Thomas von Aquin: Philosophie, Gottesbeweise und Naturgesetz
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St. Thomas von Aquin: Grundlagen seiner Philosophie
2. Die Beziehung zwischen Glaube und Vernunft
Vernunft und Glaube sind zwei unterschiedliche Wissensgebiete, die sich jedoch überschneiden und auf eine einzige Wahrheit zulaufen. Die Vernunft kann die Präambeln des Glaubens aufzeigen, den Glauben klären, verteidigen und Kritik widerlegen. Sensorische Erfahrungen und Erklärungen widersprechen dem Glauben nicht. Es gibt jedoch Glaubensfragen, die der Mensch mit der Vernunft weder beweisen noch widerlegen kann. Dennoch existiert ein Konvergenzbereich, in dem der Glaube rational nachweisbare Wahrheiten beinhaltet.
3. Metaphysik und Ontologie: Die Theorie der Realität
Die Substanz ist die existierende und zusammengesetzte Einheit eines Wesens. Das Wesen setzt sich aus Materie und Form zusammen und impliziert die göttliche Existenz.
Das Wesen ist die Potenz (Möglichkeit). Alles existiert, weil Gott will, dass das Wesen (Potenz) in die Existenz (den Akt) umgewandelt wird. Gott ist der unbewegte Beweger. Gott ist die reine Existenz (Actus Purus) – Sein Wesen und Sein Dasein sind identisch, da Gott notwendig existiert, im Gegensatz zu kontingenten (zufälligen) Wesen. Materielle Substanzen sind beteiligt und neigen dazu, Gott zu lieben.
4. Erkenntnistheorie (Theory of Knowledge)
Es gibt zwei Arten von Wissen:
- Sensorisches Wissen: Sensorische Informationen, die Eigenschaften der Substanzen durch die Sinne wahrnehmen, unter Einbeziehung von Vorstellungskraft und Erinnerung.
- Rationales Wissen: Das Wissen, das durch die Vernunft entwickelt wird, indem die Form der Substanzen abstrahiert und Konzepte verstanden werden.
5. Anthropologische Theorie
Der Mensch ist ein von Gott geschaffenes Wesen, ausgestattet mit Rationalität, Willen und Freiheit. Die Seele bildet eine substanzielle Einheit mit Körper und Geist. Gott erschafft jede einzelne Seele. Die Seele ist unsterblich und überlebt den Körper.
Das ultimative Ziel des Menschen ist es, Gott zu erkennen und eine liebevolle Vereinigung mit ihm einzugehen. Die Rationalität ermöglicht es uns, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Das Böse ist die Abweichung vom Weg Gottes. Der Mensch ist für seine Entscheidungen verantwortlich, und sein Leben wird am Ende von Gott beurteilt.
Gott schuf das Universum aus Liebe und gab ihm eine dauerhafte Ordnung, das sogenannte Ewige Gesetz (Lex Aeterna).
Theorie der Ethik und Politik: Das Naturgesetz
Das Naturgesetz (Lex Naturalis) ist die Reihe fester und bleibender Grundsätze, die das Wesen, insbesondere das menschliche Wesen, charakterisieren. Diese Grundsätze oder Bestimmungen können biologischer, moralischer oder anderer Natur sein.
Primäre und sekundäre Prinzipien des Naturgesetzes
Das Naturrecht unterscheidet zwischen:
- Primären Prinzipien: Diese sind universell, klar und notwendig. Dazu gehört die Neigung des Menschen, die eigene Existenz zu bewahren (als Substanz), sich fortzupflanzen (wie Tiere) und die Wahrheit zu sagen sowie in der Gesellschaft zu leben (als rationales Wesen).
- Sekundären Prinzipien: Diese sind nicht unmittelbar evident, sondern müssen abgeleitet werden.
Positives Recht
Das Positive Recht ist das in der Gesellschaft geltende geschriebene Gesetz, das mit dem Naturgesetz in Einklang stehen muss. Wenn ein positives Gesetz dem Naturgesetz widerspricht, widerspricht es dem ewigen Gesetz Gottes und dem menschlichen Wohl. Solche Gesetze müssen nicht befolgt, sondern geändert werden. Das Naturgesetz besagt, dass Menschen Rechte aufgrund ihrer Eigenschaft als Person besitzen.
6. Die Existenz Gottes und die Gottesbeweise
Die Existenz Gottes kann rational nachgewiesen werden, aber sein Wesen ist dogmatisch (es muss geglaubt werden).
Arten von Gottesbeweisen
- A priori: Beginnt mit dem Konzept oder der Idee Gottes, um daraus seine Existenz abzuleiten (z. B. der ontologische Gottesbeweis).
- A posteriori (Im Nachhinein): Beginnt mit einer beobachtbaren Tatsache der Natur und schließt durch Argumentation auf die Existenz Gottes. Diese Art der Demonstration verwendete Thomas von Aquin.
Thomas von Aquin fasste seine Beweise in den Fünf Wegen (Quinque Viae) zusammen.
Die Fünf Wege (Quinque Viae)
- Erster Weg: Argument der Bewegung (Unbewegter Beweger):
- (1) Alle materiellen Wesen bewegen sich.
- (2) Alles, was bewegt wird, muss von einem anderen Wesen bewegt werden.
- (3) Diese Kette kann nicht unendlich sein.
- (4) Es muss einen unbewegten Beweger geben, und das ist Gott.
- Zweiter Weg: Argument der Wirkursache (Erste Ursache):
- (1) Alle Wirkungen entstehen aus Ursachen.
- (2) Es gibt eine Kausalkette (die rationale Ordnung des Universums / das Ewige Gesetz).
- (3) Die Kette der Ursachen kann nicht unendlich sein.
- (4) Es gibt eine erste effiziente Ursache des Universums, und das ist Gott.
- Dritter Weg: Argument der Kontingenz und Notwendigkeit:
- (1) Alle materiellen Wesen sind kontingent (zufällig).
- (2) Kontingente Wesen hängen von anderen kontingenten Wesen ab.
- (3) Diese Kette kann nicht unendlich sein.
- (4) Es muss ein notwendiges Sein geben, und das ist Gott (weil er der Schöpfer und notwendig ist).
- Vierter Weg: Argument der Graduierung der Vollkommenheit:
- (1) In allen materiellen Wesen gibt es Grade der Vollkommenheit.
- (2) Alle streben nach Perfektion.
- (3) Die Kette kann nicht unendlich sein.
- (4) Es gibt ein vollkommenes Sein, und das ist Gott (weil er das höchste Maß an Perfektion ist).
- Fünfter Weg: Argument der Teleologie (Zweckmäßigkeit):
- (1) Alle materiellen Wesen verfolgen Ziele.
- (2) Irrationale Wesen sind rational ausgerichtet (durch das Ewige Gesetz).
- (3) Diese Kette kann nicht unendlich sein.
- (4) Es gibt eine letzte Ursache und einen letzten Zweck, und das ist Gott (weil er perfekt und somit das ultimative Ziel des Seienden ist).