Rousseau: Materie, Bewegung und der erste Glaubensartikel
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3. Kritik und Materialismus der drei Glaubensartikel (33-66)
3.1. Gott als Motor des Universums: Kritik des Mechanismus (Abschnitte 33-44)
Der Pfarrer argumentiert in den Abschnitten 33 bis 40 ausführlich gegen den Materialismus als befriedigende Welterklärung, was zum ersten Glaubensartikel führt.
Nachdem die Methode, das Kriterium der Wahrheit und die Existenz des 'Ich' etabliert sind, wendet sich der Text der äußeren Welt zu (33). Es geht nun um die äußere Natur, die Materie. Alles, was er von außen über seine Sinne wahrnimmt, nennt er Materie. Er leitet die Eigenschaften der Materie von den sinnlichen Qualitäten ab, die er wahrnimmt. Die Materie, so sagt er, ist nicht in der Lage, sich selbst zu erzeugen oder zu bewegen, da sie notwendigerweise träge ist (dies scheint die mechanistische Vorstellung der physischen Welt von Descartes zu akzeptieren (vgl. 19): Materie ist träge, passiv und muss von außen bewegt werden). Ihr natürlicher Zustand ist daher die Ruhe; sie bewegt sich nur, wenn sie von etwas anderem beeinflusst wird (34).
Im Gegensatz dazu vertreten Materialisten eine Naturtheorie, die Bewegung nicht als extern, sondern als wesentliche Eigenschaft der Dinge betrachtet. Für sie kann Materie nicht als bloße Ausdehnung gedacht werden, wie es Descartes tat. Die Ordnung oder das System in der Welt ist demnach nicht das Ergebnis eines göttlichen Plans, sondern die Wirkung der Natur der Dinge und ihrer immanenten Gesetze. Die Postulierung der Existenz Gottes oder eines übermenschlichen Wesens wird somit überflüssig; die religiöse Hypothese ist nicht erforderlich. Rousseau beschreibt die Materie jedoch als passiv und träge.
Arten der Bewegung (35)
Anschließend unterscheidet er zwischen zwei Arten der Bewegung (35):
- Die mechanische oder erzwungene Bewegung, deren Ursache nicht im bewegten Körper selbst liegt, sondern von einem anderen ausgeht (z. B. wenn ich das Fenster öffne und ein Blatt Papier davonfliegt, während ich schreibe).
- Die spontane Bewegung, deren Ursache im bewegten Körper selbst liegt und die typisch für den Menschen ist.
Gegen den Mechanismus und dessen Behauptung, dass es nur mechanische und keine spontane Bewegung gibt, argumentiert er:
Er bekräftigt die Existenz spontaner Bewegung, indem er sich auf das Gefühl beruft, das er hat und das stärker ist als 'jeder Beweis': 'Ich weiß es, weil ich es fühle' (36). Dies ist ein Beweis der inneren Überzeugung, des Gefühls, das der reinen Vernunft entgegensteht. Er sagt: 'Ich bewege meinen Arm und versetze ihn in Bewegung.' Wäre dies nur mit einem Körper, träger Materie, möglich? Nein, wir sind mehr; es gibt einen weiteren Bestandteil unseres Seins: den Willen, die Freiheit. Ohne sie wäre es unmöglich, die Verantwortung des Menschen aus moralischer Perspektive zu rechtfertigen oder zu legitimieren.
Diese Auffassung der Bewegung untergräbt die materialistische These, die den Menschen auf bloße Materie reduzieren will. Im Gegenteil, sie etabliert die Idee des Menschen als eine Zusammensetzung aus Körper und Geist (wieder der anthropologische Dualismus). Eine Verbindung, deren Natur wir nicht verstehen: 'Die Art der Vereinigung der beiden Substanzen scheint mir völlig unverständlich' (42). 'Der Wille ist mir durch seine Taten bekannt, nicht durch seine Natur' (41). Das heißt, wir können nicht erklären, wie sie sich zueinander verhalten; Descartes' Erklärung (vgl. 20) scheint nicht überzeugend.
Obwohl dieser Zusammenhang vielleicht nicht vollständig bekannt ist, ist Rousseau der Meinung, dass dies nicht dazu berechtigt, eine Substanz auf die andere zu reduzieren, wie es die Materialisten tun. Denn Operationen so unterschiedlicher Art können kaum durch den Hinweis auf ein einziges Subjekt erklärt werden. Und obwohl wir die Eigenschaften dieses Willens, der die Materie beseelt, oder seine Funktionsweise nicht vollständig kennen können, wissen wir doch genug. Denn unser Wissen konzentriert sich auf praktische Überlegungen (was wiederum Rousseau betont), und wir können seine Existenz als Glaubensartikel oder Prämisse behaupten ('Der Wille ist mir durch seine Handlungen bekannt, nicht durch seine Natur'). Der entscheidende Punkt ist, dass ich meinen Willen fühle, wie er seinen Einfluss in der Welt ausübt, und das genügt, um seine Existenz zu bestätigen.
Ein weiteres Argument: Neben der Übereinstimmung mit unserer eigenen Erfahrung (wenn auch nicht absolut sicher), sind auch die Bewegungen von Tieren spontan (36).
Schlussfolgerung
Wenn also die Ursache der Bewegung nicht in der Materie selbst liegt (diese kann zwar bewegt werden und Bewegung übertragen, aber nicht selbst erzeugen), und wir die Welt auch nicht als großes Tier (Animismus, 38) verstehen können – erstens, weil wir, die ein Teil davon sind, nicht gut sind, und zweitens, weil die Bewegungen des Universums nichts Spontanes oder Freies an sich haben – und da wir keine unendliche Kausalkette von Aktion und Reaktion annehmen können, gelangen wir schließlich zu einer ersten Ursache, die nicht körperlich sein kann. Diese muss ein höchstes Wesen sein: 'Gott bewegt das Universum und belebt die Materie' (40).
Dies ist das erste Dogma oder der erste Glaubensartikel der natürlichen Religion. Es ist bezeichnend, dass Rousseau dieses Prinzip und die folgenden als 'Glaubensartikel' bezeichnet. Dies unterstreicht die Relevanz des Gefühls (der inneren Überzeugung, der inneren Zustimmung) gegenüber der Vernunft bei deren Festlegung. Das heißt, diese Prinzipien werden nicht durch reine Vernunft ohne die Hilfe einer anderen Kraft festgelegt; es sind keine Prinzipien im theoretischen oder spekulativen Sinne des Wortes. Wir wissen, dass Rousseau hier die praktische Vernunft betont. Man kann sagen, dass es sich um Dogmen handelt, die den Glauben an das Gefühl erfordern. In diesem Fall ist es die innere Zustimmung, die ihn dazu bringt, die Existenz eines höchsten und letzten Wesens, 'Gott als erste Ursache', zu behaupten.