Thanatologie: Postmortale Veränderungen und forensische Verfahren
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Algor Mortis (Leichenabkühlung)
Algor Mortis, auch bekannt als Leichenabkühlung, beschreibt die Verringerung der Körpertemperatur, die im menschlichen Körper nach dem Tod eintritt. Die Temperatur beginnt allmählich, langsam und stetig zu sinken.
Verlauf der Abkühlung
Der Leichnam kühlt nicht überall mit der gleichen Geschwindigkeit ab. Die Abkühlung beginnt zuerst an den Füßen, gefolgt von den Händen und dem Gesicht. Bereits nach zwei Stunden kann man die beginnende Totenstarre (Rigor Mortis) an den dorsalen Seiten der Finger feststellen. Die Abkühlung schreitet dann zu den proximalen Teilen der Gliedmaßen, der Brust und schließlich zum Bauch, den Achseln und dem Nacken fort.
Die tiefen Bauchorgane kühlen am langsamsten ab. Es wurde beobachtet, dass diese Organe ihre Temperatur teilweise erst nach bis zu 24 Stunden vollständig verlieren.
Faktoren, die Algor Mortis verändern
Individuelle Faktoren
Alter, Größe, Gewicht und Ernährungszustand spielen eine Rolle:
- Alter: Föten, Neugeborene und Kinder kühlen schneller ab als Erwachsene.
- Gewicht: Ein abgemagerter Körper kühlt schneller ab als ein gut genährter (eutropher) Körper.
- Ernährung: Ein leicht gebauter Körper kühlt schneller ab als ein fülliger (plethorischer) Körper.
- Magen-Darm-Trakt: Ein fastender Körper kühlt schneller ab als ein Körper, der kurz vor dem Tod Nahrung aufgenommen hat.
Pathologische Befunde und Todesursache
- Chronische Krankheiten, Tod durch Blutungen und Vergiftungen beschleunigen die Totenstarre.
- Die Abkühlung des Leichnams wird verzögert bei Tod durch akute Krankheiten, Infektionen, Hitzschlag oder plötzlichem Tod bei zuvor gesunden Personen.
Umweltfaktoren
- Temperatur: Je niedriger die Umgebungstemperatur, desto schneller kühlt der Leichnam ab. Der Temperaturabfall ist umgekehrt proportional zur Umgebungstemperatur.
- Belüftung: Stärkere Belüftung führt zum schnellsten Rückgang der Körpertemperatur.
- Luftfeuchtigkeit: Höhere Luftfeuchtigkeit beschleunigt den Algor Mortis.
Situative Faktoren
- Kleidung: Je mehr der Körper bedeckt ist, desto länger dauert der Algor Mortis. Der Temperaturabfall steht in umgekehrtem Verhältnis zur Menge der Kleidung.
Gerichtsmedizinische Bedeutung des Algor Mortis
- Diagnose des sicheren Todes: Als eines der aufeinanderfolgenden abiotischen Zeichen dient es zur Diagnose des sicheren Todes. Eine Körpertemperatur von 20 °C ist unvereinbar mit dem Leben.
- Todeszeitpunktbestimmung: Obwohl die genaue Todeszeit nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann, liefert die rektal gemessene Körpertemperatur suggestive Hinweise auf den Todeszeitpunkt, basierend auf dem bereits besprochenen Temperaturabfall.
Augenveränderungen (Postmortale Augenbefunde)
- Verlust der Transparenz der Hornhaut: Dies ist ein relativ frühes Zeichen, das bereits 45 Minuten nach dem Tod beobachtet werden kann, wenn die Augen offen waren. Bei geschlossenen Augen tritt dieses Zeichen erst nach etwa 24 Stunden auf. Dieser Verlust der Hornhauttransparenz führt zu einem schleimigen Auswurf, der allgemein als Fischauge bekannt ist.
- Sommer-Larcher-Flecken (Taches Noires de la Sclérotique): Dies sind dunkle Flecken mit undefinierten schwarzen Konturen. Sie erscheinen zuerst auf der Außenseite des Augapfels in dreieckiger Form (Basis zur Hornhaut gerichtet) und dann im inneren Augenwinkel, ebenfalls dreieckig.
