Sozialer Wandel & Arbeiterbewegung in Katalonien (19. Jh.)

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Herausforderungen im 19. Jahrhundert

Hindernisse für den Wandel waren unter anderem das Bevölkerungswachstum, notwendige Änderungen in der landwirtschaftlichen Produktion (wie der Einsatz von Dünger und die Desamortisation), die technologische Revolution in Katalonien, Rohstoffmangel, Protektionismus sowie die Risikobereitschaft der katalanischen Bourgeoisie und die soziale Nachfrage.

Neue Gesellschaftsordnung

Der Adel verlor an Bedeutung, während das Bürgertum aufstieg. Städte wurden zu wichtigen Lebensräumen, waren aber oft nicht auf den starken Zuzug und die notwendigen städtebaulichen Anpassungen vorbereitet. Es entstand eine klare Trennung zwischen Besitzenden und Besitzlosen.

Soziale Schichten

  • Besitzende:
    • Adel: Familien mit Landbesitz in ganz Spanien und einflussreiche Kreise (Kamarilla), agrarisch und herrschaftlich geprägt.
    • Bürgertum: In ganz Katalonien vertreten; strebte nach höherem sozialen Status und wirtschaftlicher Macht.
  • Mittelschicht: Verfolgte ähnliche Interessen wie die Besitzenden; umfasste kleine Landbesitzer oder Unternehmer.
  • Unterschichten (Volksklassen):
    • Stadtbewohner: Hausangestellte, Handwerker (oft in Zünften organisiert, politisch eher anti-liberal, ohne nennenswerten Reichtum).
    • Bauern: Pächter (ca. 62%), Teilpächter (Parcero, Rabassaires, ca. 50% der Ernte abgebend), Landarbeiter.
    • Proletariat: Industriearbeiter, oft nur als Tagelöhner (jornalers) überlebend, unter harten Lebensbedingungen (teilweise extrem niedrige Lebenserwartung).

Die Arbeiterbewegung

Frühe Proteste und Organisation

Erste Proteste von Arbeitern richteten sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen, zum Beispiel durch Maschinenstürmerei (Luddismus) oder soziales Banditentum. Ab etwa 1830 radikalisierte sich die Bewegung, da viele Bauern Pachtverträge und Einkommen verloren, was zur Entwicklung eines Klassenbewusstseins führte. Erste organisierte Arbeiterdemonstrationen fanden statt, wie der Luddismus ab 1830 und die symbolträchtige Verbrennung der Bonaplata-Fabrik in Barcelona im Jahr 1836. Zunehmend wurde erkannt, dass das Kernproblem nicht die Maschinen selbst, sondern die ungerechte Verteilung der Gewinne war. Arbeitskämpfe begannen, die Produktion zu beeinflussen.

Im Jahr 1840 wurde die Gesellschaft der Weber von Barcelona (Sociedad de Mutua Protección de Tejedores de Algodón de Barcelona) als einer der ersten gegenseitigen Hilfsvereine gegründet.

Wichtige Streiks (1854-1855)

Streiks fanden vor allem in politisch progressiven Phasen statt. 1854 kam es zum ersten bedeutenden Streik, dem sogenannten "selfactinas"-Streik, der sich gegen die Einführung neuer mechanischer Webstühle richtete. Die Regionalregierung unterstützte jedoch die Einführung der Maschinen, was zur Bildung eines paritätischen Ausschusses (Comité Paritario) führte. Die Arbeitgeber, beunruhigt durch die wachsende Organisierung, forderten Hilfe von der Zentralregierung. Diese reagierte mit dem Verbot von Arbeitervereinigungen, der Auflösung von Bündnissen und der Durchsetzung uneingeschränkter Vertragsfreiheit, was die Position der Arbeitgeber stärkte. Diese Repression führte 1855 zum ersten Generalstreik in Spanien.

Utopismus und Republikanismus

In Katalonien gab es Einflüsse des utopischen Sozialismus, verbreitet zum Beispiel durch die Zeitschrift "El Vapor" (ab 1835). Nach der Revolution von 1868 ("La Gloriosa") unterstützten viele Gewerkschaften die Idee einer Föderalen Republik, da sie sich davon Vorteile für die Arbeiter versprachen. Nach dem Scheitern der Ersten Republik (1873-1874) wandte sich ein großer Teil des Proletariats jedoch enttäuscht von der etablierten Politik ab.

Internationalismus (1868-1874)

Einfluss der Ersten Internationale

Nachdem Arbeitervereinigungen 1857 verboten worden waren, konnten sie nach der Revolution von 1868 wieder legal agieren. Versuche, Vereinbarungen mit Arbeitgebern zu treffen, scheiterten jedoch oft. Dies führte unter anderem zum Streik der "Drei Dampfklassen" (Tres Classes de Vapor), einer einflussreichen Gewerkschaft der Textilindustrie.

Im Zuge der Gründung der Ersten Internationalen Arbeiterassoziation (AIT) 1864 in London kamen durch Gesandte wie Giuseppe Fanelli (ein Anhänger Bakunins) und Paul Lafargue (Marx' Schwiegersohn) anarchistische und sozialistische Ideen nach Spanien. Dies motivierte die Gründung von Sektionen der AIT in Barcelona und Madrid. Die Zeitung "La Federación" (ab 1869) verbreitete vor allem bakunistische Ideen, die in Spanien, besonders in Katalonien und Andalusien, auf fruchtbaren Boden fielen.

Bakunismus und Repression

1870 wurde die Spanische Regionale Föderation der AIT (FRE-AIT) gegründet, der sich auch zahlreiche Arbeitervereine aus Katalonien anschlossen. Der anarchistische Bakunismus erreichte seinen Höhepunkt während der kurzen Ersten Republik (1873-1874), als aufständische Gruppen (Kantonalismus) eine soziale Revolution anstrebten. Mit der Restauration der Monarchie 1874 wurde die FRE-AIT jedoch für illegal erklärt und in den Untergrund gedrängt.

Die angebliche Geheimgesellschaft "Mano Negra" (Schwarze Hand) in Andalusien wurde 1883 von der Regierung als Vorwand genutzt, um eine Welle der Repression gegen Anarchisten auszulösen. Innerhalb des Anarchismus entwickelten sich unterschiedliche Strömungen: einerseits Anhänger Bakunins, die den gewerkschaftlichen Kampf betonten, andererseits Anarchokommunisten und spätere Anarchosyndikalisten (beeinflusst von Kropotkin), die stärker auf direkte Aktionen setzten.

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