Spanische Literatur des Mittelalters: Autoren & Werke
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Don Juan Manuel und El Conde Lucanor
Don Juan Manuels bedeutendstes Werk ist El Conde Lucanor (Der Graf Lucanor). Dieses Werk ist berühmt für seine didaktische Intention und besteht aus:
- 51 Beispielgeschichten (Exempla) mit moralischer Nutzanwendung
- über 100 Sprichwörtern
- weiteren moralischen oder dogmatischen Abhandlungen.
Rahmenerzählung von El Conde Lucanor
Die Geschichten sind in eine fiktive Rahmenhandlung eingebettet. Dieser Rahmen dient Don Juan Manuel dazu, die verschiedenen Erzählungen miteinander zu verbinden.
Struktur der Erzählungen
Die Erzählungen in El Conde Lucanor folgen meist einem festen Schema:
- Der Graf Lucanor schildert seinem Berater Patronio ein Problem und bittet um Rat.
- Patronio antwortet mit einer kurzen Geschichte (Exemplum), um das Problem zu illustrieren und eine Lehre daraus abzuleiten.
- Patronio gibt seinen Rat basierend auf der Lehre, die aus der Geschichte hervorgeht.
- Am Ende fasst Don Juan Manuel die Moral der Geschichte oft in einem Verspaar zusammen.
Quellen und Einflüsse
Die Quellen für El Conde Lucanor finden sich in arabischen und orientalischen Märchensammlungen sowie in europäischen Märchenbüchern christlicher Tradition. Don Juan Manuel beeinflusste seinerseits andere spanische Autoren bei der Gestaltung ihrer Werke.
Stilistische Merkmale
Don Juan Manuel zeichnet sich durch einen prägnanten und klaren Stil aus, der auf Verständlichkeit abzielt. Er verwendet eine bewusste Auswahl an Wörtern. Die Sprache kann bisweilen archaisch wirken und eine gewisse Schwerfälligkeit aufweisen, da sich die kastilische Prosa noch in ihrer Entwicklung befand.
Themenvielfalt
Die in El Conde Lucanor behandelten Themen sind vielfältig und spiegeln die Probleme und Fragestellungen der Zeit des Autors wider. Trotz der thematischen Breite gibt es eine didaktisch-moralische Einheit.
Intention des Werkes
Das Werk verfolgt eine pädagogische und moralische Absicht. Es soll den Leser belehren (enseñar aprovechando), aber auch unterhalten und Vergnügen beim Lesen bereiten (deleitar).
Lyrische Dichtung und Romanzen
Kastilische Volkslyrik
Die Metrik der kastilischen Volkslyrik (lírica popular castellana) ist oft unregelmäßig, mit einer Tendenz zu sechs- und achtsilbigen Versen. Das vorherrschende Thema ist die Liebe. Eine häufig verwendete Form ist das Villancico, typischerweise mit folgender Struktur:
- Einleitende Verse, die den Refrain (estribillo) bilden.
- Eine Strophe (mudanza), oft aus vier Versen.
- Ein oder mehrere Verbindungsverse (versos de enlace) und die Wiederholung des Refrains.
Der Romanzero (Balladen)
Der Romanzero (Sammlung von Balladen, span. romances) entstand aus Fragmenten epischer Heldengesänge (cantares de gesta). Die metrische Form wurde von diesen übernommen: Langverse mit 16 Silben, unterteilt in zwei Achtsilber (Hemistichien), mit Assonanzreim am Ende jedes zweiten Verses.
Arten von Romanzen
Man unterscheidet verschiedene Arten von Romanzen:
- Historische Romanzen: Behandeln historische Ereignisse der spanischen Geschichte.
- Grenzromanzen (fronterizos): Erzählen von Kämpfen und Begebenheiten an der Grenze zu den maurischen Gebieten.
- Bretonische Romanzen: Basieren auf Stoffen der Artussage.
- Karolingische Romanzen: Behandeln Themen um Karl den Großen und seine Paladine.
- Novellistische und lyrische Romanzen: Erzählen fiktive Geschichten oder drücken Gefühle aus.
Viele Romanzen zeichnen sich durch eine Mischung aus erzählenden und dialogischen Elementen aus.
Gelehrte oder höfische Dichtung
Die gelehrte oder höfische Dichtung (poesía culta o cortesana) des 15. Jahrhunderts zeigt einen doppelten Einfluss:
- Die provenzalische Trobadordichtung, die Themen (höfische Liebe) und Formen für Liebeslyrik in kurzen Versen lieferte.
- Die italienische Dichtung, insbesondere Dante Alighieri, die zu allegorischen und längeren Gedichten (poemas) inspirierte.
Diese Art der Poesie ist in verschiedenen Liederbüchern (Cancioneros), wie dem Cancionero de Baena, überliefert.
Dichter des 15. Jahrhunderts
Íñigo López de Mendoza, Marqués de Santillana
Der Marqués de Santillana (Íñigo López de Mendoza, 1398–1458) dichtete in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Sein Werk ist elegant und von einer kultivierten, adligen Haltung geprägt. Man erkennt folgende Einflüsse:
- Provenzalischer Einfluss: Zeigt sich in seiner frühen Liebeslyrik (canciones, decires).