- Hypotonie des Augapfels: Sie entsteht durch die Verdunstung der intraokularen Flüssigkeit (Glaskörper und Kammerwasser), was den Augeninnendruck senkt und dazu führt, dass der Augapfel bei digitalem Druck nachgibt. Das Auftreten hängt davon ab, ob die Augenlider offen oder geschlossen waren.
Livor Mortis (Leichenflecken)
Livor Mortis ist eines der aufeinanderfolgenden abiotischen Zeichen. Es besteht aus weinroten Flecken, die auf der Haut erscheinen. Der Entstehungsmechanismus beruht auf der Ablagerung von Blut in den tiefer liegenden Körperpartien aufgrund der Schwerkraft und der Sättigung des Blutes in den arteriellen Gefäßen.
Lokalisation und Bedeutung
- Lokalisation: Leichenflecken treten immer in den abhängigen Körperregionen auf. Wenn der Körper in derselben Position verbleibt, fließt das Blut aufgrund der Schwerkraft dorthin.
- Regel: Livor Mortis ist in den abhängigen Regionen des Körpers vorhanden und signalisiert somit die Position, in der der Körper verblieb. Leichenflecken sind nicht sichtbar in Bereichen der Kompression, Falten oder Regionen, die durch Kleidung oder Knicke komprimiert wurden.
Farbe
Die Leichenflecken haben eine violett-rote Farbe, die zwischen Rosa und Dunkelblau variieren kann. Die Farbschwankungen erklären sich durch die Beschaffenheit des Blutes zum Zeitpunkt des Todes:
- Dunkelrot bei Todesfällen durch mechanische Erstickung.
- Leuchtend rot bei Todesfällen aufgrund von Blutungen.
Zeitlicher Verlauf der Leichenflecken
- Sie erscheinen im Nacken etwa 45 Minuten nach dem Tod.
- Im Rest des Körpers treten sie 3 bis 5 Stunden nach dem Tod auf.
- Die maximale Ausprägung in den abhängigen Ebenen wird nach etwa 12 Stunden erreicht.
- Die Haut in den nicht abhängigen Bereichen bleibt blass.
- Nach 24 Stunden sind die Leichenflecken in der Regel fixiert.
Umlagerung und Fixierung
Leichenflecken können durch Umlagerung des Körpers innerhalb von 10 bis 12 Stunden nach dem Tod mobilisiert werden.
Wird die Lage des Körpers nach der Fixierungszeit geändert, entstehen neue, schwächere Leichenflecken, die als paradoxe Livideces bezeichnet werden.
Rigor Mortis (Totenstarre)
Konzept und Evolution
Rigor Mortis ist ein aufeinanderfolgendes abiotisches Zeichen, das durch die Versteifung und Härte des Körpers gekennzeichnet ist und die gesamte Muskulatur betrifft.
- Es beginnt in der glatten Muskulatur (Myokard, Zwerchfell, Schließmuskeln usw.).
- In der quergestreiften Muskulatur beginnt es 3 bis 6 Stunden nach dem Tod.
- Die Starre beginnt typischerweise in den Kaumuskeln (Masseter), den Augenlidern (Orbicularis), dem Gesicht, dem Hals, der Brust, dem Bauch und schließlich in den Extremitäten.
- Diese Sequenz tritt auf, wenn der Körper in Rückenlage liegt. Die Starre ist nach 12 Stunden vollständig ausgebildet.
Charakteristische Haltungen
- Bei athletischen Körpern kann die Starre in den Muskeln der oberen und unteren Extremitäten gleichzeitig ihren Höhepunkt erreichen.
- Die Hände zeigen oft eine leichte Adduktion des Daumens zur Mitte hin; diese Position wird als Predigerhand bezeichnet.
- Das Gesicht präsentiert eine Annäherung des Kiefers und eine Veränderung der Mimik.
Die drei Phasen der Totenstarre
- Einrichtungsphase (Setup): Die Starre kann durch Anwendung von Kraft überwunden werden, wobei die Gliedmaßen schlaff werden, die Starre sich jedoch später wieder neu einstellt.
