Sozialer Wandel & Modernisierung: Theorien und historische Beispiele

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Max Webers Theorie: Rationalisierung & Herrschaft

Max Webers theoretisches Korpus bricht mit deterministischen Vorstellungen. Seine umfassendere Entwicklung nähert sich einerseits der linearen Sicht der Evolution an, die die Verlagerung von traditionellen zu modernen Gesellschaften als Ergebnis eines wachsenden Rationalisierungsprozesses sieht, der Kongruenz und interne Konsistenz erhöht. Dieser Prozess zeigt sich in Veränderungen der Eigentumsformen, der Mechanisierung der Arbeit, der Natur der Belegschaft sowie in Markt und Recht, die zunehmend einen rationalen Charakter annehmen. Weber hingegen geht von einer zyklischen Sicht der Entwicklung aus und untersucht die Machtstrukturen, um die Dynamik des Funktionierens der Gesellschaft zu verstehen. Die Machtausübung erfolgt über Herrschaft, die als die Wahrscheinlichkeit definiert wird, Gehorsam innerhalb einer bestimmten Gruppe gegenüber bestimmten Mandaten zu finden. Webers Einfluss auf zeitgenössische Entwicklungstheorien ist extrem wichtig, da er in seiner Analyse kulturelle Elemente einführt, die tatsächlich zu einer Erklärung wirtschaftlicher, politischer und sozialer Entwicklung beitragen können. Webers Überlegungen zeigen gleichzeitig, dass wirtschaftliche Entwicklung ein Phänomen ist, das nicht allein durch die Analyse rein ökonomischer Faktoren verstanden werden kann, sondern vielmehr tief in der Entwicklung einer Kultur, beeinflussenden Institutionen und dem System sozialer Werte verwurzelt ist.

Talcott Parsons: Strukturell-Funktionalistische Theorie

Die 1940er und 1950er Jahre bildeten den Höhepunkt der strukturell-funktionalistischen Theorie. Durch seine theoretische Grundlage legitimierten die Vereinigten Staaten ihre globale Macht, indem sie die Vorstellung verbreiteten, dass sozialer Wandel nicht auf Umsturz abzielt, sondern dass jeder normative Standard zur Erhaltung und zum Überleben des Systems beiträgt und somit ihre Weltherrschaft festigt. Parsons bietet eine funktionale Theorie des sozialen Wandels in sozialen Systemen an, die der organischen Analogie folgt und das, was er ein Paradigma des evolutionären Wandels nannte, entwirft. Bei der Formulierung seiner großen sozialen Theorie stützt er sich auf die Beiträge von Durkheim, Weber und Pareto, wobei Marx wenig Beachtung geschenkt wurde, was dazu führte, dass die marxistische Theorie weiterhin von der dominierenden soziologischen Analyse ausgeschlossen blieb. Ritz, G (1997). Ein System ist eine Struktur, die Teile oder stabile Eigenschaften besitzt. Sein Schwerpunkt lag auf Veränderungen, die dem Wachstum eines Organismus ähneln. Basierend auf Durkheims Konzept der dynamischen Dichte, geht Parsons davon aus, dass Veränderungen auftreten, wenn die Bevölkerung innerhalb eines sozialen Systems wächst. Für Parsons ist die wichtigste Balance oder Neujustierung des sozialen Systems die soziale Kontrolle, d.h. die Gesamtheit der Prozesse, durch die eine Gesellschaft ihre Kontrolle über Individuen ausübt und ihren Zusammenhalt pflegt. Das Gegenteil von sozialer Kontrolle ist die Devianz, also die Übertretung von Gruppennormen.

Parsons geht davon aus, dass jede Gesellschaft aus einer Reihe von Subsystemen besteht, die sich hinsichtlich ihrer Struktur und ihrer funktionellen Bedeutung für den Rest der Gesellschaft unterscheiden. Während sich die Gesellschaft entwickelt, entstehen neue Subsysteme, die anpassungsfähiger als die früheren sein müssen. Dies deutet darauf hin, dass die Entwicklung der Gesellschaft ihre Fähigkeit zur Problemlösung erhöht.

Walt Rostows Stufen des Wirtschaftswachstums

Die wohl prägnanteste Darstellung der bipolaren westlichen Modernisierung findet sich im zentralen Werk des amerikanischen Autors Walt Rostow, dessen Titel sehr bedeutsam ist: *Die Stadien wirtschaftlichen Wachstums: Ein nicht-kommunistisches Manifest*. Er definiert alle vorkapitalistischen und traditionellen Gesellschaften. Modernisierung war für ihn der Mechanismus zur Konvergenz rückständiger Länder mit hochentwickelter Technologie. Die Technologien der Industriegesellschaften verstärken bestimmte Formen der sozialen Organisation, politische und kulturelle Muster, Verhaltensweisen und sogar alltägliche Überzeugungen und Haltungen. Die Annahme ist, dass Technologie ihre eigene Betriebslogik hat, angetrieben durch die Abfolge von Entdeckungen und Innovationen. Die Dominanz der modernen Technik führt zum Syndrom der Moderne, in dem Unternehmen dazu neigen, sich zu standardisieren und lokale Unterschiede zu beseitigen. Rostows Entwicklungsvision ist in erster Linie mit dem Wirtschaftswachstum identifiziert, ohne das eine Modernisierung nicht möglich ist. Das Problem der Entwicklung wurde somit zu einem idealen Modell wirtschaftlichen Handelns. Soziale und damit zusammenhängende Maßnahmen würden in jenen Ländern stattfinden, wo die Bedingungen ideal für den „Take-off“ waren.

Der Marshallplan: Europas Wiederaufbau nach 1945

Das Programm zum Wiederaufbau Europas, bekannt als Marshallplan, wurde vom damaligen US-Außenminister George Marshall in einer Rede an der Harvard University am 5. Juni 1947 vorgestellt. Angesichts der Not in Europa und der finanziellen Unmöglichkeit, amerikanische Produkte zu kaufen, verlangte dieser Plan eine vorherige Koordinierung der europäischen Länder bei der Umsetzung. Im Juni/Juli 1947 fand dazu eine Konferenz in Paris statt, an der nach langem Zögern auch die UdSSR teilnahm. Moskau lehnte das Angebot jedoch ab und zwang bald seine Satellitenstaaten, diesem Beispiel zu folgen, indem es behauptete, der Plan sei ein Werkzeug des Imperialismus und der amerikanischen Hegemonie. Es wird geschätzt, dass der Plan zwischen 1947 und 1952 eine Gesamtunterstützung von 13 Milliarden US-Dollar umfasste. Der Erfolg des Plans war wesentlich für die wirtschaftliche Erholung und die Schaffung demokratischer Regime in Westeuropa. Franco-Spanien, das die Voraussetzung der Demokratie nicht erfüllte, wurde vom Plan ausgeschlossen, was die langsame Erholung des Landes nach dem Bürgerkrieg noch erschwerte.

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