Russische Revolutionen: Gesellschaft, 1905 & Februar 1917
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Struktur der russischen Gesellschaft im frühen 20. Jahrhundert
Obwohl Russland im frühen 20. Jahrhundert eine Weltmacht in Bezug auf Ausdehnung und Bevölkerung war, litt es unter einem erheblichen Ungleichgewicht und verwaltete sich in vielen Aspekten wie im Mittelalter. Die Gesellschaft war geprägt von:
- Autokratie: Eine absolute Herrschaft des Zaren.
- Agrarwirtschaft: Eine überwiegend landwirtschaftlich geprägte Wirtschaft. Obwohl die Leibeigenschaft offiziell abgeschafft war, ähnelten die Lebensbedingungen vieler Bauern weiterhin der Sklaverei.
- Geringe Handelsklasse: Mit Ausnahme einer kleinen baltischen Bourgeoisie gab es nur wenige Händler.
- Grundbesitzer: Militärische Aristokraten und reiche Bauern, die oft Verbesserungen in der Landwirtschaft einführten.
- Reiche orthodoxe Kirche: Eine mächtige und wohlhabende Institution.
Um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die Abhängigkeit von ausländischen Finanzmitteln zu reduzieren, förderte der Staat die Industrialisierung. Dies führte zur Konzentration von Arbeitern in großen Fabriken unter Bedingungen, die denen auf dem Feld ähnelten. In diesem Umfeld entstanden und verbreiteten sich revolutionäre Ideen.
Die Hauptprobleme Russlands vor den Revolutionen
Russland stand vor drei grundlegenden Problemen:
- Soziale Ungleichheit: Eine tiefe Kluft zwischen Arm und Reich, Adel und Bauern.
- Arbeitsproblem: Schlechte Arbeitsbedingungen, niedrige Löhne und fehlende Rechte für Arbeiter.
- Politisches Problem: Die autokratische Herrschaft des Zaren, die keine politische Partizipation zuließ.
Die Revolution von 1905
Ursachen und Auslöser der Revolution 1905
Die Jahre vor 1905 waren geprägt von zunehmenden Unruhen, Bauernproblemen, Streiks und Terroranschlägen. Ein entscheidender Auslöser war der Russisch-Japanische Krieg von 1904, der aufgrund territorialer Streitigkeiten in Ostasien ausbrach. Dieser Krieg offenbarte die gravierenden Schwächen und die Unfähigkeit des Zarenregimes in der Kriegsführung und Verwaltung.
Blutsonntag und die Folgen der Revolution 1905
Nach der demütigenden Niederlage gegen Japan organisierten Arbeiter am Sonntag, dem 22. Januar 1905 (nach julianischem Kalender), eine friedliche Demonstration in Sankt Petersburg. Sie zogen zum Winterpalast, um dem Zaren eine Petition mit ihren Forderungen zu überreichen. Die Demonstration wurde jedoch gewaltsam aufgelöst, als die zaristischen Truppen das Feuer auf die unbewaffneten Demonstranten eröffneten. Dieses Ereignis, bekannt als „Blutsonntag“, forderte zahlreiche Tote und Verletzte und löste landesweite Unruhen und Streiks aus.
Die Revolution von 1905 führte zu wichtigen Entwicklungen:
- Gründung von Sowjets: Arbeiter- und Soldatenräte entstanden als neue Formen der Selbstorganisation.
- Einrichtung der Duma: Der Zar sah sich gezwungen, eine gewählte Volksvertretung, die Duma, einzurichten.
- Arbeitszeitverkürzung: Die Arbeiter erkämpften vielerorts einen 10-Stunden-Tag.
Die Erfolge der Revolution waren jedoch nur von kurzer Dauer. Nach der Wahl einer gemäßigteren Versammlung wurden viele Führer der Revolution und der großen Parteien verbannt, und die zaristische Regierung gewann die Kontrolle zurück.
Die Februarrevolution 1917
Ursachen der Februarrevolution
Die Hauptursache für die Februarrevolution war der Erste Weltkrieg, der 1914 begann. Dieser Krieg deckte die tiefgreifenden Mängel und Unzulänglichkeiten des zaristischen Russlands schonungslos auf:
- Kriegsmüdigkeit: Das Land war nicht auf einen langen Krieg vorbereitet.
- Totale Desorganisation: Mangelnde Koordination in Verwaltung und Logistik.
- Versorgungsmängel: Fehlende Ausrüstung für die Armee, Nahrungsmittelknappheit in den Städten.
- Militärische Niederlagen: Schwere Verluste an der Front gegen die deutschen Linien.
- Zar Nikolaus II. an der Front: Der Zar übernahm persönlich das Kommando über die Armee, wodurch er für alle militärischen Misserfolge direkt verantwortlich gemacht wurde und die Regierungsgeschäfte in Petrograd vernachlässigte.
Verlauf und Ereignisse der Februarrevolution
Die Revolution begann mit spontanen Demonstrationen und Streiks der Arbeiter in Petrograd. Ein entscheidender Wendepunkt war, als das Militär sich weigerte, auf die Demonstranten zu schießen, und sich stattdessen mit ihnen solidarisierte. Dies führte zu einer raschen Politisierung der Bewegung und der Forderung nach einer neuen Regierung.
Zar Nikolaus II. versuchte, die Lage zu kontrollieren, indem er die Duma vertagte. Doch die Truppen, die eigentlich die Unruhen niederschlagen sollten, schlossen sich den Aufständischen an. Minister versuchten, die Situation zu stabilisieren, scheiterten jedoch.
Ergebnisse und Folgen der Februarrevolution
Die Februarrevolution führte zur Bildung von zwei parallelen Machtzentren:
- Die Duma: Eine bürgerliche provisorische Regierung.
- Die Sowjets: Arbeiter- und Soldatenräte, die hauptsächlich von sozialistischen Menschewiki und Sozialrevolutionären gebildet wurden.
Nach intensiven Verhandlungen wurde eine demokratische provisorische Regierung gebildet, die sich aus Vertretern aller Parteien zusammensetzte. Alexander Kerenski, ein Vertreter der Sowjets, spielte eine wichtige Rolle in dieser Regierung.
Schließlich dankte Zar Nikolaus II. ab und übertrug die Krone seinem Bruder, Großfürst Michael, der jedoch ebenfalls ablehnte. Dies führte zur Ausrufung der Republik in Russland und beendete die jahrhundertealte Zarenherrschaft.