- Statusphase: In dieser Phase erreicht die Starre ihren Höhepunkt. Bei gewaltsamer Überwindung können Brüche und Verletzungen entstehen. Die höchste Intensität tritt zwischen 24 und 36 Stunden post mortem auf.
- Auflösungsphase: Die Starre beginnt nach 36 bis 48 Stunden post mortem in der Reihenfolge ihres Erscheinens zu schwinden.
Faktoren, die Rigor Mortis verändern
Nysten'sches Gesetz
Nysten beobachtete, dass wenn die Totenstarre früh einsetzt, sie von geringerer Intensität und Dauer ist. Wenn ihr Einsetzen verzögert wird, ist die Intensität bemerkenswert und die Dauer lang.
Individuelle Faktoren
- Alter: Bei Kindern und älteren Menschen setzt die Totenstarre früh ein, ist schwach und von kurzer Dauer (folgt dem Nysten'schen Gesetz).
- Müdigkeit: Wenn der Tod eine erschöpfte Person ereilt, ist die Totenstarre früh, schwach und von kurzer Dauer.
Ausnahmen vom Nysten'schen Gesetz
- Krankheiten mit Krämpfen: Bei Tod durch krampfartige Krankheiten wie Tetanus, Epilepsie oder Strychninvergiftung ist die Starre früh, nachhaltig und intensiv.
- Temperatur: Bei Todesfällen durch Hitze ist die Starre verfrüht, kurzlebig und intensiv. Bei Kälte ist die Totenstarre früh, intensiv und dauerhaft.
Gerichtsmedizinische Bedeutung des Rigor Mortis
- Diagnose des Todes.
- Bestimmung des Todeszeitpunkts.
- Bestimmung der Position, in der der Körper nach dem Tod verblieb.
Kadaverkrämpfe (Kadaverspasmus)
Der Kadaverspasmus ist ein abiotisches Zeichen, das durch die sofortige Konservierung und Fixierung der letzten Haltung und Position des menschlichen Körpers zum Zeitpunkt des Todes gekennzeichnet ist.
- Mechanismus: Er entsteht durch das Fehlen der Entspannungsphase (primäre Schlaffheit), die normalerweise vor der Totenstarre eintritt.
- Ätiologie: Todesursachen wie Tetanus, Tod durch Stromschlag, bestimmte mechanische Erstickungsgefahren sowie intensiver Stress und starke Emotionen unmittelbar vor dem Tod.
- Forensische Bedeutung: Der Kadaverspasmus fixiert die letzte Position und Haltung des Opfers im Leben und ermöglicht die Rekonstruktion der Ereignisse, insbesondere in Fällen, in denen Gegenstände (z. B. Waffen) fest umklammert werden.
Die Autopsie (Obduktion)
Der Begriff Autopsie leitet sich von auto (selbst) und opsis (Ansicht) ab und bedeutet die Untersuchung mit eigenen Augen. Es handelt sich um die anatomische, morphologische und pathologische Untersuchung zur Feststellung der Todesursache und der damit verbundenen Manifestationen. Sie ist auch als Tanatopsie bekannt.
Arten der Autopsie
- Klinische Autopsie: Untersuchung des Körpers zur Erforschung der Todesursache, der durch krankhafte Prozesse veränderten Gewebe und Organe sowie der anatomisch-funktionellen Symptome, die möglicherweise durch Medikamente verursacht wurden.
- Gerichtsmedizinische (legale) Autopsie: Dient der Untersuchung von Verletzungen oder anatomisch-pathologischen Anomalien, deren Entdeckung oder Überprüfung zur Klärung der Todesursache in einem Rechtsfall erforderlich ist.
Voraussetzungen für die Autopsie
- Bereitstellung geeigneter Rahmenbedingungen: Räumlichkeiten (Leichenhalle), rechtliche Grundlage, geeignete Ausrüstung und Instrumente, ausreichende Belüftung und Beleuchtung.
- Überführung des Körpers durch den Gerichtsmediziner oder Untersuchungsrichter.
- Entfernung des Begleitbogens (Dokumentation).
- Durchführung der anatomischen Untersuchung durch den Gerichtsmediziner.
