Sartres Existenzialismus: Freiheit und Verantwortung

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Jean-Paul Sartres Existenzialismus: Eine Einführung

1. Sartres Leben und Werk

Jean-Paul Sartre wurde 1905 in Paris in eine bürgerliche Familie geboren. Dort studierte er auch Philosophie. Als die Nationalsozialisten 1940 in Frankreich einmarschierten, wurde er gefangen genommen und blieb bis zum folgenden Jahr inhaftiert. Diese Erfahrung prägte ihn tief und transformierte ihn zu einem revolutionären Denker und einer wichtigen Figur des französischen Widerstands. Sie offenbarte ihm die Absurdität und Hoffnungslosigkeit, die er im menschlichen Dasein sah, sowie die grundlegende Verlassenheit des Menschen. 1943 veröffentlichte er sein philosophisches Hauptwerk Das Sein und das Nichts, gefolgt von der einflussreichen Schrift Der Existenzialismus ist ein Humanismus im Jahr 1946. Jean-Paul Sartre verstarb 1980.

2. Existenz vor Essenz

Sartre stellte fest, dass der Begriff „Existenzialismus“ oft vage verwendet wird und viele verschiedene Strömungen umfasst. Er selbst legte jedoch Wert darauf, seine spezifische Bedeutung zu definieren. Allen existentialistischen Denkern ist jedoch gemein, dass sie die These vertreten, dass beim Menschen die Existenz der Essenz vorausgeht. Sartre verdeutlicht dies am Beispiel von hergestellten Objekten: Bei diesen geht die Essenz (der Plan, die Funktion, die Definition) der Existenz voraus, da der Hersteller sie zuerst konzipiert und dann fertigt. Im Gegensatz dazu steht der Mensch im Existenzialismus: Er existiert zuerst, begegnet sich, taucht in der Welt auf und definiert sich erst danach. Der Mensch ist also nichts anderes als das, wozu er sich macht.

3. Atheismus und menschliche Natur

Diese Position steht in Einklang mit Sartres Atheismus. Denn wenn die Existenz der Essenz vorausgeht, bedeutet dies, dass der Mensch nicht zuerst von einem Schöpfer (Gott) konzipiert wurde, bevor er zu existieren begann. Sartre betont, dass es keine vorgegebene menschliche Natur gibt, da kein Gott existiert, der sie hätte entwerfen können. Der Mensch existiert zuerst, erscheint in der Welt und definiert sich erst dann durch seine Handlungen und Entscheidungen. Der Mensch ist somit das einzige Wesen, das nicht nur so ist, wie es von außen konzipiert wurde, sondern so, wie es sich selbst will und entwirft.

4. Der Mensch als Entwurf

Sartre versteht den Menschen als einen Entwurf (Projekt). Der Mensch ist zunächst nichts. Er wird erst dann etwas sein, und er wird so sein, wie er sich geschaffen haben wird. Da es keinen Gott gibt, der ihn konzipiert, ist der Mensch das, wozu er sich macht. Er entwirft sich auf die Zukunft hin, aus dem Nichts heraus. Dieser Entwurf ist der erste Schritt zur Wahl, wobei der Entwurf fundamental ist und ein Lebensmodell darstellt. Der Mensch ist ständig dabei, sich selbst zu überschreiten und seine Zukunft zu gestalten.

5. Verantwortung für alle

Aus der Freiheit des Menschen, sich selbst zu definieren, ergibt sich eine immense Verantwortung. Sartre erklärt die Verantwortung für alle Menschen wie folgt: Wenn ein Mensch wählt, wählt er nicht nur für sich selbst, sondern für die gesamte Menschheit. Indem er eine bestimmte Handlung oder einen bestimmten Wert wählt, schafft er gleichzeitig ein Bild des Menschen, wie dieser seiner Meinung nach sein sollte. Die Wahl eines Wertes bedeutet, dass wir immer das wählen, was wir für gut halten – und zwar nicht nur für uns individuell, sondern als ein Gut für alle. Jede unserer Handlungen engagiert somit die gesamte Menschheit.

6. Angst und Verantwortung

Die Angst (angoisse) des Menschen rührt von dem Bewusstsein dieser totalen und tiefen Verantwortung her. Zu wissen, dass jede seiner Wahlen nicht nur sein eigenes Leben, sondern potenziell das Bild des Menschen für alle anderen prägt, ist eine schwere Last. Es ist, als ob bei jeder Entscheidung die Augen aller Menschen auf ihn gerichtet wären. Diese direkte Verantwortung gegenüber anderen Menschen, die er durch seine Wahl miterschafft, ist die Quelle der existenzialistischen Angst.

7. Bösgläubigkeit (Mauvaise Foi)

Sartre definiert Bösgläubigkeit (mauvaise foi) als den Versuch des Menschen, seiner Freiheit und der damit verbundenen Verantwortung zu entfliehen. Ein Mensch handelt bösgläubig, wenn er sich zwar seiner Verantwortung für die gesamte Menschheit bei jeder Wahl bewusst ist, aber versucht, diese zu leugnen oder sich ihr zu entziehen. Solche Personen behaupten beispielsweise, ihre Wahl betreffe nur sie selbst, oder sie berufen sich auf äußere Umstände, Leidenschaften oder einen vermeintlich feststehenden Charakter, um ihre Entscheidungen zu rechtfertigen. Sie suchen nach Ausreden und zeigen damit, dass sie nicht im Einklang mit ihrem Gewissen handeln und ihre fundamentale Freiheit leugnen.

8. Die Verlassenheit des Menschen

Nach Sartre ist der Mensch verlassen (délaissé). Dies bedeutet, dass er keine äußeren oder göttlichen Rechtfertigungen oder Hilfen für sein Handeln findet, da es keinen Gott gibt. Folglich gibt es auch keine a priori gegebenen moralischen Werte oder Richtlinien, die ihn leiten könnten. Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein: verurteilt, weil er sich nicht selbst geschaffen hat, und dennoch frei, weil er, einmal in die Welt geworfen, für alles verantwortlich ist, was er tut. Er muss seine eigenen Werte wählen und erfinden, was die Entscheidungsfindung erschwert, aber auch die volle Tragweite seiner Freiheit unterstreicht.

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