Unterstützte Kommunikation (UK / AAC): Systeme & Methoden

Eingeordnet in Lehre und Ausbildung

Geschrieben am in Deutsch mit einer Größe von 12,18 KB

Klassifizierungskriterien für Kommunikationssysteme

Systeme zur Unterstützung, Verbesserung oder Ergänzung von Laut- und Schriftsprache.

Klassifizierung nach Ziel

Alternative Kommunikation

Kommunikationssystem oder Code, der Symbole nutzt, um die gesprochene Sprache zu ersetzen.

Unterstützte Kommunikation

Kommunikationssystem, das zur Verbesserung einer bestehenden Kommunikation dient.

Klassifizierung nach benötigter Hilfe

  • Abhängige Kommunikation: Benötigt die Hilfe einer anderen Person, welche die erzeugten Nachrichten interpretiert.
  • Unabhängige Kommunikation: Mitteilung wird eigenständig durch den Benutzer erstellt.

Klassifizierung nach benötigten Ressourcen

  • Kommunikation mit Hilfsmitteln: Benötigt externe Ressourcen (z.B. Tafeln, Geräte) zur Herstellung der Kommunikation.
  • Kommunikation ohne Hilfsmittel: Der Benutzer erzeugt und empfängt Nachrichten mit dem eigenen Körper (z.B. Gebärden, Mimik), ohne externe Elemente.

SAAC für Menschen mit Sinnesbehinderungen

Sinnesbehinderungen begrenzen kommunikative Fähigkeiten und können, bei schwerer Ausprägung, die Wahrnehmung der Realität beeinflussen. Bei der Auswahl eines Systems sind zwei Situationen zu unterscheiden: ob die Person eine symbolische Ebene in ihrer Sprache erreicht hat oder nicht.

SAAC für Menschen mit Hörschädigungen

Die Auswahl hängt von vielen Faktoren ab: Alter bei Auftreten des Defizits, Schweregrad, Kommunikationsfähigkeit, familiäres und soziales Umfeld. Es gibt drei Hauptmethoden:

Gebärdenbasierte Methoden

Basieren auf Handzeichen und Gesichtsausdrücken, die Sprachfunktionen übernehmen.

Fingeralphabet (Dakylologie)

Darstellung der Buchstaben des Alphabets durch Handzeichen.

Gebärdensprache

Ein visuelles, gestisches Kommunikationssystem. Es ist ein symbolisches System, bei dem Zeichen durch Bewegungen der Hände und Arme im Raum gebildet werden, ergänzt durch Mimik für besseres Verständnis. Gebärdensprache hat eine eigene Grammatik, die unabhängig von der gesprochenen Sprache ist.

Artikulation von Gebärden

  • Handform: Wie die Hand geformt ist.
  • Artikulationsort: Ort, an dem das Zeichen ausgeführt wird (z.B. Kopf, Rumpf).
  • Bewegung/Orientierung: Richtung und Art der Handbewegung.
  • Mimik: Gesichtsausdruck.

Oralistische Methoden

Fokus auf die Verwendung der gesprochenen Sprache.

Reine auditive Methode

Intensives Training des Resthörvermögens mit Hörhilfen, ohne visuellen Kontakt.

Lippenlesen (Labiofaziales Lesen)

Informationserfassung durch Ablesen der Lippen- und Gesichtsbewegungen des Sprechers. Wichtig sind: klare Artikulation, moderate Sprechgeschwindigkeit, gute Beleuchtung, Sprechabstand (1-4m), einfache, korrekte Sätze. Dauer: nicht länger als 40 Minuten am Stück.

Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) / Cued Speech

Kommunikationssystem, das die Wahrnehmung der Lautsprache durch visuelle, gestische Hinweise unterstützt.

Bimodale Methoden

Gleichzeitige Produktion von Lautsprache und Gebärden. Nutzt die syntaktische Struktur der Lautsprache. Kombiniert zwei Modalitäten: gesprochenes Wort und manuelle Zeichen (oft aus der Gebärdensprache entlehnt).

Makaton-System

Ein Sprachprogramm zur Kommunikations- und Sprachentwicklungsförderung. Merkmale:

  • Grundlegendes, funktionales Vokabular
  • Stufenweiser Aufbau (ca. 8 Stufen mit je 35-40 Wörtern)
  • Anpassbares Vokabular
  • Verwendung von Tafeln/Platten

Technische Hilfsmittel für Hörgeschädigte

Hörgeräte und Cochlea-Implantate.

