Strukturanalyse und Themen von Lazarillo de Tormes
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Struktur des Romans
Die zwei strukturellen Modelle
Das Buch ist auf zwei strukturelle Modelle aufgebaut: die Autobiografie und der Briefroman (Epistolary). Lazarus, als Erwachsener, erhält einen Brief von „Euer Ehren“, der ihn auffordert, „den Fall“ zu erklären. Um dies zu tun, erzählt Lazarus ihm sein Leben.
Aufbau und Verträge (Tratados)
Der Roman besteht aus:
- Prolog: Erklärt, was ihn motiviert, die Geschichte zu erzählen.
- Sieben Verträge (Tratados):
Verträge 1–3: Das Unglück lernen
Behandeln das Erlernen des Unglücks.
Verträge 4–6: Verbesserung des Lebensstandards
Lazarus hat genug gelernt, um zu überleben. Dies erklärt auch die Zustimmung zur außerehelichen Affäre seiner Frau mit dem Dekan, da ihm dadurch ein moderates Beschäftigungswachstum ermöglicht wird.
Vertrag 7: Rechtfertigung des „Falls“
Der letzte Vertrag ist ein Antwortschreiben, das den Fall erklärt: Es geht um die Gerüchte über die Beziehung von Lazarus’ Frau mit dem Erzpriester von San Salvador. Der Fall ist daher von grundlegender Bedeutung, da er den Vorwand für den Charakter liefert, seine Geschichte zu erzählen. Aus diesem Grund ist die Struktur des Romans vom Ende her aufgebaut, da die darin enthaltenen Ereignisse ausgewählt werden, um den Fall zu erklären.
Analyse der Verträge
Vertrag 1: Der Blinde
Lazarus erzählt seine Kindheit, die entscheidend ist, um den Charakter und sein Umfeld zu verstehen. Die Episode mit dem Blinden ist der Ausgangspunkt für die psychologische Entwicklung des Protagonisten. Durch den Blinden zieht der Junge Lehren, die ihm im späteren Leben sehr nützlich sind:
„Die Wahrheit ist, dass ich die Augen zusammenkneife und Aufsehen erregte, weil nur ich bin und glaube, ich weiß, wie ich mich behaupten kann.“ (Er muss für sich selbst sorgen und dem Misstrauen, der Gier und dem Egoismus anderer abwehren.)
Vertrag 2: Der geizige Kleriker
Hier setzt sich die psychologische Entwicklung des Charakters fort. Er bestätigt die Idee, die er beim Blinden gelernt hat: Gier und Egoismus sind sehr allgemeine Mängel beim Menschen, und wenn man vorankommen will, kann man nur sich selbst vertrauen.
Vertrag 3: Der verarmte Gutsherr (Escudero)
Lazarus lernt, dass der Ruhm dieser Welt allein auf dem äußeren Schein beruht. Es präsentiert sich eine neue Facette des Charakters von Lazarus, der auch zu Mitgefühl und Zärtlichkeit fähig ist.
Vertrag 4 und 6
Diese Verträge sind nur episodisch. Sie dienen lediglich dazu, neue Herren einzuführen.
Vertrag 5: Der Ablasshändler (Pardoner)
Lazarus lernt weiterhin Lektionen, um im Leben „zu gewinnen“. Hier erkennt er, dass man mit Lügen und List ein bequemes Leben führen kann.
Vertrag 7: Der Gipfel des Glücks
Lazarus erreicht das, was er als „den Gipfel allen Glücks“ bezeichnet – eine Behauptung, die ironisch verstanden werden kann. Er ist Ausrufer und wird als Kaplan im Haus des Erzpriesters geschützt. Am Ende des Romans erleben wir den Abschluss der psychologischen Entwicklung des Charakters: Lazarus, der als unschuldiges und hilfloses Kind begann, hat die Lehren aus seiner Erfahrung in einer bitteren Realität gezogen und wird zu einem Mann, der mit seinem Schicksal zufrieden ist. Durch den Schutz des Priesters, vermittelt durch seine Frau, wird er den Rest seines Lebens ohne unbillige Härte leben, wenn er es versteht, die Meinung anderer über seine Ehre zu ignorieren. Die Lektion, die er beim Gutsherrn gelernt hat, gewinnt hier ihre volle Bedeutung: Um seine Ehre zu retten, die nur auf dem Schein beruht, führt der Gutsherr ein elendes Leben. Lazarus missachtet seine eigene Ehre, um ein ruhiges Leben zu führen.
