Die Spanische Erzählung 1936–1970: Realismus und Erneuerung
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Spanische Erzählliteratur nach 1936: Überblick
Panorama 1936 bis 1970er Jahre
Von den Kriegsjahren bis in die Siebzigerjahre hinein war der vorherrschende Trend der Realismus. Während des Bürgerkriegs war die Literatur kämpferisch, gekennzeichnet durch eine Haltung, die auf die Übertragung von Ideen und den Angriff auf die Gegenseite abzielte.
Die Erzählung der Vierziger Jahre (1940er)
Es dominierte der traditionelle Realismus, der die harte Realität und brutale Situationen darstellte. In den besten Romanen trat der existenzielle Realismus auf, der eine Person im Kampf mit ihrem Schicksal schildert (z. B. *Der Bienenstock*).
Traditioneller Realismus
Die narrativen Techniken waren auf den Realismus abgestimmt. Wichtige Vertreter sind Juan Antonio Zunzunegui und Ignacio Agustí. Die Romane dieser Zeit bieten eine starke Vision der spanischen Realität, geprägt von Gewalt und Isolation.
Camilo José Cela: Die Familie von Pascual Duarte
Camilo José Cela verbindet hier Elemente des Schelmenromans. Das Werk präsentiert die Autobiografie eines zum Tode Verurteilten, der um Vergebung bittet. Es enthält zwei Briefe, die Informationen zu seiner Hinrichtung liefern. Pascual Duarte reflektiert ausgewählte Momente seines Lebens, die er für wichtig hält, um sein Verhalten zu rechtfertigen. Themen sind die ländliche Umgebung und Gewalt.
Camilo José Cela: Der Bienenstock (La Colmena)
Der Bienenstock (*La Colmena*) hat Zeugnischarakter und markiert eine Erneuerung der Erzählweise. Es beschreibt das Leben eines kollektiven Charakters, geprägt von Elend. Das Werk wird vom Dialog dominiert und die erzählte Zeit ist auf drei Tage reduziert. Die Dialoge reproduzieren die Umgangssprache Madrids, was die Charaktere kennzeichnet. Es ist in sechs Kapitel unterteilt, die keiner chronologischen Reihenfolge folgen. Zentrale Themen sind Armut und Geschlechterprobleme.
Carmen Laforet: Nichts (Nada)
Nichts (*Nada*) von Carmen Laforet zeichnet sich durch einen realistischen und einfachen Stil aus. Es erzählt den Lernprozess von Andrea, die von der Situation ihrer Familie, der Armut und den Folgen des Krieges betroffen ist. Die Geschichte wird aus der Perspektive der Protagonistin erzählt und spielt innerhalb eines Jahres in einem Haus voller Konflikte und Gewalt. Am Ende verlässt Andrea Madrid, ohne zu wissen, dass sie sich nach dem sehnte, was sie als Nichts empfand.
Die Erzählung des Exils (1940er Jahre)
Der Krieg führte zur Verbannung zahlreicher Autoren, die ihre Arbeit außerhalb Spaniens fortsetzten, wobei Spanien oft das zentrale Thema blieb. Viele integrierten neue Realitäten und symbolische Ansätze.
Ramón J. Sender
Sender thematisierte die gesellschaftliche Resignation vor dem Krieg (z. B. in *Siete domingos rojos*). Später schrieb er über viele verschiedene Themen. Ein berühmtes Werk ist Requiem für einen spanischen Bauern (*Réquiem por un campesino español*), das das Leben und die Hinrichtung eines jungen Aragoniers erzählt, der für seine Ideale kämpfte.
Max Aub
Aub zeichnet sich durch ein umfangreiches Werk aus, das Romane und Kurzgeschichten umfasst. Besonders beachtet wird seine Serie über den Bürgerkrieg und seine Folgen, wie *Campo de los almendros*. Seine Werke besitzen einen großen ethischen und sprachlichen Reichtum.
Francisco Ayala
Ayala zeichnet sich durch einen reflektierenden Ton sowie eine kritische und satirische Sicht auf die Menschheit aus. Hervorzuheben sind seine Geschichtensammlungen und sein Roman *Der Tod des Hundes* (*Muertes de perro*), in dem er die Diktatur kritisiert.
Die Erzählung der Fünfziger Jahre (1950er)
Der Kritische Realismus herrschte vor und spiegelte die Realität der damaligen Zeit wider. Es gab drei Haupttrends:
- Traditioneller Realismus: z. B. *Los gozos y las sombras* von Gonzalo Torrente Ballester.