SAAC für Menschen mit Sehbehinderungen

Brailleschrift

Taktiler Lese- und Schreibcode für Blinde. Besteht aus Kombinationen von 6 Reliefpunkten, die Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen darstellen (63 mögliche Kombinationen).

Weitere Hilfsmittel

Brillen, Kontaktlinsen, Lupen, Bildschirmlesegeräte, Braillezeilen (taktile Displays), Screenreader (Software zur Sprachausgabe von Bildschirminhalten), Computer.

SAAC für Taubblinde

Taubblindheit führt zu einer starken Isolation von der Umwelt und beeinflusst die Entwicklung der anderen Sinne, insbesondere des Tastsinns. Die Systemauswahl hängt davon ab, welcher Sinn zuerst verloren ging, ob die Beeinträchtigung gleichzeitig auftrat, und ob sie prä- oder postlingual eintrat.

Alphabetische Codes

Werden oft bei erworbener Taubblindheit eingesetzt und folgen der Struktur der Lautsprache. Anwendung meist auf der Handfläche.

Taktiles Fingeralphabet

Die Buchstaben des Fingeralphabets werden in die Handfläche des Empfängers getastet.

Blockschrift in die Handfläche

Buchstaben werden in Blockschrift auf die Handfläche geschrieben.

Taktile Brailleschrift

Nutzung der Brailleschrift durch Tasten.

Gebärdenbasierte Codes

Taktile Gebärdensprache

Angepasste Gebärdensprache, die taktil wahrgenommen wird (wenn kein oder nur geringes Sehvermögen vorhanden ist).

Taktile bimodale Methoden

Taktile Wahrnehmung von lautsprachbegleitenden Gebärden.

Lormen

Ein Tastalphabet, bei dem Buchstaben bestimmten Punkten und Strichrichtungen auf der Handfläche entsprechen.

Bei taktilen Gebärden können bestimmte Hand- und Körperbereiche zur Orientierung genutzt werden (z.B. Handrücken, Daumen, Handgelenk).

AAC bei motorischen, kognitiven, sprachlichen Schwierigkeiten

Nicht-vokale grafische Kommunikationssysteme

Ressourcen und Strategien, die den Austausch von Nachrichten zur sozialen Interaktion ermöglichen. Ziele: Ersatz fehlender Lautsprache (alternativ) oder Erweiterung der Kommunikationskanäle während des Spracherwerbs (unterstützend).

Natürliche Kommunikationsformen

Mimik, Gestik und Körpersprache werden zur Kommunikation genutzt und geben der Nachricht Bedeutung. Dies umfasst universelle und individuell entwickelte Codes.

Objekte

Einsatz von realen Gegenständen (z.B. Spielzeug), um Kommunikation anzubahnen und Konzepte zu vermitteln.

Bildmaterial

Bei gravierenden Problemen mit der Lautsprache können Fotos und Bilder als Kommunikationsform dienen. Dies kann ein Übergang zu abstrakteren/symbolischen Codes sein. Für Personen mit entsprechenden Kompetenzen ist auch die Schriftsprache eine Alternative.

Symbolsysteme

Symbole sind Darstellungen einer wahrnehmbaren Realität, deren Bedeutung sozial vereinbart ist.

Bildhafte (ikonische) Symbole

Weisen eine grafische Ähnlichkeit mit dem dargestellten Objekt oder Konzept auf.

Nicht-bildhafte (abstrakte) Symbole

Sind abstrakter und haben keine offensichtliche Ähnlichkeit mit dem Dargestellten (z.B. Buchstaben als Symbole für Laute).

Kommunikationshilfen (Medien)

Medien, auf denen Symbolsammlungen angeordnet sind, damit der Benutzer Nachrichten erstellen kann.

Kommunikationstafeln und -bücher

Tafeln (z.B. aus Holz, Pappe) oder Bücher (oft aus Karton) enthalten die Symbole. Sie ermöglichen die Nachrichtenproduktion und schnelle Interaktion. Jede Tafel/jedes Buch sollte das verwendete Kommunikationssystem, den Namen des Benutzers und ggf. Kontaktinformationen enthalten.

Bliss-Symbolsystem

Ein universelles, logografisches Schriftsystem. Besteht aus verschiedenen Zeichentypen, einige mit eigener Bedeutung (Klassifikatoren), andere modifizieren die Bedeutung begleitender Zeichen (Indikatoren). Nutzt oft einen Farbcode zur Erleichterung:

  • Gelb: Personen
  • Grün: Verben
  • Blau: Adjektive, Beschreibungen
  • Orange: Objekte, Substantive
  • Weiß: Funktionswörter (Präpositionen, Konjunktionen etc.)
  • Rosa: Soziale Begriffe (Grüße, Entschuldigungen)

Anforderungen für Bliss

Ein Symbol kann je nach Kontext oder Modifikatoren unterschiedliche Bedeutungen haben. Der Kernwortschatz umfasst ca. 150-400 Symbole. Der Benutzer benötigt kognitive Fähigkeiten wie Abstraktionsvermögen, um Nachrichten zu konstruieren, sowie ausreichende visuelle und auditive Diskriminationsfähigkeit zum Verständnis des Codes.