- Italienischer Einfluss: Deutlich in seinen allegorisch-dantesken Gedichten (z.B. Comedieta de Ponza) und seinen Sonetten (Sonetos fechos al itálico modo), die als erste Sonette in kastilischer Sprache gelten.
- Didaktisch-moralische Dichtung: Z.B. die Proverbios de gloriosa doctrina.
Juan de Mena
Juan de Menas (1411–1456) Hauptwerk ist El Laberinto de Fortuna (auch bekannt als Las Trescientas), ein allegorisches Gedicht. Mena entwickelte eine kunstvolle, stark lateinisch geprägte und ausdrucksstarke Dichtersprache, die den kastilischen Wortschatz erweiterte.
Der Totentanz (Danza de la Muerte)
Im allegorischen Totentanz (Danza de la Muerte oder Danza General de la Muerte), einem im 15. Jahrhundert verbreiteten Genre, fordert der Tod als Skelett Vertreter aller sozialen Schichten – vom Papst bis zum Bauern – zum Tanz auf. Dies erinnert sie eindrücklich an ihre Sterblichkeit und die Gleichheit aller vor dem Tod.
Jorge Manrique
Jorge Manriques (ca. 1440–1479) dichterisches Schaffen umfasst etwa 50 Kompositionen, die sich in zwei Hauptgruppen einteilen lassen:
- Liebeslyrik: Steht in der Tradition der höfischen Cancionero-Dichtung. Sein Stil ist hier oft weniger gekünstelt und gesucht als bei manchen Zeitgenossen.
- Coplas por la muerte de su padre: (Verse auf den Tod seines Vaters) Diese Elegie entstand aus Schmerz, Resignation und tiefen Gefühlen über den Tod seines Vaters, Don Rodrigo Manrique.
Coplas por la muerte de su padre
Das zentrale Thema der Coplas ist das Lob des verstorbenen Vaters, Rodrigo Manrique, eines bedeutenden Adligen und Heerführers. Jorge Manrique begnügt sich jedoch nicht mit einer reinen Lobrede, sondern bettet diese in tiefgründige Reflexionen über das Leben, den Tod, die Vergänglichkeit und den wahren Wert des Daseins ein.
Literarische Topoi in den Coplas
In den Coplas greift Manrique auf bekannte literarische Motive (Topoi) zurück:
- Die Vergänglichkeit des Lebens (tempus fugit – die Zeit flieht)
- Das Leben als Fluss, der ins Meer des Todes mündet (vita flumen)
- Das irdische Leben als Weg zum ewigen, himmlischen Leben
- Das Ubi sunt?-Motiv (Wo sind sie hin?) – die Frage nach dem Verbleib berühmter Persönlichkeiten der Vergangenheit
- Der Tod macht alle gleich
- Das Fortleben im Ruhm (vida de la fama) als eine Form der Unsterblichkeit neben dem ewigen Leben
Struktur und Form der Coplas
Das Gedicht besteht aus 40 Strophen, sogenannten coplas de pie quebrado oder coplas manriqueñas. Jede Strophe besteht aus zwölf Versen: zwei Sextette (Doppelstrophen) mit dem Reimschema 8a8b4c 8a8b4c (Achtsilber reimen mit Achtsilbern, Viersilber mit Viersilbern). Das Gedicht gliedert sich grob in drei Teile:
- Allgemeine Reflexionen über die Vergänglichkeit des irdischen Lebens und die Allmacht des Todes.
- Das Ubi sunt?-Motiv, angewandt auf historische und zeitgenössische Figuren.
- Das Lob des Vaters, Don Rodrigo Manrique, seine Tugenden, sein vorbildliches Leben und sein christliches Sterben.
Prosa des Spätmittelalters
Amadís de Gaula
Der Autor des ursprünglichen Amadís de Gaula, eines der bedeutendsten Ritterromane, ist unbekannt. Das Werk, wie wir es heute kennen, wurde von Garci Rodríguez de Montalvo überarbeitet, erweitert und um 1508 veröffentlicht. Es ist in einer ansprechenden und eleganten Sprache verfasst. Die Erzählung zeichnet sich durch die Idealisierung der Liebe seiner Charaktere (Amadís und Oriana), die Darstellung ritterlicher Tugenden und die geschickte Verknüpfung der verschiedenen Abenteuer und Episoden aus.
Der sentimentale Roman
Im sentimentalen Roman (novela sentimental), einer Gattung des 15. Jahrhunderts, stehen die leidenschaftlichen Gefühle und inneren Konflikte der Figuren im Vordergrund, die sich oft in einem höfischen Umfeld bewegen. Typische Merkmale sind:
- Der Liebende leidet unter der Unerreichbarkeit oder Zurückweisung durch die angebetete Dame, die er idealisiert.
- Die Geliebte wird als Inbegriff von Schönheit und Tugend dargestellt, ist aber oft grausam oder unerreichbar.
- Die Sprache ist oft kunstvoll, rhetorisch, figurenreich und von subjektiven Empfindungen geprägt.
- Die Geschichten haben häufig ein tragisches Ende, das die Unmöglichkeit der Erfüllung idealer Liebe betont.