Staatsphilosophie & Recht: Höffe, Mill, Etzioni & Theorien
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Grundlagen der Staatsphilosophie
Zentrale Fragen der Staatsphilosophie
Die Staatsphilosophie beschäftigt sich mit grundlegenden Fragen zur Existenz und Form des Staates:
- Warum gibt es einen Staat?
- Wie sollte der Staat beschaffen sein?
Sie befasst sich mit der Rechtfertigung des Staates, also den rationalen Gründen für dessen Existenz und Form. Die Staatsphilosophie stellt normative (wertende) Fragen, zum Beispiel, warum ein Leben im Staat dem Leben ohne Staat vorzuziehen ist.
Gerechtigkeit nach Otfried Höffe
Definition und Bedeutung von Gerechtigkeit
Gerechtigkeit bedeutet die Übereinstimmung mit dem geltenden Recht. Der Begriff Justiz bezeichnet die dem Recht dienende Behörde (Gerichtswesen). Gerechtigkeit umfasst objektiv die inhaltliche Richtigkeit des Rechts und subjektiv die Rechtschaffenheit einer Person.
Historische Perspektiven und Prinzipien
Alle Kulturen und Epochen streben nach Gerechtigkeit. Blaise Pascal kritisierte, dass Gerechtigkeit je nach Religion variiert.
Ein zentrales Gerechtigkeitsprinzip ist: „Gleiche Fälle sind gleich zu behandeln.“ Gerechtigkeit erfordert eine Unparteilichkeit erster Stufe (Regelanwendung): „Alle sind vor dem Gesetz gleich zu behandeln.“
Justitia wird in der Kunst mit einer Augenbinde dargestellt, die Unparteilichkeit symbolisiert. Waage und Schwert symbolisieren die Aufgaben der Gerechtigkeit: Schutz und Strafe.
Kommunitarismus nach Amitai Etzioni
Gemeinwohl vor individueller Freiheit
Die Freiheitsrechte des Einzelnen sollen vom Wohl der Gemeinschaft her gedacht werden. Freiheitsrechte sollen sozial verträglich sein. Etzioni behauptet: „Weniger Privatheit ist gut für die Gesellschaft.“ Er fordert, die andere Seite der Gleichung zu betrachten: öffentliche Gesundheit und Sicherheit.
Beispiele für die Abwägung von Rechten
- HIV-Tests bei Kindern: HIV-Tests von Kindern können Leben retten, indem Mütter informiert werden müssen, wenn sie HIV-infiziert sind.
- Biometrische Daten: Biometrische Daten könnten die Anonymität der Menschen gefährden, bieten aber soziale Vorteile wie die Bekämpfung von Kriminalität.
- Drogentests: Etzioni befürwortet Drogentests.
Öffentliche Sicherheit und Gesundheit könnten in bestimmten Fällen wichtiger sein als das Recht auf Privatheit.
Individuelle Freiheit nach John Stuart Mill
Das Harm-Prinzip und seine Bedeutung
Mill stellt einen Grundsatz auf, der das Verhältnis der Gesellschaft zum Individuum in Bezug auf Zwang oder Bevormundung regelt. Der einzige legitime Grund für die Gesellschaft, sich in die Handlungsfreiheit eines Individuums einzumischen, ist der Selbstschutz oder die Verhinderung der Schädigung anderer.
Die Gesellschaft darf nicht eingreifen, um das eigene Wohl des Individuums zu fördern. Soweit nur das Individuum betroffen ist, bleibt seine Unabhängigkeit unbeschränkt. Zusammenfassend: Wenn du dich selbst schädigst, ist das deine Sache; du sollst aber andere nicht schädigen. Jeder sollte selbst über sein Leben und seine Entscheidungen bestimmen können, solange er die Freiheit und das Wohl anderer nicht beeinträchtigt.
Grundlagen der Rechtstheorie
Positives Recht
Definition: Gesetze, die beschlossen und durch Gesetzgebungsverfahren in Geltung gebracht wurden. Es gilt nur, wenn es durchgesetzt wird.
Beispiel: Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Deutschland. Es regelt unter anderem Vertragsrecht, Familienrecht usw. Die Gesetze im BGB wurden von den gesetzgebenden Institutionen verabschiedet und gelten in Deutschland.
Überpositives Recht
Definition: Normen, deren Verbindlichkeit unabhängig von positiver Setzung ist. Es dient als Maßstab für die Beurteilung von Rechtssystemen und ist über positivem Recht angesiedelt.
Beispiel: Jemand rettet in einer Notsituation einem anderen Menschen das Leben, obwohl dies gegen ein bestehendes Gesetz verstößt. Das überpositive Recht, das hier zum Tragen kommt, ist das grundlegende Prinzip der Menschenliebe und des Lebensschutzes, das über den geschriebenen Gesetzen steht. In diesem Fall wird die moralische Verpflichtung, einem anderen zu helfen, als wichtiger erachtet als das Gesetz, das möglicherweise etwas anderes vorschreibt.
Naturrecht
Definition: Glaube an objektive Normen, die durch Vernunft (razón) oder göttliche Autorität erkannt werden.
Argumente:
- In wichtigen Fällen muss die beste Begründung entscheiden, was zu tun ist.
- In wichtigen Fällen gibt es keine willkürlichen oder gleich gut begründbaren Alternativen.
- Ein Rechtssystem, das schwere moralische Ungerechtigkeiten erlaubt oder fordert, kann nicht im Interesse des Systems beibehalten werden.
Rechtspositivismus
Definition: Recht entsteht nur durch gesetzliche Setzung, und keine Normen sind unabhängig davon gültig.
Argumente:
- Ein verbindliches Recht ist im Staat notwendig, unabhängig von subjektiven Einstellungen.
- Die Hauptsache ist, dass es Normen gibt, auch wenn diese unterschiedlich sein können.
- Menschen haben ein Interesse daran, dass das Rechtssystem als Ganzes funktionsfähig bleibt, auch wenn manche Normen ungerecht erscheinen.
Vergleich: Liberalismus (Mill) vs. Kommunitarismus (Etzioni)
Grundlegende Unterschiede
Der Liberalismus von Mill betont die individuelle Freiheit und Selbstverwirklichung, insbesondere die Meinungsfreiheit, die zur Wahrheitssuche beiträgt. Im Gegensatz dazu fokussiert der Kommunitarismus von Etzioni auf die Gemeinschaft und soziale Werte, wobei individuelle Freiheiten eingeschränkt werden sollten, um das Gemeinwohl zu wahren, wie etwa durch Antidiskriminierungsgesetze. Zusammengefasst priorisiert der Liberalismus die individuelle Freiheit, während der Kommunitarismus die Gemeinschaft und soziale Verantwortung betont.
Beispiel: Politische Demonstrationen
In einem ähnlichen Szenario könnte Etzioni argumentieren, dass die Teilnahme an politischen Demonstrationen nicht nur eine individuelle Freiheit, sondern auch eine Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft darstellt. Er könnte darauf hinweisen, dass solche Demonstrationen das soziale Gefüge beeinflussen und dass Individuen sich auch der möglichen negativen Auswirkungen auf die Gemeinschaft bewusst sein sollten. Wenn die Demonstrationen zu sozialer Unruhe oder Konflikten führen, könnte Etzioni vorschlagen, dass das Individuum seine Handlungen überdenken sollte, um das Wohlergehen der Gemeinschaft zu berücksichtigen.