Anforderungen an die Gerichtsmedizinische Autopsie
- Die Autopsie muss darauf abzielen, Verletzungen und Krankheiten zu untersuchen, die den Tod verursacht haben könnten.
- Die Hautschnitte müssen linear sein und senkrecht zur Haut mit dem Messer geführt werden, um eine ordnungsgemäße spätere Schließung durch Nähte zu ermöglichen, wobei stets der physiognomische Charakter des Leichnams zu berücksichtigen ist.
- Die Autopsie sollte vollständig sein und jeden Körperteil berücksichtigen, je nach dem zu untersuchenden Schwerpunkt.
- Die drei Haupthöhlen müssen geöffnet werden: Schädel, Brust und Bauch. Oft wird die Virchow-Technik wegen ihrer Einfachheit und Ungezwungenheit verwendet.
- Entnahme von Gewebe-, Organ- und Inhaltsproben für histologische und toxikologische Tests (Blut, Leber, Nieren und Magen).
- Alle beobachteten Daten müssen schriftlich festgehalten werden.
- Der vollständige schriftliche Bericht (Autopsiebericht) muss dem Untersuchungsrichter innerhalb von 24 Stunden zugestellt werden.
Zeichen des Funktionsverlusts (Unsichere Todeszeichen)
Kardiovaskuläre Funktion
- Bouchut-Zeichen: Fehlen von Herztönen bei der Auskultation der Herzgegend über 15–20 Minuten.
- Magnus-Zeichen: Fehlen einer Verfärbung beim Komprimieren einer Extremität oder eines Fingers. Bei lebenden Personen ist eine bläuliche Verfärbung sichtbar.
- Transillumination: Einführen einer Lichtquelle in den Mund oder unter die Hand. In vivo ist eine charakteristische rosa Färbung sichtbar; beim Leichnam fehlt dieses Zeichen.
- Forcipression: Kompression der Haut mit einer Pinzette für einige Minuten. Beim Leichnam verschwindet der Eindruck.
- EKG: Fehlen jeglicher Herztätigkeit (isoelektrische Linie). Dieser Test gilt als eines der sichersten Zeichen.
Respiratorische Symptome
- Spiegeltest: Kein Beschlagen, wenn ein Spiegel vor die Atemöffnungen gehalten wird.
- Fadentest (Lint-Test): Keine Bewegung eines leichten Fadens.
- Druckfeste Kapselung (Feder-Test): Keine Schwingungen.
- Wassertest (Glas Wasser): Kein Vorhandensein von Schwingungen im Wasserstand, wenn ein Glas Wasser auf das Epigastrium gestellt wird.
- Auskultation der Brust: Fehlen von Atemgeräuschen.
- Laet-Test: Besteht aus einer Punktion und dem Auftragen eines Tropfens Glaskörperflüssigkeit auf ein Reagenz, um die Versauerung im Körper anzuzeigen.
Neurologische Symptome
- Unbeweglichkeit des Körpers und Beibehaltung der Haltung.
- Muskelschlaffheit und Weichheit.
- Verlust der Empfindung.
- Lähmung der Schließmuskeln.
- Jodi-Zeichen: Formveränderung der Pupille von rund zu elliptisch oder oval bei Querdruck auf den Augapfel.
Anforderungen zur Leichenschau und Überführung
- Beauftragung durch den Untersuchungsrichter oder Gerichtsmediziner.
- Benachrichtigung durch die zuständige Behörde.
- Erscheinen am Fundort des Leichnams.
- Untersuchung des Leichnams.
- Bereitstellung von Material und Ausrüstung.
Indikationen für eine gerichtsmedizinische Untersuchung
- Im Falle eines gewaltsamen Todes.
- Plötzlicher Tod.
- Bei Verdacht auf Mord.
- Tod durch Vergiftung.
- Bei Kindstötung.
- Tod durch Abtreibung.
- Tod in gerichtlichem Gewahrsam, Gefängnissen usw.
- Tod aufgrund mutmaßlicher medizinischer Haftung.
- Bei Exhumierungen.
Verfahren zur Leichenschau (Dokumentation)
- Identifizierung des Körpers.
- Name (vollständig, klar und lesbar).
