Shareholder Value: Definition, Berechnung und Kritik des Aktionärswerts
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Shareholder Value: Der Aktionärswert im Fokus
Der Shareholder Value, auch bekannt als Aktionärswert, ist ein zentraler Begriff in der Ökonomie und wird als Marktwert des Eigenkapitals eines Unternehmens definiert. Vereinfacht ausgedrückt, repräsentiert er den Unternehmenswert und den daraus abgeleiteten Kurswert der jeweiligen Aktien. Der „Shareholder-Value-Ansatz“, entwickelt von Alfred Rappaport, betrachtet das Unternehmensgeschehen als eine Abfolge von Zahlungen (Cashflows), ähnlich den Zahlungsreihen aus Sachinvestitionen. Die Bewertung des Unternehmens erfolgt anhand sogenannter freier Cashflows. Der Shareholder Value selbst ergibt sich aus der Summe der auf den Bewertungszeitpunkt diskontierten freien Cashflows, abzüglich des Marktwertes des Fremdkapitals, wie Bankverbindlichkeiten.
Der Vermögenswert (Value), den ein Anteilseigner (Shareholder) einer Aktiengesellschaft hält, setzt sich aus dem Kurswert seiner Aktien multipliziert mit der Anzahl der gehaltenen Wertpapiere zusammen. Eine Unternehmenspolitik, die auf Shareholder Value ausgerichtet ist, zielt darauf ab, den Aktienkurs und somit den Marktwert des Gesamtunternehmens zu steigern. Dies umfasst nicht nur kurzfristige Kurssteigerungen, sondern vor allem die langfristige Optimierung der Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität. Das Shareholder-Value-Prinzip findet heute weltweit Anwendung in Unternehmen.
Herkunft des Shareholder Value
Der Shareholder-Value-Ansatz hat seinen Ursprung im 1986 veröffentlichten Buch „Creating Shareholder Value“ von Alfred Rappaport[1]. Dieses Konzept besagt, dass die Unternehmensleitung im Interesse der Anteilseigner handeln sollte. Das Hauptziel ist die Maximierung des langfristigen Unternehmenswertes durch Gewinnmaximierung und Steigerung der Eigenkapitalrendite. Die geforderte Eigenkapitalmindestverzinsung hat dabei Vorrang vor anderen Belangen. Aufgrund starker Kritik am Begriff „Shareholder Value“ wird dieser in der Fachliteratur und in Unternehmen zunehmend durch „Value Based View“ (engl. wertbasierte Sicht) ersetzt.
Zusammenhang mit der Unternehmensführung

Der Shareholder Value kann als Ergebnis der Unternehmensführung betrachtet werden, wobei verschiedene Faktoren laut Rappaport (1999) Einfluss nehmen. Bemerkenswert ist, dass Management-Entscheidungen den tatsächlich geschaffenen Shareholder Value nur indirekt beeinflussen.
Insbesondere die Bewertungskomponente kann die Auswirkungen von Management-Entscheidungen verstärken oder abschwächen. Hier setzt auch die Kritik an der Berechnung des Shareholder Value an.
Die sogenannten robusten Schritte sind Maßnahmen, die darauf abzielen, den Shareholder Value (SHV) effektiv zu beeinflussen. Dies zeigt auch, dass der Shareholder Value mit dem Stakeholder Value vereinbar ist.
Berechnung des Shareholder Values
Die Hauptvarianten zur Berechnung des Shareholder Value basieren auf dem:
- Discounted-Cashflow-Verfahren: Hierbei werden die diskontierten Zahlungsströme abzüglich des Fremdkapitalwertes summiert.
- Ertragswertverfahren: Hierbei werden die diskontierten zukünftigen Gewinne und Ausschüttungen summiert.
Berechnung nach dem Discounted-Cashflow-Verfahren:
- Die freien Cashflows (FCF) der betrachteten Jahre (t) werden mit (1+WACC) diskontiert und anschließend summiert.
- Diese Summe wird mit der, nach gleichem Verfahren diskontierten, Summe des Residualwertes (geschätzte freie Cashflows für die Zeit nach den betrachteten Jahren) sowie dem Wert des nicht-betriebsnotwendigen Vermögens (z. B. Wertpapieranlagen, Spekulationsgüter) addiert.
- Zieht man vom Gesamtergebnis das Fremdkapital des Unternehmens ab, erhält man den Shareholder Value.
Anwendungen der Berechnung
Die Diskontfaktoren ermöglichen die Bestimmung der Kapitalkosten. Fremdkapitalkosten sind aus Kapitalmarktdaten ermittelbar. Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) eignet sich zur Ermittlung der Eigenkapitalkosten. Die Risikoprämie liegt in den USA bei 5 %, in Europa bei 4 %. Typische Beta-Werte liegen um 1. Das Equity Beta berücksichtigt auch den Leverage-Effekt.
Verdienste des Shareholder-Value-Ansatzes
Eine wesentliche Leistung des Konzepts ist, dass es alle unternehmerischen Aktivitäten auf ihre Auswirkungen auf den freien Cashflow zurückführt und durch die Diskontierung der freien Cashflows den Zahlungszeitpunkt berücksichtigt. Bereits die Definition des Shareholder Value verdeutlicht:
- Das Niveau des freien Cashflows und seine Entwicklung sind entscheidende Kriterien für die Nachhaltigkeit eines Unternehmens.
