Stahlherstellung und Metallurgie: Prozesse & Werkstoffe
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Stahlherstellung und Wärmebehandlung
Stahlgewinnung: Konverter und Elektroofen
Zur Stahlherstellung wird Roheisen (Fe) weiterverarbeitet. Im Sauerstoffkonverter (z.B. LD-Verfahren), einem zylindrischen oder konischen Behälter, der innen mit feuerfester Keramik ausgekleidet und oben offen ist, wird flüssiges Roheisen und Schrott eingefüllt. Eine Lanze bläst reinen Sauerstoff unter Druck ein. Dies führt zu Oxidationsreaktionen der Begleitelemente, reduziert Verunreinigungen und erzeugt hohe Temperaturen.
Im Elektroofen, einem Stahlbehälter mit Wasserkühlung und feuerfester Auskleidung, der mit einem Deckel mit drei Graphitelektroden verschlossen wird, werden Roheisen, Schrott und Kalk (Zuschlag) eingesetzt. Durch Anlegen von elektrischem Strom wird die Temperatur erhöht. Anschließend werden Legierungselemente hinzugefügt, um Stahl mit präziser Zusammensetzung und Temperatur zu erzeugen.
Verfestigung von Stahl
Stahl wird durch Vergießen in Kokillen (Formen) oder im Stranggussverfahren zu Barren oder Knüppeln mit rechteckigem Querschnitt verfestigt. Diese können anschließend direkt dem Warmwalzen zugeführt werden, ohne erneutes Aufheizen.
Wärmebehandlung von Stahl
Durch Wärmebehandlung, also gezielte Temperaturänderungen, werden die Gefügebestandteile und somit die Eigenschaften von Stahl verändert.
Härten
Ziel ist die Erzielung einer martensitischen Struktur für hohe Härte. Dazu wird der Stahl in den Austenitbereich erhitzt und anschließend schnell abgekühlt (z.B. in Wasser oder Öl).
Anlassen
Nach dem Härten wird der Stahl angelassen, d.h. auf Temperaturen unter 723 °C (um Austenitbildung zu vermeiden) erwärmt und langsam an der Luft abgekühlt. Dies erhöht die Zähigkeit und reduziert innere Spannungen, beeinflusst aber auch die mechanische Festigkeit.
Glühen
Glühen dient dazu, die Härte zu verringern und die Zähigkeit sowie Verformbarkeit zu erhöhen, um den Stahl besser bearbeiten zu können. Dabei wird der Stahl auf eine bestimmte Temperatur erhitzt und anschließend langsam abgekühlt.
Glüharten
- Regenerationsglühen (Rekristallisationsglühen): Bei Stählen mit > 0,6% C zur Kornfeinung nach Kaltverformung.
- Weichglühen: Erzeugt ein weiches, gut umformbares Gefüge (z.B. kugelförmiger Zementit), oft bei legierten Stählen und Werkzeugstählen, um Sprödigkeit zu reduzieren und die Bearbeitbarkeit zu verbessern.
- Normalglühen (Normalisieren): Erhitzen in den Austenitisierungsbereich und Abkühlen an ruhender Luft. Dient zur Erzielung eines feinkörnigen, gleichmäßigen Gefüges, zur Reduzierung von Grobkorn und zum Abbau innerer Spannungen, die durch Verformung entstanden sind.
Grundlagen der Metallurgie und Eisenwerkstoffe
Prozesse der Metallgewinnung
- Bergbau: Korrekte Extraktion des Erzes aus einer Lagerstätte.
- Metallurgie: Trennung des Metalls von anderen Bestandteilen des Erzes (Aufbereitung und Verhüttung).
- Metallverarbeitende Industrie: Bearbeitung des gewonnenen Metalls, um nützliche Gegenstände herzustellen.
Verfahren zur Metallgewinnung
Ein Mineral wird extrahiert und von Verunreinigungen getrennt, um das metallreiche Konzentrat zu erhalten (z.B. in Form von Oxiden, Sulfiden, Karbonaten).
Erz und Gangart
Das Erz ist das nutzbare metallhaltige Mineral. Die Gangart (oder das Ganggestein) ist der nicht nutzbare, gesteinsbildende Anteil des Erzes und ist arm an Metall. Die Gewinnung eines Metalls ist profitabel, wenn der Metallgehalt im Erz einen bestimmten Mindestanteil übersteigt. Dieser Schwellenwert hängt von technologischen oder sozioökonomischen Umständen ab.
Legierungen
Eine Legierung ist ein metallischer Werkstoff, der aus mindestens zwei Elementen besteht, von denen mindestens eines ein Metall ist (Hauptkomponente). Die Legierung zeigt typische metallische Eigenschaften (z.B. elektrische Leitfähigkeit, metallischer Glanz). Sie unterscheiden sich in ihren Eigenschaften von ihren reinen Ausgangskomponenten und werden durch ihre Zusammensetzung charakterisiert.
