmittel möglich ist. Daher verstehen wir unter Rechtsprechung letztlich die Doktrin des Obersten Gerichtshofs (TS) und der Obergerichte jeder Autonomen Gemeinschaft (TSJ CCAA), sofern kein weiteres Rechtsmittel zulässig ist. Der TS ist in Kammern organisiert, und es ist wichtig, die zuständige Kammer (z. B. Zivil-, Strafkammer) zu nennen, aus der die Rechtsprechung stammt. Jede Kammer entspricht einem Gerichtszweig.
Funktion der Rechtsprechung
Richter legen Regeln aus, wenden sie an und ergänzen so das Rechtssystem. Es wird zunehmend komplexer, den Inhalt von Normen zu erfassen, weshalb eine bevorzugte Auslegung notwendig wird.
Rechtsmittel vor dem Obersten Gerichtshof (TS)
Seit den 1980er Jahren können dem TS folgende Rechtsmittel vorgelegt werden:
- Das Rechtsmittel (Casación) wegen Rechtsfehlern: Dieses dient der Durchsetzung der Gesetze und stellt sicher, dass Richter diese korrekt anwenden.
- Die Beschwerde (Recurso de casación) wegen Verletzung der Rechtsprechung: Hierbei wird nicht unbedingt ein direkter Gesetzesverstoß geltend gemacht, sondern eine Verletzung der Auslegung einer Norm durch den TS selbst. Es wird argumentiert, dass die angefochtene Entscheidung von der etablierten Rechtsprechung des TS abweicht oder eine Norm falsch interpretiert.
Ist die Arbeit des TS also Rechtsschöpfung? Obwohl der TS keine Gesetze schafft, ist seine Auslegung maßgeblich. Was beispielsweise als Mord gilt, bestimmt sich danach, wie der TS die entsprechende Norm auslegt. Entscheidend ist nicht nur der Wortlaut der Norm, sondern die Interpretation durch die zuständigen Richter.
Beispiel: Auslegung von Art. 122.3 der spanischen Verfassung (CE) zur Zusammensetzung des Generalrats der rechtsprechenden Gewalt (CGPJ): 21 Mitglieder (20 + Präsident), davon 4 vom Abgeordnetenhaus, 4 vom Senat und 12 Richter und Staatsanwälte aus den Reihen der Justiz.
Dies ist eine bewusst unklar formulierte Vorschrift bezüglich der Wahl aller Mitglieder. Der Gesetzgeber, der diesen Artikel ursprünglich entwickelte, ging davon aus, dass diese 12 Mitglieder von den Richtern selbst als ihre Vertreter im Rat gewählt werden sollten. Dies war das erste Wahlsystem (8 von der Politik ernannt, 12 von Richtern gewählt). Später wurde das Gesetz geändert, die Wahl durch die Richter abgeschafft und stattdessen die Wahl durch das Parlament eingeführt (um vermeintliche gewerkschaftliche Einflussnahme zu vermeiden). Dies führte zu Konflikten im Rat. Der TS wurde angerufen und entschied, dass auch die Wahl durch das Parlament verfassungskonform sei. Man kann der Auslegung dieser Norm durch die Gerichte also nicht entgehen.
Voraussetzungen für gefestigte Rechtsprechung
Damit eine Rechtsprechung als etabliert gilt (sowohl beim TS als auch bei den Obergerichten der CCAA), bedarf es in der Regel zweier oder mehrerer Entscheidungen derselben Kammer in die gleiche Richtung. Eine einzelne, isolierte Entscheidung reicht nicht aus. Die 'ratio decidendi' (der tragende Entscheidungsgrund) muss klar erkennbar sein, den Kern der Sache betreffen und Teil einer gefestigten Linie sein, nicht nur Nebenaspekte behandeln.
Richter wenden die Regeln an und berücksichtigen dabei die bestehende Rechtsprechung (den „Korpus“ der Urteile), um die verschiedenen Gesetze und Verordnungen jederzeit korrekt auszulegen und das Rechtssystem zu vervollkommnen.
Richterliche Unabhängigkeit
Die Rechtsprechung muss den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit wahren. Richter sind bei ihrer Tätigkeit unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Sie können ihre Meinung ändern und sind nicht starr an frühere eigene Urteile gebunden. Ein Gericht kann seine Herangehensweise auch in zwei scheinbar identischen Fällen ändern.
Evolutionäre Auslegung und Rolle des Verfassungsgerichts
Richter wenden eine evolutionäre Auslegung an, die die sich wandelnde soziale Realität berücksichtigt und so die Norm im Sinne des Gesetzes ergänzt. Die Arbeit des Verfassungsgerichts (TC) ist besonders relevant, da es nicht über Einzelfälle oder Personen urteilt, sondern über die Verfassungsmäßigkeit von Regeln im Lichte der Rechtsstaatsprinzipien. Seine Auslegung einer Norm ist für alle nachfolgenden Arbeiten bindend.
Wird die Verfassungsmäßigkeit einer Regel angefochten, muss die Entscheidung des TC berücksichtigt werden. Beispiel: Beim Autonomiestatut von Katalonien muss der Text zusammen mit dem Urteil des TC gelesen werden, da dieses die Norm ergänzend auslegt.
Die Funktion des TS ist nicht die Gesetzgebung (wie der Gesetzgeber), sondern die Auslegung der bestehenden Normen (keine positive Rechtsetzung, sondern allenfalls eine Präzisierung oder Einschränkung der Normenanwendung).