- Geburtsdatum und Alter.
- Ausweisdokumente.
- Datum der Überführung (Tag, Monat, Jahr).
- Ort der Überführung.
- Ort des Todes.
- Datum und Zeitpunkt des Todes oder erste Anzeichen der Chronotanatodiagnose.
- Beschreibung von Kleidung und persönlichen Gegenständen, Flecken, Fingerabdrücken, Blutungen usw.
- Beschreibung der Position und/oder Orientierung des Körpers.
- Beschreibung der Verletzungen (Art, Ort, Form, Anzahl, Größe, Richtung, Zeichen).
- Hintergrundinformationen (Anamnese).
- Name des Untersuchungsrichters.
- Ausstellung des Totenscheins.
Destruktive Prozesse des Leichnams
Fäulnis (Putrefaktion)
Die Fäulnis ist ein transformatives, destruktives abiotisches Zeichen, das durch die Zersetzung proteinhaltiger organischer Stoffe unter Produktion von Biogas gekennzeichnet ist.
Verlauf
Sie beginnt am Ende der Totenstarre, d. h. 24 bis 36 Stunden nach dem Tod. Zuerst wirken saprophytische, aerobe Bakterien, die im gesamten Magen-Darm-Trakt zu finden sind. Sie verbrauchen den verbleibenden Sauerstoff im Körpergewebe, um Platz für anaerobe Bakterien zu schaffen. Diese vermehren sich, zersetzen Eiweißstoffe zu einfacheren chemischen Verbindungen und setzen reichlich Gase (Schwefelwasserstoff) frei. Der Körper verändert sich bis zur Zerstörung, wobei Knochen, Zähne, Haare, Nägel und andere kalkhaltige Bestandteile am längsten erhalten bleiben.
Phasen der Fäulnis
- Farbphase (Grünfärbung): Gekennzeichnet durch das Auftreten des grünen Flecks, der in der rechten Fossa iliaca (rechter Unterbauch) beginnt und sich über den Rest des Bauches und den gesamten Körper ausbreitet. Die Grünfärbung entsteht durch die Oxidation von Hämoglobin, beginnt innerhalb von 24 Stunden nach dem Tod und dauert mehrere Tage (3–5 Tage).
- Emphysematöse Phase (Gasphase): Gekennzeichnet durch die starke Produktion von Biogas, das in das Unterhautgewebe, die Brust- und Bauchhöhle eindringt. Dies führt zu hervortretenden Augäpfeln und einer Schwellung lockerer Gewebe (z. B. Skrotum und Vulva), wodurch der Körper ein makroskopisch riesiges und sehr charakteristisches Aussehen annimmt. Die Gase dringen über den Blutkreislauf in die Peripherie vor. Diese Phase dauert mehrere Tage bis zu zwei Wochen, bis das Gas entweicht.
- Verflüssigungsphase (Kolliquationsphase): Die Gewebe verflüssigen sich, was zur Ablösung der Epidermis führt. Es entstehen große, rotbraune, flüssigkeitsgefüllte Blasen. Die Anhänge (Nägel und Haare) lösen sich. Die Augäpfel fallen ein, Flüssigkeit tritt durch die Nase aus, und die Bauchhöhle ist gedrückt. Alle inneren Organe unterliegen diesem Verflüssigungsprozess. Sie dauert acht bis zwölf Monate.
- Skelettierungsphase: Die Eingeweide, die Muskelmasse und schließlich die Weichteile gehen in eine amorphe Masse über, die als Putrilago an den Seiten der Wirbelsäule verbleibt. Dieser Zeitraum variiert zwischen zwei und fünf Jahren.
Hinweis: Diese Phasen folgen nicht strikt aufeinander, sondern überlappen sich, ohne dass die vorherige Phase vollständig abgeschlossen sein muss.
Faktoren, die die Fäulnis beeinflussen
- Individuelle Faktoren: Konstitution (z. B. Alter, Körperbau).
- Umgebungsbedingungen: Belüftung, Temperatur (Kälte und Wärme), Luftfeuchtigkeit.
