Sprache als Fundament der Ideologie: Bakhtins Sichtweise

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Die Abhängigkeit der Ideologie von der Sprache

Die Ideologie ist untrennbar mit der Sprache verbunden. Wie Bakhtin (1929) feststellte: „Unter Ideologie versteht man die Gesamtheit der Reflexionen und Brechungen der sozialen und natürlichen Realität im menschlichen Gehirn, die durch das Wort ausgedrückt und fixiert werden.“ Ideologie ist ein komplexes System von Vorstellungen, das durch Worte ausgedrückt wird.

Ideologie als intellektuelle Übersetzung der Realität

Betrachten wir zum Beispiel die Umstände eines Arbeitnehmers, der 12 Stunden am Tag ohne Bildung, ohne Sicherheit und unterbezahlt arbeitet. Diese realen Erfahrungen in ein abstraktes Konzept wie „ungerecht“ zu übersetzen, entspringt unserer intellektuellen Argumentation. Ideologie kann als ein System von Prozessen betrachtet werden, durch die die Wirklichkeit vergeistigt wird. Sie ist eine intellektuelle Übersetzung dessen, was im täglichen Leben geschieht. Die Äußerung oder Übersetzung von Ideologie erfolgt immer durch das Wort, durch die Sprache.

Die psychische Realität ist eine abstrakte Realität, die man nicht direkt durch die Sinne wahrnehmen kann. Wenn diese Wirklichkeit intellektualisiert wird, drücken wir sie durch die Sprache aus und konstruieren so Ideologie. Ideologie ist ein System von Ideen, das uns hilft, die Welt zu verstehen und zu erklären.

Ideologie und Politik: Eine Abgrenzung

Man sollte Ideologie und Politik nicht gleichsetzen. Nehmen wir den Marxismus als Beispiel: Er ist eine Ideologie, die über der Politik (Kommunismus) steht. Es gibt auch viele Formen des Kommunismus, die nicht marxistisch sind. Eine Geschichte von Borges mag zwar keine spezifischen politischen Ideologien widerspiegeln, doch auch sie ist ein Ausdruck von Ideologie, da Ideologie stets durch Worte vermittelt wird.

Die soziale Natur von Ideologie und Sprache

Vergesellschaftete Individuen kommunizieren in der Gesellschaft. Ihre Äußerungen (die sich diskursiv manifestieren) bilden ein komplexes und dynamisches Geflecht. Bakhtin nennt dies sozialen Dialog, da die diskursive Struktur einer Gesellschaft ein Dialog ist. Er schreibt: „Keine Äußerung kann ausschließlich dem Referenten zugeschrieben werden: Sie ist das Produkt der Interaktion des Sprechers und, weiter gefasst, das Produkt einer komplexen Situation, in der (...) Der verbale Teil im Menschen (...) gehört nicht dem Einzelnen, sondern seiner sozialen Gruppe oder seinem sozialen Umfeld (...) Die Struktur der Äußerung und die ausgedrückte Erfahrung sind ein soziales Konstrukt.“

Soziale Ideologie entsteht, wenn wir das reproduzieren, was wir in der Gesellschaft tun. Die Gesellschaft befindet sich in ständigem Dialog, daher können wir sagen, dass die diskursive Struktur einer Gesellschaft ein Dialog ist. Alles, was wir sagen, ist nicht nur unser eigenes Produkt, sondern reflektiert, reproduziert oder bezieht sich auf andere Personen.

Sprache als kollektives Konstrukt

Die Sprache ist eine kollektive, soziale Struktur. Jedes Element der Sprache ist kollektiv: Wir alle teilen die gleiche Bedeutung der Worte, die gleichen Regeln der Kombination sprachlicher Einheiten usw. Die Sprache prägt unsere Wahrnehmung und Ausdrucksmöglichkeiten, beispielsweise in der Differenzierung von Begriffen wie „weiß“ oder „Schnee“ in verschiedenen Kulturen. Als Erben einer Sprache können wir dies sagen, jenes aber nicht.

Ideologie und Kommunikation: Eine Synthese

Daher ist Ideologie untrennbar mit Kommunikation verbunden. Jeder Kommunikationsakt impliziert eine bewusste Intervention oder eine unbewusste, ideologische Brechung. Somit spiegelt jeder Diskurs, in größerem oder geringerem Maße, Ideologie wider. Ideologie ist ein Konzept, das oft aus seinem Kontext gerissen und missverstanden wird.

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