Spaniens Restauration: Politik, Krise & Diktatur
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Das politische System der Restauration
Das politische System der Restauration basierte auf zwei Säulen: der Verfassung von 1876 und dem Turnismo, dem systematischen Machtwechsel zwischen den beiden großen Parteien:
- Konservative Partei: Angeführt von Antonio Cánovas del Castillo, Erbe der Gemäßigten.
- Liberale Partei: Unter der Leitung von Práxedes Mateo Sagasta, Erbe der Fortschrittspartei.
Die Verfassung von 1876
Diese Verfassung war gemäßigt, aber flexibel genug, um beiden Parteien das Regieren ohne Änderungen zu ermöglichen. Ihre Hauptmerkmale waren:
- Eine umfassende Erklärung der Rechte, die je nach Regierungspartei erweitert oder eingeschränkt werden konnten.
- Geteilte Souveränität zwischen dem König und den Cortes (Parlament).
- Ein Wahlrecht, das von der jeweils regierenden Partei bestimmt wurde.
Der Turnismo: Gelenkter Machtwechsel
Der Turnismo basierte auf dem friedlichen Wechsel der Parteien an der Macht. Wenn eine Regierung abgenutzt war, beauftragte der König den Oppositionsführer mit der Bildung einer neuen Regierung. Diese rief dann Wahlen aus und manipulierte sie, um zu gewinnen. Dies geschah durch Wahlbetrug (span. pucherazo) und durch den Druck, den die sogenannten Caciques (einflussreiche Personen mit großer sozialer und wirtschaftlicher Macht auf lokaler Ebene) auf die Wähler ausübten.
Probleme des Restaurationssystems
Das System sah sich mit zahlreichen Problemen konfrontiert:
Politische Opposition
Die Opposition bestand aus den Parteien, die vom Turnismo ausgeschlossen waren: Karlisten, Demokraten und Republikaner.
Aufkommen des Regionalismus
Als Reaktion auf die zentralistische Politik der Regierung entstanden regionale Bewegungen:
- Katalonien: Forderte Autonomie, die Anerkennung des Katalanischen als Amtssprache sowie eigene Parteien und Gerichte (Grundlagen von Manresa, 1892).
- Baskenland: Konzentrierte sich auf die Verteidigung seiner Sonderrechte (Fueros) und Traditionen.
- Andalusien und Galicien: Suchten vor allem Lösungen für ihre wirtschaftlichen und sozialen Probleme.
Die wachsende Arbeiterbewegung
Der Aufstieg der Arbeiterbewegung spiegelte die Verbreitung des Sozialismus mit der Gründung der PSOE (1879) und der UGT (1888) sowie des Anarchismus mit der Gründung der FTRE (1881) wider.
Die Katastrophe von 1898
Diese bestand im Verlust der letzten spanischen Kolonien: Kuba, die Philippinen und Puerto Rico.
Die Krise des Systems (1902-1923)
Zwischen 1902 und 1917 wurde der Turnismo unter zwei neuen Führern fortgesetzt: Antonio Maura (Konservative) und José Canalejas (Liberale). Beide verfolgten eine Politik des „Regeneracionismo“, die vergeblich versuchte, die Vetternwirtschaft (Caciquismo) zu beenden und soziale Verbesserungen einzuführen.
Die Tragische Woche von Barcelona (1909)
Dieses Ereignis war das bedeutendste innenpolitische Problem der Zeit. Ausgelöst wurde es durch die Einberufung von Reservisten – meist Familienväter – für den Krieg in Marokko. Der daraus resultierende Aufstand wurde von der konservativen Regierung hart unterdrückt, was zum Bruch des Paktes mit den Liberalen und zum Rücktritt von Premierminister Maura führte.
Die Diktatur von Primo de Rivera (1923-1930)
Erste Phase: Das Militärdirektorium (1923-1925)
Die Regierung lag in den Händen eines Militärdirektoriums. Dieses setzte die Verfassung von 1876 aus, löste die Cortes auf, verbot politische Parteien, unterdrückte die Arbeiterbewegung sowie den Nationalismus und besiegte die Aufständischen in Marokko nach der Landung bei Alhucemas (1925).
Zweite Phase: Das Zivildirektorium (1925-1930)
Primo de Rivera bildete ein ziviles Direktorium. In dieser Zeit wurden öffentliche Arbeiten (Straßen, Eisenbahnen) sowie die Landwirtschaft und Industrie gefördert. Angesichts der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise von 1929, steigender Arbeitslosigkeit und wachsender Opposition von Arbeitern, Nationalisten und Intellektuellen trat Primo de Rivera 1930 zurück. Der anschließende Versuch, zum parlamentarischen System zurückzukehren, scheiterte. Das Ansehen der Monarchie war durch die Unterstützung der Diktatur so beschädigt, dass die Republikaner die Wahlen von 1931 gewannen und König Alfons XIII. das Land verließ.