Verseifung (Adipocire-Bildung)
Die Verseifung ist ein konservatives, abiotisches Anpassungszeichen, das die Bildung eines öligen, fettigen und schlüpfrigen Materials im feuchten Körper anzeigt. Es wird auch als Leichenwachs bezeichnet. Es entsteht durch die Zersetzung von Körperfett in Glycerin und Fettsäuren. Die Verseifung beginnt frühestens in der sechsten Woche nach dem Tod und ist an Stellen mit mehr Körperfett und subkutanem Gewebe sichtbar. Belüftung ist nicht erforderlich.
Arten der Verseifung
- Frühe Verseifung: Ölig und schlüpfrig bei Berührung, formbar durch Fingerdruck. Es ist möglich, durch die Haut hindurch tiefere Gewebe und Muskeln zu erkennen.
- Alte Verseifung: Hart, trocken, spröde, homogene Struktur, die beim Versuch, sie zu schneiden, zerfällt.
Die Verseifung kann den Körper ganz oder teilweise betreffen.
Forensische Bedeutung der Verseifung
Wenn die Verseifung abgeschlossen ist, können Verletzungen durch die Haut nachgewiesen werden, die lange vor dem Tod entstanden sind und diesen verursacht haben könnten (z. B. eine Wunde, eine Drosselrinne). Eine weitere forensische Bedeutung liegt in der möglichen Identifizierung des Leichnams.
Lederartige Austrocknung (Permineralisation)
Dies ist ein konservatives, transformatives abiotisches Zeichen, das durch ein gleichmäßiges, lederartiges Aussehen der gesamten Körperhaut gekennzeichnet ist. Es dauert mindestens zwei Jahre, um den Konservierungsprozess vollständig zu entwickeln.
Die Manifestationen sind eine intensive Dehydratation und Austrocknung aller Gewebe; die Haut nimmt eine gelblich-graue Färbung an, behält Konsistenz und Flexibilität und schmiegt sich an die darunter liegenden anatomischen Elemente an, wodurch diese geformt werden. Das Volumen schrumpft durch die Trocknung.
Gerichtsmedizinische Bedeutung
- Hinweise auf den Ort des Geschehens.
- Identifizierung von Verletzungen und damit der Todesursache.
Mumifizierung
Die Mumifizierung ist ein Trocknungsprozess des Körpers durch Verdunstung der enthaltenen Flüssigkeit, was zu einer dramatischen Konservierung der äußeren Körperform führt. Sie kann natürlich (spontan) oder künstlich (induziert) erfolgen.
Voraussetzungen
Die Mumifizierung erfordert bestimmte Bedingungen, die hauptsächlich mit Temperatur, Feuchtigkeit und Belüftung zusammenhängen:
- Temperatur: Erfordert hohe Temperaturen.
- Belüftung: Muss vorhanden sein, um reichlich Sauerstoff zuzuführen.
- Luftfeuchtigkeit: Muss sehr niedrig sein.
Individuelle Faktoren
- Alter: Bei Kindern ist die Mumifizierung einfacher, da die Gewebeentwässerung intensiver ist.
- Konstitution: Tritt häufiger bei asthenischen (schmächtigen) als bei pyknischen (fülligen) Personen auf.
- Geschlecht: Häufiger bei Frauen als bei Männern.
- Todesursache: Häufiger bei Personen, die an schweren Blutungen, Flüssigkeitsverlust oder längerer Antibiotikatherapie gestorben sind.
Verlauf und Merkmale
Die spontane Mumifizierung beginnt zuerst in exponierten anatomischen Regionen wie Gesicht, Händen und Füßen und schreitet dann über den Rest des Körpers fort. Dies dauert ein Jahr oder länger.
- Große Konsistenz der Haut.
- Großer Verlust an Körpergewicht und Volumen, wodurch der Körper jünger erscheint.
- Die Erhaltung der Körperform ist bemerkenswert, sodass die Gesichtszüge deutlich erkennbar sind.
- Die Dauer und Persistenz ist von großer gerichtsmedizinischer Bedeutung.
Forensische Bedeutung
- Identifizierung des Körpers.
- Feststellung der Todesursache (in vielen Fällen möglich).
- Bestimmung des Todeszeitpunkts.