Pictogram Communication System (PCS)

Bietet eine visuelle Sprache für Menschen, die nicht sprechen oder lesen können. Besteht aus bildhaften, ikonischen und einfachen Zeichnungen, die eine einfache Kommunikation ermöglichen. Erleichtert den Aufbau einfacher Sätze durch Anordnung von Symbolen auf einer Oberfläche (z.B. Kommunikationstafel).

PCS-Symbole: Merkmale

Design

Symbolisieren Wörter und Konzepte auf einfache, klare Weise. Leicht reproduzierbar.

Größe

Typischerweise in verschiedenen Größen verfügbar (z.B. 2,5 cm, 5 cm). Größere Formate eignen sich für Nutzer mit visuellen oder motorischen Schwierigkeiten, kleinere für Nutzer mit großem Symbolbedarf.

Beschriftung

Symbole sind oft mit dem entsprechenden Wort beschriftet, was die Identifizierung erleichtert.

Farbkodierung (Fitzgerald-Schlüssel)

PCS verwendet häufig einen Farbcode zur Kategorisierung nach Wortarten:

  • Gelb: Personen (Pronomen, Eigennamen)
  • Grün: Verben
  • Blau: Adjektive, Beschreibungen
  • Orange: Substantive (Nomen)
  • Weiß: Funktionswörter (Artikel, Präpositionen, Konjunktionen etc.)
  • Rosa: Soziale Begriffe, Höflichkeitsformeln

Anforderungen für PCS

Benötigt kognitive Fähigkeiten wie Objekterkennung, Gedächtnis, Aufmerksamkeit sowie ausreichende auditive und visuelle Wahrnehmung und minimale kommunikative Absicht. Gut geeignet für Personen mit geringem Sprachverständnis, kleinem Wortschatz und Schwierigkeiten bei der Satzbildung.

Methoden zur Symbolauswahl durch den Nutzer

Es gibt verschiedene Verfahren, wie der Nutzer das gewünschte Symbol auswählt:

Scanning (Abtastverfahren)

Die Kommunikationshilfe (oder eine Person) bietet Symbole nacheinander oder in Gruppen an. Der Nutzer signalisiert die Auswahl, wenn das gewünschte Symbol angeboten wird (z.B. durch einen Schalterdruck, eine Geste).

Direkte Auswahl

Der Nutzer zeigt direkt auf das gewünschte Symbol (z.B. mit dem Finger, Kopfstab, Augensteuerung).

Kodierte Auswahl

Der Nutzer wählt Symbole durch Eingabe eines Codes (z.B. Zahlen-, Farb- oder Buchstabenkombinationen), der einem bestimmten Symbol oder einer Nachricht zugeordnet ist. Erfordert höhere kognitive Fähigkeiten.

Technische Hilfsmittel (Ausgabegeräte)

Umfasst alle Geräte, von einfachen Tafeln bis zu elektronischen Kommunikationshilfen (Talker), die die Symbolauswahl erleichtern, besonders bei stark eingeschränkter Mobilität. Eingabehilfen können Maus- oder Tastaturfunktionen ersetzen und Computerzugang ermöglichen.

Auswahl der Hilfsmittel

Die Auswahl der passenden Hilfsmittel zur Förderung der Kommunikationsautonomie muss individuell erfolgen, basierend auf den Fähigkeiten des Nutzers. Zu berücksichtigende Variablen: Mobilitätsgrad, Art der Symbolauswahl, Fähigkeit zu repetitiven Bewegungen, Geschwindigkeit, Effizienz. Technische Geräte können auch zur Umfeldsteuerung eingesetzt werden.

Symbolklassifizierung (Beispiel Bliss)

Einfache Symbole

Symbole, die für sich allein eine Bedeutung haben.

Zusammengesetzte Symbole

Kombinierte Symbole

Bestehen aus einem Kernsymbol und einem Modifikator (Indikator), der die Bedeutung verändert.

Überlagerte Symbole

Entstehen durch die Überlagerung von zwei oder mehr einfachen Symbolen.

Verwandte Einträge: