Sexuelle Belästigung im Recht: Tatbestände & Abgrenzung

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Sexuelle Belästigung: Rechtliche Einordnung

Sexuelle Belästigung wird rechtlich als Verbrechen der sexuellen Nötigung oder Aufforderung zu sexuellen Handlungen eingestuft.

Der Grundtatbestand (Artikel 184)

Der Grundtatbestand nach Artikel 184 besteht in der mündlichen oder schriftlichen Aufforderung oder dem Verlangen nach sexuellen Gefälligkeiten. Wird die sexuelle Gefälligkeit tatsächlich erlangt, liegt ein anderer, schwerwiegenderer Tatbestand (Missbrauch) vor.

Der rechtliche Begriff der Belästigung ist enger gefasst als der umgangssprachliche. Letzterer umfasst auch Fälle, in denen die betroffene Person einem Klima der Belästigung ausgesetzt ist, ohne dass direkt sexuelle Handlungen verlangt werden. Dazu gehören wiederholte anzügliche Bemerkungen, Witze oder unerwünschter Körperkontakt. Dies wird manchmal als 'Umweltbelästigung' bezeichnet und kann je nach Schweregrad als Beleidigung oder Nötigung eingeordnet werden.

Die verlangte sexuelle Gefälligkeit kann von jeglicher Art sein, von Geschlechtsverkehr oder dem Einführen von Gegenständen bis hin zu milderen Verhaltensweisen. Im letzteren Fall, der unter Umständen als Körperverletzung oder Misshandlung gewertet werden kann, ist kein direkter körperlicher Kontakt zwischen Täter und Opfer erforderlich. Die Aufforderung kann sich sowohl auf das Opfer selbst als auch auf Dritte beziehen.

Es handelt sich um ein Sonderdelikt, bei dem sowohl Täter als auch Opfer männlich oder weiblich sein können. Die Aufforderung zu sexuellen Gefälligkeiten muss im Rahmen eines Beschäftigungs-, Lehr- oder Dienstverhältnisses erfolgen. Dies umfasst bezahlte Arbeitsverhältnisse ebenso wie zivil- oder verwaltungsrechtliche sowie unentgeltliche Dienstleistungen. Das Verhältnis muss von einer gewissen Dauer und Regelmäßigkeit sein, keine einmalige oder vereinzelte Begegnung. Wichtig ist auch, dass der Täter keine Überlegenheitsposition innehat oder sich zumindest nicht darauf beruft. Andernfalls käme der qualifizierte Tatbestand nach Artikel 184 Absatz 2 zur Anwendung.

Belästigung ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Das bedeutet, dass die Aufforderung zu sexuellen Gefälligkeiten beim Opfer objektiv und ernsthaft eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Situation hervorrufen muss. Die Belästigung versetzt die betroffene Person in eine Lage der Herabwürdigung oder Demütigung, schafft ein Klima der Widrigkeiten und Angst, das sie daran hindert, in ihrem Umfeld frei und ungestört zu agieren.

Qualifizierte Tatbestände

  • Belästigung unter Ausnutzung einer Überlegenheitsposition: Dies liegt vor, wenn der Täter eine Überlegenheitsposition gegenüber dem Opfer ausnutzt. Diese Überlegenheit muss im Rahmen eines Beschäftigungs-, Lehr- oder hierarchischen Verhältnisses bestehen. Fälle während des Einstellungsverfahrens können darunterfallen. Belästigung im häuslichen Umfeld oder aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit ist nur dann erfasst, wenn dies als hierarchisches Verhältnis im weiteren Sinne ausgelegt werden kann.
  • Sexuelle Erpressung: Hierbei wird die Aufforderung zu sexuellen Handlungen mit der Ankündigung eines Nachteils für das Opfer verbunden, falls die Forderungen nicht erfüllt werden. Im Gegensatz zum Grundtatbestand handelt es sich um ein Sonderdelikt der bedingten Drohung. Die Ankündigung des Nachteils muss ernsthaft und glaubwürdig sein. Das Opfer muss den Täter als fähig ansehen, die Drohung umzusetzen, was nicht nur bei hierarchischer Überlegenheit der Fall ist, sondern auch bei ausreichendem Druck- oder Einflussvermögen. Die Ankündigung kann ausdrücklich oder implizit erfolgen, muss sich aber auf das Opfer beziehen.

Der angedrohte Nachteil muss sich auf berechtigte Erwartungen des Opfers im Rahmen des Arbeits-, Lehr- oder hierarchischen Verhältnisses beziehen. Solche Erwartungen können das Erreichen oder Beibehalten von Leistungen, Verbesserungen oder Interessen umfassen. Im Lehrbereich kann dies die Erwartung sein, einen Kurs zu bestehen; im Arbeitsverhältnis die Erwartung, den Arbeitsplatz zu behalten, eine Gehaltserhöhung zu erhalten oder eine Positionsänderung zu erreichen. 'Berechtigt' bedeutet hier, dass die Erwartung im Rahmen des Verhältnisses liegt und nicht illegal ist, nicht dass das Opfer einen rechtlichen Anspruch darauf hat. Die Ankündigung eines Vorteils kann in manchen Fällen einer stillschweigenden Ankündigung eines Nachteils gleichkommen, z. B. wenn das Aussetzen einer Genehmigung angedroht wird, falls die Forderung nicht erfüllt wird.

Allgemeine Aspekte und Abgrenzung

Der Tatbestand ist vollendet, sobald beim Opfer in einem der beschriebenen Szenarien eine objektiv und ernsthaft einschüchternde, feindselige oder demütigende Situation hervorgerufen wird. Beim Grundtatbestand muss die Aufforderung zu sexuellem Verhalten erfolgen; bei den qualifizierten Tatbeständen kommt die Ausnutzung einer Überlegenheitsposition oder die Ankündigung eines Nachteils hinzu.

Täterschaft und Beteiligung sind möglich, z. B. durch mittelbare Täterschaft (Ausnutzung eines Irrtums), Anstiftung oder Beihilfe. Wird die sexuelle Gefälligkeit für einen Dritten mit dessen Zustimmung verlangt, kann dies als Mittäterschaft gewertet werden.

Ein zentrales Problem bei der Auslegung des Belästigungsdelikts sind die Konkurrenzen zu anderen Straftaten. Der Grundtatbestand ist ein Spezialdelikt im Verhältnis zu allgemeinen Delikten gegen die persönliche Freiheit, insbesondere aufgrund des Elements der Demütigung des Opfers. Der qualifizierte Tatbestand nach Artikel 184 Absatz 2, der die Ankündigung eines Nachteils erfordert, steht in Beziehung zum Delikt der bedingten Drohung. Artikel 184 ist subsidiär gegenüber den Tatbeständen der Artikel 443 und 444 (Aufforderung durch Amtsträger). Schwierigkeiten ergeben sich, wenn über die Aufforderung hinaus sexuelle Handlungen verlangt werden. Wenn die Aufforderung eine schwere Belästigungssituation verursacht und nahe an einer versuchten Vergewaltigung liegt, kann der Tatbestand der sexuellen Belästigung den Versuch absorbieren. Aufforderung durch Amtsmissbrauch kann ebenfalls absorbiert werden. Der Tatbestand der Belästigung unter Ausnutzung einer Überlegenheitsposition kann in mediale Konkurrenz zu anderen Delikten treten, insbesondere wenn zusätzlich eine Drohung ausgesprochen wird.

Schließlich sieht Artikel 184 Absatz 3 einen Strafschärfungsgrund vor, wenn das Opfer aufgrund seines Alters, einer Krankheit oder einer ähnlichen Situation besonders schutzbedürftig ist (vgl. Artikel 180 Absatz 3).

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