- Fantasy-Roman: z. B. Álvaro Cunqueiro.
- Metaphysischer Roman: Entwickelte sich stark in den folgenden Jahrzehnten.
Kritischer Realismus
Es gab einen Boom in der spanischen Erzählung, gekennzeichnet durch die Absicht, die Realität der Zeit formal widerzuspiegeln und Zeugnis von der Situation des Landes abzulegen.
Merkmale und Techniken des Kritischen Realismus:
- Objektivistische Technik: Eliminierung des Erzählers; der Dialog kennzeichnet die Charaktere.
- Reduktion der Handlung: Begrenzte Zeit und Raum.
- Kollektive Protagonisten: Arbeiterklasse (die Guten) und Bourgeoisie (die Schlechten).
- Fragmentarische Struktur: Gebildet durch narrative Sequenzen.
- Stil: Einfach, Verwendung von Umgangssprache (Coloquialismen).
Themen:
Schwierigkeiten der Zeit, soziale Realität, harte Arbeitsbedingungen, Willkür, Armut, Egoismus.
Trends innerhalb des Realismus:
- Neorealismus: Diffuse Kritik, Fokus auf Sozialethik.
- Sozialroman: Ideologischer und kritischer Fokus zur Aufdeckung von Ungerechtigkeit.
Die Erzählung der Sechziger Jahre (1960er)
Diese Dekade brachte eine kulturelle und sprachliche Erneuerung. Es gab einen Anstieg des Experimentalismus, der Elemente der Fantasie und Parodie enthielt. Luis Martín Santos leitete eine Phase der formalen Erneuerung der Erzählung ein, mit dem Ziel, ein breiteres Publikum zu erreichen.
Formale Aspekte und Techniken
Es gab einen starken Einfluss ausländischer Fiktion und tiefgreifende Veränderungen in Struktur und Techniken:
- Durchbrechen der chronologischen Zeit: Verwendung von Rückblenden (Flashbacks) etc.
- Perspektive: Einführung der zweiten Person für selbstreflexive Analysen.
- Verwendung des inneren Monologs und des Bewusstseinsstroms.
- Besondere Verwendung von sprachlichem Reichtum.
- Expressive Sprache: Schaffung neuer Bezüge und die Verwendung verschiedener Sprachebenen.
Luis Martín Santos: Zeit der Stille (Tiempo de silencio)
Das Werk spielt in Madrid in den Vierzigerjahren. Die Handlung ist melodramatisch: Ein Arzt kann das Leben einer jungen Frau, die sich für eine Abtreibung entschieden hat, nicht retten. Er wird verhaftet, entkommt aus dem Gefängnis und wird von der Arbeit entlassen. Er tötet seine Freundin aus Rache. Das Werk zeichnet sich durch medizinische Sprache und neue Techniken aus. Es ist der Beschreibung der spanischen Realität und einer Reflexion über Themen wie Armut und Ungleichheit gewidmet. Die Neuheit liegt in den formalen Merkmalen, wie dem subjektiven Einsatz rhetorischer Mittel durch einen allwissenden Erzähler.
Juan Goytisolo
Zeichen der Identität (*Señas de identidad*) und die nachfolgenden Werke zeigen eine thematische Veränderung und die Kultur der experimentellen Erzählung. Der Protagonist von *Señas de identidad* fühlt sich weder zu Hause noch im Ausland wohl, was ihn dazu bringt, über die Geschichte Spaniens zu reflektieren.
Miguel Delibes
Delibes' umfangreiches Werk zeigt eine kontinuierliche Entwicklung vom traditionellen zum kritischen Realismus und gipfelt in technischer Erneuerung, sichtbar in Fünf Stunden mit Mario (*Cinco horas con Mario*). In diesem Werk hält die Protagonistin einen inneren Monolog, während sie in der Nacht über dem Leichnam ihres Mannes Mario wacht. Weitere Werke, wie *Das Gleichnis vom Schiffbrüchigen* (*Parábola del náufrago*), integrieren neue Trends.
Juan Marsé
Seine frühen Romane sind realistisch und behandeln die Jugendproblematik. Später Nachmittag mit Teresa (*Últimas tardes con Teresa*) ist Teil des Erneuerungstrends und schildert die Beziehung zwischen einer bürgerlichen Frau und einem armen jungen Straftäter, wobei der Liberalismus kritisiert wird. Später kehrte der Autor zu einem realistischeren Stil zurück, um wichtigere Fragen zu behandeln.