Thema II: Definitionen des Todes
Scheinbarer Tod (Vita minima)
Ein Zustand des menschlichen Körpers, der durch eine Dämpfung der Vitalfunktionen gekennzeichnet ist, sodass der Anschein entsteht, die Vitalfunktionen seien erloschen. Tatsächlich sind die Zeichen jedoch nur extrem schwach und nicht vollständig aufgehoben.
Merkmale
- Verlust des Bewusstseins.
- Neuro-muskuläre Unbeweglichkeit.
- Scheinbares Fehlen von Herzschlag, Puls und Atembewegungen.
Vorkommen
- Schweres Koma, Synkope, Gehirnerschütterung.
- Schwere Vergiftungen.
- Psychiatrische Erkrankungen wie Konversionsneurosen (Hysterie).
- Mechanische Asphyxie (z. B. Ertrinken), Katalepsie.
Anmerkung: Zustände der Katalepsie können den Tod simulieren und haben in der Vergangenheit zu vorzeitigen Bestattungen geführt (z. B. der Fall des mexikanischen Künstlers Joaquín Pardavé, der exhumiert und in Bauchlage im Sarg aufgefunden wurde).
Klinischer Tod
Ein Zustand, der durch die faktische Aussetzung der kardiovaskulären, respiratorischen und neurologischen Funktionen gekennzeichnet ist, aus dem das Individuum durch außergewöhnliche Wiederbelebungsmaßnahmen (Präanimation) zurückgeholt werden kann.
Intermediärer Tod (Mittlerer Tod)
Der Zustand, in dem die biologischen Überlebensaktivitäten allmählich erlöschen und eine Wiederherstellung der Vitalität des gesamten menschlichen Organismus durch Wiederbelebung nicht mehr möglich ist (z. B. Zustand der zerebralen Anoxie mit dezerebriertem oder vegetativem Leben).
Absoluter oder Realer Tod
Das völlige und endgültige Verschwinden aller wichtigen Lebensaktivitäten.
Hirntod (Brain Death)
Gekennzeichnet durch die vollständige, dauerhafte und irreversible Aussetzung aller Hirnfunktionen.
Plötzlicher Tod (Sudden Death)
Der Tod tritt unerwartet und ohne äußere Gewalteinwirkung bei einer Person ein, die aufgrund ihres scheinbaren Gesundheitszustands oder einer Krankheit, die keinen sofort tödlichen Verlauf erwarten ließ, nicht damit gerechnet hat.
Gewaltsamer Tod
Der Tod durch äußere Ursachen mechanischer, physikalischer oder chemischer Natur mit schneller Wirkung (z. B. Erhängen, Schussverletzung, Vergiftung).
Inhibitionstod (Reflextod)
Ein plötzlicher Tod, der innerhalb von Sekunden oder höchstens ein bis zwei Minuten bei Personen eintritt, die ein minimales Trauma oder eine sensorisch-perzeptive Anregung erlitten haben, die für die meisten Menschen harmlos wäre.
Natürlicher Tod
Der Tod aufgrund einer Krankheit oder eines Leidens (infektiös, tumorös, degenerativ usw.), bei dem keine äußere Gewalteinwirkung beteiligt war.
Rechtlicher Tod
Der Tod, der durch die Ausstellung des Totenscheins dokumentiert wird.
Agonie (Todeskampf)
Die Zeit vor dem nicht-plötzlichen Tod. Etymologisch bedeutet es "kämpfen". Die Diagnose der Agonie ist gerichtsmedizinisch wichtig, da in diesem Zustand die psychischen Funktionen (Gehirnfunktion) nachlassen, was enorme rechtliche Konsequenzen hat (z. B. die Ungültigkeit eines Testaments oder einer Vollmacht, wenn die erforderliche Klarheit fehlt). Traditionell werden drei Formen der Agonie beschrieben: Lucida (klar), im Koma und im Delirium.
Rechte des Sterbenden
- Anspruch auf ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz und tadelloses sittliches Verhalten von Ärzten und anderem Gesundheitspersonal.
- Anspruch auf respektvolle und herzliche Behandlung durch Ärzte und anderes Gesundheitspersonal.