Tizian (Vecellio Tiziano): Der größte Kolorist der Hochrenaissance
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Tizian: Kunstauffassung und Stil
Tizian war weniger klassisch oder idealistisch als Raffael oder Michelangelo. Er kam sehr selten in Kontakt mit antiken Kulturgütern. In Tizians Werk verbindet sich eine elementar starke *Physis* mit den Traditionen der venezianischen Kunst. Seine dargestellten Personen sind nicht stilisiert, sondern lebendig und omnipräsent.
Tizian ist der größte **Kolorist** der italienischen Renaissance und einer der Hauptmeister der Hochrenaissance. Trotzdem behält er in seinem Stil etwas typisch „Venezianisches“ bei, was ihn von Raffael und Michelangelo unterscheidet.
Er war der **erste** italienische Künstler mit internationaler Klientel, dank seiner präzisen Porträts, in denen er die Persönlichkeit und Stimmung der Porträtierten sehr genau beschrieb.
Ruhm, Mäzene und internationale Klientel
Tizian erlangte schon in der Frühzeit seines Schaffens überregionalen Ruhm. Später avancierte er zum erfolgreichsten lebenden Maler mit Aufträgen aus ganz Europa und von allen wichtigen Herrschaftshäusern.
Besonders mit dem Kaiserhof in Madrid verbanden ihn enge Beziehungen, sodass der Tod Karls V. für ihn ein harter Schicksalsschlag war. Kaiser Karl V. ernannte ihn zum Hofmaler und adelte ihn sowie seine Söhne. Diese Werke hatten für Tizian auch einen persönlichen Wert.
Man verglich Tizian oft mit Raffael und Michelangelo. Typische Eigenschaften seiner Malerei, wie die große Bewegtheit oder die psychische Sensibilität, wurden jedoch meist auf den Begriff des Kolorits reduziert. Die Farbgebung hat in seinem Gesamtwerk eine sehr wichtige Stellung.
Tizians Leben und künstlerische Entwicklung (ca. 1477–1576)
Geburt, Herkunft und Ausbildung
Vecellio Tiziano, genannt Tizian, wurde im Norden des venezianischen Staatsgebietes in den Alpen (Pieve di Cadore) um 1477 oder um 1488 geboren. Sein genaues Geburtsdatum ist umstritten und lässt sich nur aus widersprüchlichen Quellenangaben des 16. und 17. Jahrhunderts erschließen.
- Nach dem Bericht des Lodovico Dolce kam Tizian als Neunjähriger nach Venedig.
- Er begann seine Lehre beim Mosaizisten Sebastiano Zuccato.
- Anschließend arbeitete er in der Werkstatt Gentile Bellinis.
- Schließlich wechselte er in das Atelier des berühmtesten Meisters der Lagunenstadt, Giovanni Bellini.
Tizian etablierte sich früh als Künstler von Rang und Adel – eine Rolle, die für ihn typisch werden sollte, ohne direkt an höfisches Leben gebunden zu sein.
Einfluss Giorgiones und das Frühwerk
Die künstlerische Entwicklung Tizians begann mit einer starken Beeinflussung durch Giorgione. Dessen Vielfarbigkeit und Farbmusikalität baute Tizian wie kein anderer Maler vor ihm zu einer Vorherrschaft der Farbe aus. Dies brachte er in seinem mythologisch-allegorischen Hauptwerk der Frühzeit, *„Himmlische und Irdische Liebe“* (um 1514), zur Entfaltung.
Wegbereiter der Barockmalerei
Mit seinem berühmtesten Altarbild, der *„Himmelfahrt Mariä“* (1516–1518), stand Tizian am Wendepunkt der abendländischen Kunst. Durch den starken Gegensatz von Hell und Dunkel (*Chiaroscuro*) und eine neuartige leidenschaftliche Bewegtheit begründete er eines der Grundprinzipien der späteren Barockmalerei. In dramatischer Steigerung folgten:
- Altäre in Ancona (1520)
- Altäre in Brescia (1522)
- Altäre im Vatikan (um 1523)
- Die *„Himmelfahrt Mariä“* in Verona (1525–1530)
Chronologie wichtiger Aufträge
Tizian erhielt zusehends auch weltliche Aufträge für Fürstenhäuser außerhalb des Veneto (d’Este, Gonzaga, Farnese und Rovere) sowie für Franz I.:
- 1530: Beginn der Tätigkeit für Karl V. und den Kaiserhof.
- 1532: Tätigkeit für den Hof von Urbino.
- Anfang 1550: Tätigkeit für den Habsburger Philipp II.