- Die Finanzierungsstruktur eines Unternehmens beeinflusst ebenfalls den Shareholder Value.
Da diese Größen Teil der langfristigen Finanzplanung sind, wird die enge Verflechtung von operativer Unternehmenssteuerung und Finanzmanagement deutlich.
Innerer Unternehmenswert und Börsenwert
Oft werden eine wertorientierte und eine kapitalmarktorientierte Sichtweise gleichgesetzt. Shareholder-Value-Konzepte, die eine Ausrichtung der Unternehmenspolitik am fundamentalen Unternehmenswert verfolgen, basieren jedoch auf weniger restriktiven Annahmen als solche, die sich am Kapitalmarkt orientieren. Die Orientierung am Börsenwert als Zielgröße setzt voraus, dass Börsenwert und fundamentaler Unternehmenswert übereinstimmen. Empirische Studien zur Effizienz des Kapitalmarkts zeigen jedoch häufig Bewertungsanomalien, wodurch der fundamental angemessene Wert vom aktuellen Börsenwert abweichen kann. Ursachen hierfür liegen unter anderem in psychologisch bedingten Fehlern von Investoren, die Gegenstand der Behavioral Finance Forschung sind. Zudem sind Informationsasymmetrien zu berücksichtigen: Für die Berechnung des fundamental angemessenen Unternehmenswerts werden die bestverfügbaren (unternehmensinternen) Daten verwendet, während der Kapitalmarkt nur unvollständig informiert ist.
Kritik am Shareholder-Value-Ansatz
Methodische Kritik
Methodische Kritikpunkte umfassen[2]:
- Unzulänglichkeiten bei der Bestimmung von Unternehmenswerten und Kapitalkostensätzen auf unvollkommenen Kapitalmärkten.
- Die Berücksichtigung von Anreizproblemen des Managements, das nur durch sehr spezifische Zielvorgaben zielkongruent, d.h. im Interesse der Eigentümer, agiert.
Inhaltliche Kritik
Kritiker lehnen die alleinige Fokussierung auf den Unternehmenswert ab. Eigenkapitalgeber seien nicht die einzige Anspruchsgruppe eines Unternehmens. Bei unternehmerischen Entscheidungen sollten auch potenzielle Auswirkungen auf Mitarbeiter, Kunden, die Öffentlichkeit und die Umwelt berücksichtigt werden. Der Wirtschaftsethiker Peter Ulrich vertritt die These, dass der Shareholder-Value-Ansatz „unternehmensethisch nicht vertretbar“ und als Grundlage einer Unternehmensphilosophie ungeeignet sei. Es gelte, „die legitimen Ansprüche aller Stakeholder in fairer, ausgewogener Weise zu berücksichtigen“, also neben den Aktionären auch „die Mitarbeiter, die Lieferanten, Kunden sowie das gesamte gesellschaftliche Umfeld“.[3] Diese Kritik führte zur Entwicklung alternativer Konzepte wie der Balanced Scorecard.
Literatur
- Rappaport, Alfred: Shareholder Value. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart 1999, ISBN 3791013742
- Koslowski, Peter (Hrsg.):Shareholder Value und die Kriterien des Unternehmenserfolgs, Heidelberg (Physica-Verlag) 1999.
- Wellner, Kai-Uwe: Shareholder Value und seine Weiterentwicklung zum Market Adapted Shareholder Value Approach. Entwicklungslinien, Probleme und Lösungsansätze einer Shareholder Value orientierten Unternehmensführung, Tectum Verlag 2001, ISBN 3-8288-8281-1
- Grötker, Ralf: Das neue Spiel. Die Sache mit dem Shareholder Value: Wo er herkommt. Und wo er hinführt. In: brand eins, 3/8/2006. S. 73-79, Hamburg 2006, ISSN 1438-9339
- Rauschenberger, Reto: Nachhaltiger Shareholder Value. Paul Haupt Verlag, Zürich 2002, ISBN 3-258-06445-8
- Figge, F. & Hahn, T.: Environmental Shareholder Value Matrix. Konzeption, Anwendung und Berechnung. Lüneburg: Centre for Sustainability Management, 2002 CSM Lüneburg (PDF; 224 kB)
Weblinks
- manager-magazin.de - Fredmund Malik: Kritik zu öffentlichen Diskussion über den Shareholder Value
- manager-magazin.de - Fredmund Malik: Kritik am Konzept des Shareholder Values
- brandeins.de - Grötker, Ralf: Das neue Spiel. Die Sache mit dem Shareholder Value: Wo er herkommt. Und wo er hinführt.
Einzelnachweise
Heinz-J. Bontrup: Lohn und Gewinn: Volks- und betriebswirtschaftliche Grundzüge, München, Oldenbourg, 2. Aufl., 2008, S. 72.
Siehe hierzu Coenenberg/Salfeld (2003), Wertorientierte Unternehmensführung. Vom Strategieentwurf zur Implementierung, Schäffer-Poeschel; Gleißner (2004), Future Value – 12 Module für eine strategische wertorientierte Unternehmensführung, Gabler Verlag; sowie Töpfer (2000), Das Management der Werttreiber, Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Unternehmen dürfen keine Gewinnmaximierung betreiben“ – Interview von DAS INVESTMENT.COM, 13. Juli 2009