Die Spanische Literatur des 15. Jahrhunderts: Humanismus und Wandel
Eingeordnet in Musik
Geschrieben am in
Deutsch mit einer Größe von 7,1 KB
Historischer und Kultureller Kontext
Das 15. Jahrhundert markiert in Spanien den Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit. Die Herrschaft der Katholischen Könige führte zur territorialen Einheit und zur Konsolidierung eines modernen Staates.
Soziale Entwicklungen
- Konsolidierung der Bourgeoisie: Die aufstrebende Bürgerschicht gewann an Einfluss, existierte aber weiterhin neben der traditionellen mittelalterlichen Ständegesellschaft (Klerus, Adel, gemeines Volk).
- Erfindung des Buchdrucks: Die Druckerpresse revolutionierte die Verbreitung von Texten und machte Literatur einem größeren Publikum zugänglich.
Kulturelle Entwicklungen: Der Humanismus
Der Humanismus, eine kulturelle Bewegung, die das Studium der Geschichte, Grammatik und Literatur der griechischen und lateinischen Klassiker förderte, erreichte Spanien. Dies führte zu einem neuen Menschenbild:
- Der Mensch (Anthropozentrismus) wird zum Mittelpunkt des Universums.
- Die Erfindung des Buchdrucks erleichterte die Verbreitung des humanistischen Ideals.
Literarische Tradition und Erneuerung
Die Literatur dieser Epoche kombiniert Themen, Formen und Genres des Mittelalters mit humanistischen Einflüssen.
Trends und Einflüsse
Die Kombination von Mittelalter und Humanismus führte zu einem mediavalisierenden Trend, der sich in folgenden Merkmalen zeigte:
- Vorliebe für ritterliche Themen und Allegorien.
- Einfluss der provenzalischen Lyrik.
- Bewertung des Ruhms und Bewunderung für den höfischen Stil.
Es gab eine starke Strömung gelehrter Poesie, beeinflusst von Dantes Göttlicher Komödie, die parallel zur Entwicklung der Volksdichtung (Balladen) existierte. Als bedeutendster Autor der humanistischen Bewegung in der spanischen Literatur des 15. Jahrhunderts gilt Petrarca.
Die Gebildete Lyrik (Cancionero-Dichtung)
Der Stil der Poesie im 15. Jahrhundert ist konzeptuell und behandelt verschiedene Themen wie Liebe, Satire und Moral. Diese Dichtung wird auch als Cancionero-Dichtung bezeichnet, da sie in den Liederbüchern (*Cancioneros*) der Zeit gesammelt wurde.
Merkmale der Cancionero-Dichtung
- Liebeslyrik: Orientiert sich an der mittelalterlichen höfischen Liebe und der Tradition der provenzalischen Troubadoure.
- Moralische Lyrik: Folgt dem italienisch-allegorischen Vorbild Dantes.
Der Marquis von Santillana wird heute besonders für seine Kompositionen geschätzt, die traditionelle Poesie wie die Serranillas imitieren.
Jorge Manrique: Die Coplas
Biografie und Bedeutung
Jorge Manrique (1440–1479) war ein bedeutender Dichter, der in seinen Liebesgedichten die Künstlichkeit des Genres beherrschte. Er ist jedoch vor allem für sein berühmtes Gedicht „Coplas por la muerte de su padre“ (Verse über den Tod seines Vaters) bekannt.
Manrique entstammte einer der großen kastilischen Adelsfamilien und starb im Alter von 39 Jahren im Krieg. Er war einer der letzten Vertreter der Krieger-Aristokratie, der mittelalterliche Ideale mit dem humanistischen Ideal des gebildeten Mannes verband.
Analyse der „Coplas“
Die „Coplas“ sind eine Elegie, die den Schmerz des Dichters ausdrückt und die Vergänglichkeit des Lebens thematisiert.
Metrische Struktur
Jedes der 40 Lieder besteht aus 12 Versen (achtsilbige und viersilbige Verse), kombiniert in einer Coplas de pie quebrado (gebrochener Versfuß). Jede Strophe bildet eine Sechszeiler-Einheit, bestehend aus zwei Dreiergruppen (acht Silben + acht Silben + vier Silben), mit dem Reimschema abc, abc.
Themen und Gliederung
Das Werk ist in drei Teile gegliedert:
- Reflexion über die Vergänglichkeit des Lebens (*Ubi sunt*-Motiv) und die Allgegenwart des Todes.
- Emotionale und nostalgische Beschwörung der Vergangenheit.
- Individualisierung der Figur des Vaters (Don Rodrigo Manrique) und Verkörperung ritterlicher und christlicher Tugenden.
Stil
Der Stil der „Coplas“ ist einfach, tiefgründig und antirhetorisch. Die Sprache zeichnet sich durch eine Natürlichkeit aus, die im Kontrast zur Ernsthaftigkeit des Themas steht. Das Werk vereint die Sensibilität des späten Mittelalters mit humanistischen Idealen.
Die Balladen (Romances)
Die Balladen (*Romances*) gewannen Ende des 15. Jahrhunderts an Ansehen, beeinflusst durch den Humanismus und die Wertschätzung der Volkstradition. Gelehrte Dichter und Höflinge interessierten sich für diese mündlich überlieferten Lieder, die in Liederbüchern der Musik gesammelt und an den Höfen gesungen wurden.
Typen von Romances
- Alte Romances (*Romances viejos*): Anonym, mündliche Überlieferung, behandeln oft epische Themen.
- Neue Romances (*Romances nuevos*): Bekannter Autor, schriftlich fixiert.
Merkmale der Romances
Die Romances sind lyrisch-narrative Kompositionen, die zum Gesang geschaffen wurden:
- Metrik: Achtsilbige Verse (Octosílabos).
- Reim: Assonanz (Gleichklang) in den geraden Zeilen; die ungeraden Zeilen sind reimlos (8-, 8a, 8-, 8a).
- Stil: Kombination lyrischer und epischer Elemente.
- Fragmentarisch: Oft kurze Geschichten, die aus dem Kontext isoliert sind, ohne lange Einführungen direkt zum Wesentlichen kommen und ein jähes Ende haben.
- Ton: Einfach, stark, beweglich in der Erzählung, emotional, oft geheimnisvoll und dramatisch.
Themen der Romances
Die Balladen lassen sich thematisch unterteilen:
- Epische Themen: Beziehen sich auf Charaktere aus Epen (z. B. Roland, El Cid).
- Historische oder Aktuelle Themen (*Noticieros*): Behandeln die jüngere Vergangenheit und hatten oft eine Propaganda-Funktion.
- Lyrische und Romantische Themen: Sehr kurze, emotionale Romances über Liebe, Tod oder Einsamkeit. Hier tauchen manchmal auch Figuren europäischer Epen auf (z. B. König Artus, Karl der Große).
Prosa und Theater im 15. Jahrhundert
Die Prosa
Die kastilische Prosa entwickelte sich entlang zweier Hauptmodelle:
- Der Idealistische Roman: Stellt eine verschönte Wirklichkeit dar und distanziert sich vom Realismus. Wichtige Autoren sind Rodríguez del Padrón und Diego de San Pedro.
- Die Satire: Vertreten durch Werke wie El Corbacho von Alfonso Martínez de Toledo, die sich kritisch mit christlichen Moralvorstellungen auseinandersetzt.
Das Theater
Das Theater des 15. Jahrhunderts zeigte erste Entwicklungen:
- Lucas Fernández: Fokus auf religiöses Drama.
- Juan del Encina: Wegbereiter des Renaissance-Theaters.