Verfestigung von Metallen und Legierungen
Reine Metalle haben einen festen Schmelzpunkt (eine definierte Temperatur), bei dem die Temperatur während des gesamten Schmelz- oder Erstarrungsvorgangs konstant bleibt. Legierungen hingegen erstarren oder schmelzen üblicherweise in einem Temperaturbereich (Schmelzintervall), es sei denn, es handelt sich um eine eutektische Zusammensetzung.
Phasen bei der Erstarrung von Legierungen
- Flüssige Phase: Oberhalb der Liquiduslinie im Zustandsdiagramm befindet sich die Legierung vollständig in der flüssigen Phase.
- Feste + flüssige Phase (Zweiphasengebiet): In dem Bereich zwischen Liquidus- und Soliduslinie besteht die Legierung gleichzeitig aus einem festen und einem flüssigen Phasenanteil.
- Feste Phase: Unterhalb der Soliduslinie ist die Legierung vollständig in der festen Phase.
Besonderheiten eutektischer Legierungen
Eutektische Legierungen erstarren bei einer konstanten Temperatur (dem eutektischen Punkt), nicht in einem Intervall, ähnlich wie reine Metalle. Die eutektische Temperatur ist die niedrigste Schmelztemperatur im betreffenden Legierungssystem und liegt unter den Schmelzpunkten der reinen Komponenten. Sie bilden oft ein feinkristallines, homogenes Gefüge und eignen sich gut zum Füllen von Gussformen (Gießbarkeit).
Reineisen
Reineisen ist ein chemisches Element. Es hat nur wenige direkte industrielle Anwendungen aufgrund seiner relativ geringen mechanischen Festigkeit und seiner Anfälligkeit für Korrosion. Eisen-Kohlenstoff-Legierungen mit einem sehr niedrigen Kohlenstoffgehalt (z.B. unter 0,03%) werden aufgrund ihrer magnetischen Eigenschaften verwendet, beispielsweise für Elektrobleche in Transformatorkernen.
Allotrope Modifikationen des Eisens
Eisen existiert in verschiedenen Kristallstrukturen abhängig von der Temperatur:
- Delta-Eisen (δ-Eisen): Kubisch-raumzentriert (krz), stabil von 1539 °C (Schmelzpunkt) bis 1394 °C.
- Gamma-Eisen (γ-Eisen / Austenit): Kubisch-flächenzentriert (kfz), stabil von 1394 °C bis 912 °C.
- Alpha-Eisen (α-Eisen / Ferrit): Kubisch-raumzentriert (krz), stabil bis 912 °C. Unterhalb von 769 °C (Curie-Temperatur) ist α-Eisen ferromagnetisch.
Um eine bestimmte Hochtemperaturmodifikation (oder eine davon abgeleitete Struktur wie Martensit) bei Raumtemperatur zu erhalten, kann ein schnelles Abkühlen aus dem entsprechenden Temperaturbereich erforderlich sein.
Gefügebestandteile im Eisen-Kohlenstoff-System
- Ferrit (α-Eisen): Mischkristall von Kohlenstoff in α-Eisen (krz). Geringe Löslichkeit für Kohlenstoff.
- Zementit (Fe3C): Eisenkarbid, eine harte und spröde intermetallische Verbindung mit 6,67 Gew.-% Kohlenstoff.
- Perlit: Eutektoides Gefüge, das bei langsamer Abkühlung von Austenit mit 0,8 Gew.-% C bei 723°C entsteht. Es ist ein lamellarer Verbund aus Ferrit (ca. 88 Gew.-%) und Zementit (ca. 12 Gew.-%).
- Austenit (γ-Eisen): Mischkristall von Kohlenstoff in γ-Eisen (kfz). Deutlich höhere Löslichkeit für Kohlenstoff als Ferrit.
- Martensit: Ein durch schnelles Abkühlen (Abschrecken) von Austenit entstehendes metastabiles, sehr hartes Gefüge. Es ist ein tetragonal verzerrtes krz-Gitter, in dem Kohlenstoff zwangsgelöst ist.
Produkte aus Eisen-Kohlenstoff-Legierungen
- Stähle: Eisen-Kohlenstoff-Legierungen mit einem Kohlenstoffgehalt zwischen 0,1% und 1,76%.
- Gusseisen: Eisen-Kohlenstoff-Legierungen mit einem Kohlenstoffgehalt zwischen 1,76% und 6,67%.
In der Praxis liegt der Kohlenstoffgehalt von Gusseisen meist zwischen 3% und 4,5%.
Schmieden
Schmieden ist ein Umformverfahren, bei dem ein Werkstück (meist im erwärmten, festen Zustand) durch plastische Verformung mittels Druck (z.B. durch Schläge oder Pressen, oft zwischen zwei Formhälften, den Gesenken) in die gewünschte Form gebracht wird.
Gießen
Gießen ist ein Fertigungsverfahren, bei dem flüssiges Metall (Schmelze) in eine Form (Gussform) eingebracht wird, wo es erstarrt und die Gestalt der Form annimmt. Nach der Erstarrung wird das Gussstück entformt.