Stil und Sprache
Die Sprache des Lazarillo unterscheidet sich merklich von den Erzählungen der Zeit. Die einfache Sprache ist spontan und ohne Kunstgriffe, was mit dem Realismus des Romans in Einklang steht.
Wichtige Themen
Prozess vom unschuldigen Kind zum Verfall
Lazarus’ Entwicklung von der Unschuld zum moralischen Verfall.
Vernichtendes Urteil über die spanische soziale Realität
Das System, bei dem Lazarus verschiedenen Herren dient, gibt dem Autor ein geeignetes Instrument für die Kritik an unterschiedlichen sozialen Schichten.
Satire des Ehrgefühls
(Vertrag III) Die Ehre hängt nicht von der Geburt ab, sondern vom Besitz, vom äußeren Schein, vom Gerede oder vom Geld. Dies wird durch das Verhalten eines Mannes bestätigt, und so lernt Lazarus, die Schurken zu verstehen.
Antiklerikale Satire
Von den neun Herren des Lazarus sind bezeichnenderweise fünf religiös. Unter ihnen:
- Der Pfarrer von Maqueda zeigt Gier.
- Der Mönch der Barmherzigkeit ist ein Beispiel für Verschwendung.
- Der Ablasshändler ist ein Betrüger.
- Der Kaplan ist ein Geschäftemacher.
- Der Dekan ist ein Heuchler, der der Lust frönt.
Zeitliche Einordnung (Externe Zeit)
Es gibt einige Daten, die uns helfen, die Zeit der Handlung festzulegen:
- Lazarus’ Vater, Tomé González, starb in der Schlacht von Djerba. Zu dieser Zeit gab es zwei Expeditionen nach Djerba: 1510 und 1520.
- Als sich die Ereignisse im letzten Vertrag entfalteten, fanden in Toledo die Cortes statt, und Karl V. zog triumphierend in die Stadt ein. Es gab zwei Einberufungen der Cortes in Toledo: 1525 und 1538/39.
Daher beschreibt der Roman Ereignisse, die zwischen 1510 und 1539, der Zeit Karls V., stattfanden.
Historischer Kontext
Das Werk spiegelt die sozialen und historischen Aspekte der Zeit wider: Bettelei und soziale Lage der niederen Klassen, der Begriff der Ehre und des Ansehens, das Problem der Reinheit des Blutes sowie religiöse Kontroversen der Renaissance.
Interne Zeit
Zeitebenen
Es gibt zwei sich überschneidende Zeitebenen: die Zeit des Erzählers (Lazarus als Ausrufer und Betrogener, der den Prolog und Vertrag VII schreibt) und die Zeit des Lazarillo mit den aufeinanderfolgenden Meistern.
Die Geschichte ist eine Rückblende (flashback) auf das Leben des Pikaresken.
Diese Rekonstruktion des Lebens des Schurken folgt einer linearen, aber fragmentarischen und selektiven zeitlichen Entwicklung.
Raum (Space)
Der Roman als Reise
Seine Reise führt ihn von seinem geografischen Ausgangspunkt Tejares (Provinz Salamanca) zu seinem materiellen Wohlstand in Toledo. Er durchlebt Hunger und Bettelei in Salamanca, Almorox (Provinz Toledo), Escalona (Provinz Toledo), Maqueda (Provinz Toledo) und schließlich Toledo, wo er, nachdem er vom Gutsherrn verlassen wurde, seinen sozialen Aufstieg beginnt, während sein moralischer Verfall fortschreitet.
Symbolische Bedeutung des Raumes
Der Weg von Salamanca nach Toledo ist eine moralische Reise, auf der der Prozess der Erziehung des Pikaresken (rogue's education) konfiguriert wird.