Der Spanische Roman nach 1936: Epochen und Autoren
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Der Spanische Roman nach 1936 (Teil 1)
Sozio-historischer Kontext
Der Spanische Bürgerkrieg (1936) markierte einen tiefen Bruch in der literarischen Produktion. Viele Schriftsteller wurden verbannt oder der Zensur unterworfen, was zu einer Isolation in den frühen Nachkriegsjahren führte.
Historische Entwicklung und Normalisierung
- Siebziger Jahre: Eintritt in die UNO. Die letzten Jahre der Franco-Diktatur waren geprägt vom Stabilisierungsplan und dem wirtschaftlichen Wandel.
- 1975: Einrichtung einer Parlamentarischen Monarchie, die politische Normalisierung, Wirtschaftswachstum und die Integration des Landes in die internationale Gemeinschaft.
Hauptrichtungen des Romans nach 1936
Die Erneuerung der spanischen Erzählkunst nach dem Krieg begann 1942 mit der Veröffentlichung von La familia de Pascual Duarte (Camilo José Cela). Der Roman folgt vier Hauptrichtungen:
- 1942–1954: Existenzialistischer Realismus. Der Charakter wird sich der Realität und des täglichen Elends bewusst.
- 1954–1962: Sozialer Realismus. Betonung des sozialen Inhalts.
- 1962–1975: Experimenteller Roman. Erneuerung narrativer Techniken und der Sprache.
- Ab 1975: Moderner Roman. Rückbesinnung auf die Bedeutung des Geschichtenerzählens.
Der Existenzialistische Realismus (1942–1954)
Diese Strömung zeichnet sich durch aktuelle Themen und realistische Techniken aus, mit dem Ziel der Erneuerung. Sie beleuchtet die unangenehmen Aspekte der Realität. Die Charaktere sind stark von ihrem Determinismus geprägt.
Wichtige Werke des Existenzialistischen Romans
- La familia de Pascual Duarte (Cela, 1942)
- Nada (Carmen Laforet, 1946)
- La sombra del ciprés es alargada (Delibes, 1947)
Camilo José Cela und Miguel Delibes gelten als die Säulen des existenzialistischen Romans.
Camilo José Cela (1916–2002)
Cela war eine zentrale Figur der spanischen Nachkriegsliteratur.
Wichtige Werke von Cela
- La familia de Pascual Duarte (1942): Befreite die spanische Erzählung aus der Apathie.
- La Colmena (Der Bienenkorb): Gilt als Geburtsstunde des Sozialen Realismus. Beschreibt den Alltag der frühen Nachkriegsjahre. Das Porträt der Gesellschaft ist aus verwobenen Geschichten geschmiedet.
- San Camilo, 1936: Markiert den Beginn des experimentellen Weges. Beschreibt die Atmosphäre Madrids am 18. Juli 1936.
- Oficio de tinieblas 5 (1973): Auflösung der Romanform, um Barrieren zwischen den Genres zu zerstören. Behandelt Themen wie Tod und Sexualität. Charakteristisch sind fehlende Satzzeichen und die Strukturierung in nummerierte Fragmente (Monaden).
- Mazurca para dos muertos (1983): Rückgewinnung der Erzählform, thematisiert Barbarei und Grausamkeit.
Celas Stil
Einfache Syntax, präzise Metaphern und Vergleiche, lexikalischer Reichtum, rhythmische Effekte, Humor, Karikatur und/oder beißende Satire.
Miguel Delibes (1920–2010)
Delibes zeigte konstante ästhetische und künstlerische Weiterentwicklung und passte sich den verschiedenen literarischen Strömungen an.
Wichtige Werke von Delibes
- La sombra del ciprés es alargada (1947): Realistische und existenzielle Anliegen, die seine besten Eigenschaften als Romancier manifestieren: raffinierter Stil und einfache Handlung.
- Aún es de día (1949): Zeigt ähnliche Merkmale wie der Vorgängerroman.
- El camino (1950): Ein Entwicklungsroman. Thematisiert den Verlust der Kindheit und die Entfremdung von der Natur aus der Perspektive eines Kindes.
- Las ratas (Die Ratten) und Hoja de lata (Rotes Blatt): Gesellschaftsromane. Las ratas ist eine Anklage gegen das Elend, während Hoja de lata die mangelnde Solidarität kritisiert.
- Cinco horas con Mario (1967): Ein experimenteller Roman, in dem eine Frau in einem langen Monolog eine schonungslose Vision von Ideologie und mangelnder Kommunikation darlegt.
- El príncipe destronado (Der entthronte Prinz, späte 60er Jahre): Kehrte zu traditionellen Formen zurück. Thematisiert aus der Perspektive eines Kindes das Problem der „zwei Spanien“.
- Los santos inocentes (Die unschuldigen Heiligen): Prangert das Elend des ländlichen Lebens an.
Delibes' Stil und Themen
Delibes ist ein genauer Beobachter der Umgangssprache. Sein Stil dient stets gleichbleibenden Themen: die Beschäftigung mit dem Tod, das Ideal der Gerechtigkeit und die Verteidigung der Integration von Mensch und Natur.
Sozialer Realismus (1954–1962)
In den Fünfzigerjahren dominierte der soziale Inhalt in der realistischen Erzählung. Dabei wurden folgende Techniken erneuert:
- Wiederaufnahme des Dialogs.
- Der Erzähler tritt in den Hintergrund und präsentiert objektiv Fakten und Figuren.
- Strukturierung des Textes in Erzählstränge.
Thematische Schwerpunkte nach 1950
Der Soziale Realismus folgt einem dreifachen Muster:
- Anprangern von Ungerechtigkeiten.
- Forderung nach sozialem Wandel.
- Versuch, Erinnerungen an den Krieg objektiv darzulegen.
Wichtige Werke des Sozialen Realismus
- Los bravos (Die Tapferen, 1954) von Jesús Fernández Santos: Ein sozialer Roman über Armut und Despotie.
- El Jarama (1956) von Rafael Sánchez Ferlosio: Zeigt keinen individuellen Hauptcharakter, sondern präsentiert die sprachlichen Merkmale der Figuren hauptsächlich durch Dialog.