Staatsbürgerschaft vs. Grundrechte: Eine Klärung
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Der zivilrechtliche Rahmen
Der Unterschied zwischen Staatsbürgerschaft und Staatsangehörigkeit (nacionalidad) lässt sich anhand klassischer Begriffe des Zivilrechts definieren: Es handelt sich um einen Umstand, der die Rechts- und Geschäftsfähigkeit modifiziert. Ähnlich wie Minderjährigkeit, Familienstand oder Geschlecht betrifft dies den Bereich der Handlungsfähigkeit – also die Ausübung von Rechten, nicht jedoch deren Innehabung. Vorerst halten wir an dieser Bedeutung fest, denn andernfalls definieren wir Staatsbürgerschaft als Rechtsfähigkeit, d.h. das Recht, Rechte zu haben.
Wir sind uns der Vereinfachung und Abstraktheit dieser Definition bewusst, doch sie dient als Grundlage für normative und formale Überlegungen. Übertragen wir diese Unterscheidung auf die Ebene der Verfassung, formulieren wir das Konzept der Grundrechte.
Grundrechte und die Definition nach Ferrajoli
Die Grundrechte sind universelle Rechte, die der Staatsbürgerschaft vorausgehen oder über ihr stehen. Um dies zu formalisieren, greifen wir auf die Definition der Grundrechte von Ferrajoli zurück. Für ihn sind Grundrechte jene subjektiven Rechte, die universell allen Menschen zugesprochen werden – sei es als Personen, als Bürger oder als handlungsfähige Personen.8
Grundrechte, Rechtsfähigkeit und Implikationen
Um Grundrechte im Unterschied zu Staatsbürgerschaft oder Staatsangehörigkeit zu definieren, lassen wir die direkte Verknüpfung mit der Handlungsfähigkeit beiseite. Betrachten wir stattdessen die Idee der Staatsbürgerschaft primär als Rechtsfähigkeit – das fundamentale Recht, überhaupt Rechte haben zu können.
Fragen wir beispielsweise, ob ein Nicht-EU-Einwanderer in einem europäischen Rechtsstaat das Recht auf Leben hat, lautet die Antwort überzeugt: Ja, denn das Recht auf Leben ist universell. Fragen wir weiter, ob diese Person versklavt werden darf, ist die Antwort ebenso entschieden negativ: Niemals, denn sie wurde frei geboren.
Herausforderung: Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger
Die Schwierigkeit einer rein formalen Definition zeigt sich, wenn wir uns fragen, ob ein Nicht-EU-Einwanderer berechtigt ist, an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilzunehmen. Der erste Impuls wäre, dies zu verneinen, da die Person nicht über die Unionsbürgerschaft9 verfügt.
Berücksichtigt man jedoch den Unterschied zwischen Staatsbürgerschaft (im Sinne von formaler Zugehörigkeit) und Staatsangehörigkeit (im Sinne einer tieferen Verbindung und Rechtsfähigkeit), könnte eine differenziertere Antwort möglich sein: Ja, sie ist wahlberechtigt, da sie das Recht auf Leben und Freiheit besitzt und es keinen prinzipiellen Rangunterschied zwischen diesen fundamentalen Rechten gibt.