Gusseisenarten
Im Gusseisen kann der Kohlenstoff hauptsächlich als Eisenkarbid (Zementit, führt zu weißem Gusseisen) oder als Graphit (führt zu grauem Gusseisen) vorliegen. Die Graphitausbildung im grauen Gusseisen kann unterschiedlich sein:
- Grauguss mit Lamellengraphit (GJL): Graphit liegt in Lamellenform vor.
- Grauguss mit Vermiculargraphit (GJV): Graphit liegt in wurm- oder korallenförmiger (verzweigter) Form vor.
- Grauguss mit Kugelgraphit (GJS / Sphäroguss): Graphit liegt in Kugelform vor.
Reduktion
Reduktion ist ein chemischer Prozess, bei dem einem Stoff Sauerstoff entzogen wird oder Elektronen aufgenommen werden. In der Metallurgie bezeichnet es insbesondere die Gewinnung von Metallen aus ihren oxidischen Erzen, indem der Sauerstoff entfernt wird (z.B. Eisenerz + Kohlenstoff → Eisen + Kohlenmonoxid/Kohlendioxid).
Phasen der Stahl- und Gusseisenherstellung
Die Herstellung von Stahl und Gusseisen erfolgt typischerweise in zwei Hauptphasen:
- Roheisenerzeugung: Gewinnung von flüssigem Roheisen aus Eisenerzen im Hochofen durch Reduktion der Eisenoxide mit Koks.
- Stahl- oder Gusseisenherstellung: Weiterverarbeitung des Roheisens.
- Zur Stahlherstellung wird das Roheisen gefrischt (Entfernung von überschüssigem Kohlenstoff und Begleitelementen, z.B. im Konverter oder Elektroofen) und die Zusammensetzung legierungstechnisch eingestellt.
- Zur Gusseisenherstellung wird das Roheisen meist in Kupolöfen oder Induktionsöfen umgeschmolzen und die Zusammensetzung für die gewünschte Gusseisensorte eingestellt.
Hochofen
Der Hochofen ist ein großer Schachtofen, der zur Erzeugung von Roheisen aus Eisenerz dient. Er besteht aus einer Stahlkonstruktion, die innen mit feuerfestem Keramikmaterial ausgekleidet ist. Seine charakteristische Form besteht aus zwei übereinander angeordneten Kegelstümpfen, die an ihrer breitesten Stelle (Kohlensack) verbunden sind. Ein typischer Hochofen kann etwa 30 m hoch sein und einen maximalen Durchmesser von ca. 6-14 m haben. Oben (Gicht) werden die Rohstoffe (Eisenerz, Koks, Zuschläge) schichtweise eingefüllt und die entstehenden Gichtgase abgeleitet. Im unteren Teil (Gestell) wird heiße Luft (Heißwind) durch Düsen eingeblasen. Flüssiges Roheisen und Schlacke sammeln sich im Gestell und werden periodisch abgestochen.
Einsatzstoffe im Hochofen
- Eisenerz: Liefert die Eisenoxide (z.B. Hämatit Fe2O3, Magnetit Fe3O4), die im Prozess zu metallischem Eisen reduziert werden.
- Koks: Dient als Brennstoff zur Erzeugung der notwendigen hohen Temperaturen und als Reduktionsmittel (liefert Kohlenstoff und Kohlenmonoxid für die Reduktion der Eisenoxide).
- Zuschläge: Materialien wie Kalkstein (CaCO3) oder Dolomit, die Verunreinigungen aus dem Erz binden und eine flüssige Schlacke bilden, die vom Roheisen getrennt werden kann.
Hochofenprozess
Die Rohstoffe (Möller: Erz, Sinter, Pellets; und Koks) werden schichtweise von oben in den Hochofen eingefüllt. Im unteren Bereich wird Heißwind eingeblasen, der den Koks verbrennt und hohe Temperaturen (bis ca. 2000°C) erzeugt. Die aufsteigenden heißen, reduzierenden Gase (hauptsächlich CO) reduzieren die Eisenoxide in den absinkenden Einsatzstoffen stufenweise zu Eisen. Das flüssige Roheisen und die leichtere Schlacke sammeln sich im unteren Teil des Ofens (Gestell) und werden periodisch durch separate Stichlöcher abgestochen (Schlacke durch ein Abstichloch, das etwas höher liegt als das für Roheisen).
Im Hochofen gewonnenes Roheisen
Das im Hochofen gewonnene Roheisen ist eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung mit einem hohen Kohlenstoffgehalt von etwa 4%. Es enthält außerdem ca. 0,5-2,5% Silizium (im Originaltext ca. 2% genannt) sowie geringere, aber signifikante Mengen an Mangan, Phosphor und Schwefel. Es ist spröde und meist nicht direkt verwendbar, sondern dient als Ausgangsmaterial für die Stahl- und Gusseisenproduktion.