Spanische Literatur: Balladen & La Celestina
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Die Ballade: Definition und Arten
Die Ballade (spanisch: romance) bezeichnet eine breite Palette von Dichtungen, darunter Romanzen, epische Gedichte sowie lyrische oder episch-lyrische Kompositionen. Charakteristisch ist eine unbestimmte Anzahl achtsilbiger Verse, die paarweise durch Assonanz reimen.
Traditionelle Formen und Themen wurden vom Volk gesammelt und über Generationen mündlich vom Vater an den Sohn weitergegeben.
Arten von Balladen
- Alte Balladen (Romancero viejo): Anonymen Ursprungs, von unbekannter Quelle bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts.
- Neue Balladen (Romancero nuevo): Texte, die ab Mitte des 16. Jahrhunderts von bekannten Autoren in Anlehnung an die alten Balladen verfasst wurden.
Herkunft und Überlieferung der Ballade
Traditionelle Theorie
Diese Theorie besagt, dass Balladen aus längeren epischen Gedichten (cantares de gesta) hervorgegangen sind. Spielleute trugen dem Publikum die beliebtesten Abschnitte dieser Epen vor, indem sie den Gesang isolierten. Romanzenteile entstanden auch durch die Aufteilung langer epischer Verse in zwei kürzere Achtsilber.
Individualistische Theorie
Diese Theorie argumentiert, dass Romanzen, wie andere Gedichte auch, von einzelnen (oft anonymen) Autoren verfasst wurden und nicht notwendigerweise aus Epenfragmenten entstanden sind.
Thematische Zyklen der Balladen
- Nationale epische Themen: Abgeleitet von den spanischen Heldenepen (cantares de gesta).
- Karolingischer Zyklus: Inspiriert von Rittermythen und den Erzählungen um Karl den Großen und seine Paladine (aus den französischen Chansons de Geste).
- Grenzromanzen (Romances fronterizos): Erzählen von Ereignissen und Scharmützeln an der Grenze zwischen den christlichen Königreichen und dem maurischen Granada.
- Biblische und antike Themen: Inspiriert von Geschichten aus der Bibel und der klassischen Antike.
- Lyrisch-novellistische Themen (Romances novelescos y líricos): Erfundene Themen, die oft romantische und gefühlsbetonte Elemente verschmelzen und eine hohe lyrische Ausdruckskraft besitzen.
Stilmerkmale der Romanzen
- Einheitliche metrische Form: Achtsilbige Verse mit Assonanzreim in den geraden Zeilen.
- Tendenz zur Verdichtung und Fragmentierung: Im Laufe der mündlichen Überlieferung wurde Überflüssiges oft entfernt, was zu einer konzentrierten, manchmal rätselhaften Erzählweise führte. Dieser Selektionsprozess machte die Romanzen oft kürzer und poetischer.
- Häufige Verwendung von Archaismen: Sprachliche Formen, die zur Zeit der Abfassung bereits veraltet waren.
- Dramatische Erzählweise: Einsatz von Dialogen, Präsens historicum.
- Wiederholungen, Antithesen und Aufzählungen: Typische rhetorische Mittel.
- Oft fehlende moralisierende Absicht: Im Gegensatz zu anderer didaktischer Literatur des Mittelalters.
La Celestina: Realismus und Charaktere
Das Werk La Celestina (ursprünglicher Titel: Comedia de Calisto y Melibea, später Tragicomedia de Calisto y Melibea) begründet die Linie der realistischen Kupplerfiguren in der spanischen Literatur.
Autorschaft von La Celestina
Die Autorschaft von La Celestina ist teilweise umstritten. Im einleitenden "Brief des Autors an seinen Freund" und in den vorangestellten Versen gibt sich Fernando de Rojas als Fortsetzer eines bereits existierenden ersten Akts aus, den er gefunden habe. Die moderne Forschung schreibt ihm jedoch meist das gesamte Werk zu.
Genre von La Celestina
Der Untertitel (Komödie oder Tragikomödie), die rein dialogische Form und das Fehlen eines Erzählers erinnern an ein Theaterstück. Jedoch sprechen die mangelnde äußere Handlung, lange Monologe und Reflexionen, die Gesamtlänge des Werkes (was es für die damalige Zeit praktisch unaufführbar macht) und häufige Szenen- und Ortswechsel eher für einen dialogisierten Roman (novela dialogada). Heute wird es oft als humanistische Komödie (comedia humanística) klassifiziert, ein Genre, das primär für die laute Lesung in Gesellschaft (lectura dramatizada), aber nicht unbedingt für eine szenische Darstellung bestimmt war.
Charaktere in La Celestina
Die Charaktere sind mit tiefem psychologischem Realismus gezeichnet; nichts an ihnen ist idealisiert, sie weisen sowohl Tugenden als auch tiefgreifende Fehler auf. Sie gehören verschiedenen sozialen Schichten an, von Adligen bis zu Dienern und Randfiguren.
Celestina
Celestina ist die zentrale und am meisterhaftesten gezeichnete Figur des Werkes. Sie ist eine alte, amoralische, listige und gierige Frau, die von ihren Kupplerdiensten, Betrügereien und der Ausnutzung menschlicher Schwächen lebt. Sie hat eine berühmte literarische Vorläuferin in der Figur der Trotaconventos aus dem Libro de Buen Amor von Juan Ruiz.
Calisto
Der junge, wohlhabende Adlige Calisto ist leidenschaftlich in Melibea verliebt. Seine einzige Absicht ist es, Melibeas Gunst zu gewinnen, weshalb er auf die Dienste Celestinas zurückgreift. Er kann nicht als Held der höfischen Liebe oder als idealisierter romantischer Held betrachtet werden. Vielmehr stellt er ein Beispiel für den "loco amor" (Liebeswahn) dar, eine Form der Liebe, die als zerstörerisch und vernunftwidrig gilt und die das Werk kritisiert.
Melibea
Melibea ist zu Beginn die junge adlige Protagonistin, die Calistos Werben stolz und tugendhaft zurückweist. Allmählich jedoch, beeinflusst durch Celestinas Intrigen und ihre eigenen Gefühle, ändert sie ihre Einstellung und verliebt sich leidenschaftlich in Calisto. Diese Liebe wird zum bestimmenden Element ihres Lebens. Sie lebt bei ihren Eltern und muss ihre Beziehung zu Calisto heimlich pflegen, um die Ehre ihrer Familie zu wahren.
Pármeno und Sempronio
Pármeno und Sempronio, die Diener Calistos, spiegeln die Krise der mittelalterlichen Vasallentreue wider. Sie handeln nicht mehr primär zum Wohl ihres Herrn, sondern suchen eigennützig ihren eigenen Vorteil und sind letztlich nur dem Geld und ihren eigenen Begierden gegenüber loyal. Ihre Gier führt sie schließlich in den Konflikt mit Celestina und besiegelt ihr tragisches Schicksal.