Thomas von Aquin und sein mittelalterlicher Kontext
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Philosophischer Kontext
Thomas von Aquin: Leben und Werk
Thomas von Aquin wurde 1224 auf Schloss Roccasecca, nördlich von Neapel, geboren. In dieser Stadt besuchte er das Kolleg und trat dem Dominikanerorden bei. Danach kehrte er nach Italien zurück und widmete sich der Lehre in verschiedenen Städten. Er erlebte die endlosen Auseinandersetzungen, die zu dieser Zeit zwischen den verschiedenen Denkschulen stattfanden. Er starb im Jahre 1274, als er vom Papst Gregor X. zum Konzil von Lyon berufen wurde.
Aristoteles' Einfluss und Thomas' Schriften
Der Einfluss des Aristoteles auf das mittelalterliche Denken war bedeutend. Im Mittelalter begannen verschiedene Bettelorden, den Dialog mit der Kirche zu suchen, was die Macht des Dialogs sichtbar machte. Unter der enormen Anzahl von Schriften, die der „Angelic Doctor“ (Engelsgleicher Lehrer) in seinem Leben verfasste, ragen die Summa contra Gentiles und die Summa Theologica (mit ihren strittigen Fragen) sowie De ente et essentia als Höhepunkte seines Schaffens hervor.
Das Mittelalter: Kontext von Thomas' Wirken
Thomas von Aquin lebte am Ende des Mittelalters (dessen zeitliche Grenze sich vom Fall des Weströmischen Reiches im Jahr 476 bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts erstreckt). In dieser Zeit waren aufeinanderfolgende Invasionen der Völker Nordeuropas zu beobachten.
Sozioökonomische Struktur
Sozioökonomisch gab es drei verschiedene Schichten: das Volk, den Adel und den Klerus. Das Volk versorgte die beiden anderen Schichten durch seine Arbeit auf dem Feld (wobei nach Abzug von Mieten, Steuern und sonstigen Abgaben kaum etwas übrig blieb). Zwischen Herren und Knechten entwickelten sich Vasallenbeziehungen. Kriege zwischen den Feudalherren waren häufig und zwangen die Bauern, ihre Felder zu verlassen und Teil der kämpfenden Armeen zu werden. Hungersnöte und Epidemien dezimierten die Bevölkerung kontinuierlich. Das gesamte Leben drehte sich um die Klöster, die reale Machtzentren waren – nicht nur sozial, wirtschaftlich und politisch, sondern auch kulturell.
Politische Konflikte: Kirche und Staat
Im politischen Bereich kam es zu anhaltenden gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Kirche und Staat, obwohl dies in den meisten Fällen zu Vereinbarungen oder Bündnissen führte, die beide Parteien zur weiteren Ausweitung ihrer jeweiligen Einflussbereiche nutzten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Augustinus und andere Philosophen und Theologen das Verhältnis von Kirche und Staat analysierten und erforschten, zumal die Auseinandersetzung mit der politischen Arena in der christlichen Religion hoch entwickelt war.
Kultureller Wandel: Niedergang und Aufschwung
Im kulturellen Bereich gab es einen deutlichen Rückgang, teilweise sogar eine absolute Lähmung. Dennoch bestand weiterhin eine Bewunderung für die Klassiker, und in den Klöstern wurden die Werke der großen Autoren kopiert und übersetzt.
Klosterschulen und Scholastik
Bereits seit der Zeit Karls des Großen (ein Kaiser, der im 8. Jahrhundert danach strebte, die verschiedenen Königreiche Europas zu vereinen und die Kultur zu fördern) unterhielten Klöster viele Schulen (die sogenannte Scholastik). Dort wurden die sieben freien Künste gelehrt, bestehend aus dem Trivium (Grammatik, Logik und Rhetorik) und dem Quadrivium (Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie). Später kamen Theologie, Philosophie und Recht hinzu. Aufgrund dieser Umstände wird die Philosophie des Mittelalters oft pauschal als scholastisch bezeichnet. Dieser Begriff ist jedoch nicht nur für die christliche Philosophie ungeeignet (da er zu vage und ungenau ist), sondern auch für die arabische und jüdische Philosophie, die in der Geschichte der mittelalterlichen Philosophie von überragender Bedeutung waren. Man muss nur daran erinnern, dass beispielsweise in Spanien arabische und jüdische Philosophen von großer Bedeutung waren, da sie über Jahrhunderte hinweg politisch, ökonomisch und sozial dominierten.
Der Aufstieg der Universitäten
Das eigentliche Erwachen der Kultur erfolgte jedoch erst im 12. Jahrhundert mit der Entstehung der ersten Universitäten. Hervorzuheben sind Paris (wo Thomas von Aquin lehrte), Bologna, Oxford, Cambridge und Salamanca. Anfangs waren sie lediglich Vereinigungen von Lehrkräften und Studierenden außerhalb der religiösen Kreise. Später erhielten sie Unterstützung von großen Herren, Königen und Päpsten und wuchsen und verbreiteten sich in allen wichtigen Städten.
Weitere kulturelle Einflüsse
Weitere Faktoren, die zum Aufschwung der Kultur beitrugen, waren die Entstehung der Bettelorden (wie die Dominikaner und Franziskaner), die Kenntnis der arabischen Kultur durch die großen Werke der griechischen Wissenschaft und des Denkens, die gotische Kunst und der Beginn der romanischen Sprachen (u.a. Französisch und Kastilisch).
Die Scholastik als philosophischer Rahmen
Der philosophische Kontext des heiligen Thomas von Aquin ist im Wesentlichen die Scholastik. Alle scholastischen Denker hatten gemeinsam die Annahme von zwei Arten des Wissens: den Glauben und das Wissen, das durch die Vernunft und die Sinne erlangt wird. Daraus ergab sich das Hauptthema der Diskussion: wie diese beiden Wissensarten zu versöhnen sind.
Zentrale Debatten des mittelalterlichen Denkens
Die zentralen Themen der theologischen und philosophischen Diskussionen des mittelalterlichen Denkens waren:
- Die Beziehung zwischen Vernunft und Glaube.
- Die Natur der Universalien.
- Der Unterschied zwischen Essenz und Existenz.
- Die Beziehung zwischen Gott (als Konzept) und dem Menschen (als Lebewesen).
Einflussreiche Strömungen und Thomas' Synthese
Die scholastische Philosophie umfasste unterschiedliche Strömungen: die platonische, die neuplatonische, die augustinische, die aristotelische, sowie arabische, jüdische und einige mystische Ansätze. Von all diesen waren die augustinische und die aristotelische Strömung für Thomas von Aquin am einflussreichsten.
Augustinischer und Aristotelischer Einfluss
Tatsächlich war Thomas von Aquin zunächst ein glühender Anhänger der von Augustinus entwickelten Themen und Argumente. Der vielleicht einzige Unterschied zwischen der Philosophie der beiden besteht, wie von einigen Wissenschaftlern festgestellt, darin, dass bei Augustinus die „Ordnung des Herzens“ dominierte, während bei Thomas von Aquin die „geistige Ordnung“ vorherrschte. In Bezug auf die aristotelische Philosophie vollendete Thomas von Aquin die Arbeit, die von arabischen und jüdischen Übersetzern und Kommentatoren des griechischen Philosophen (insbesondere Averroes und Maimonides) begonnen worden war. Obwohl der Gedanke des heiligen Thomas von Aquin zu einem großen Teil auf einer Assimilation der aristotelischen Philosophie beruht, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass in seinem Werk auch deutliche Einflüsse des Platonismus, der Kirchenväter, des Pseudo-Dionysius und des Boethius erkennbar sind.