Valle-Incláns Esperpento: Analyse von Luces de Bohemia
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Historischer und literarischer Kontext
In Spanien stießen die Versuche einer Erneuerung des Theaters auf vielfältige Hindernisse, wobei die größte Schwierigkeit die Uraufführung neuer Stücke war. Das Publikum und die Theaterleiter unterstützten ein konventionelles, ästhetisch und ideologisch konservatives Theater, während Stücke, die für das Bewusstsein der einen und die Geldbeutel der anderen unbequem waren, abgelehnt wurden. Zum erfolgreichen Theater dieser Zeit zählten die Komödien im Stil Benaventes, das bürgerliche Drama und das humorvolle Versdrama.
Innerhalb des Erneuerungstheaters, das die individuellen Genies seiner Schöpfer widerspiegelt, ist es schwierig, homogene Gruppen zu bilden. Die Autoren lassen sich grob drei Generationen zuordnen:
- Generation von '98: Ramón del Valle-Inclán, Jacinto Benavente, Miguel de Unamuno und Azorín
- Generation von '14: Ramón Gómez de la Serna
- Generation von '27: Rafael Alberti, Federico García Lorca, Pedro Salinas, Alejandro Casona
Valle-Inclán und die Ästhetik des Esperpento
In diesem Kontext tritt die Figur des Ramón María del Valle-Inclán (1866–1936) hervor, des Schöpfers des Esperpento. Obwohl diese Ästhetik hauptsächlich mit dem Theater identifiziert wird, findet sie sich auch in anderen Gattungen wieder, wie im Roman Tirano Banderas oder in den Gedichten von La pipa de Kif.
Die zwölfte Szene von Luces de Bohemia legt die Grundlagen dieser neuen Ästhetik dar:
- Ursprung: Goya
- Methode: Die Spiegelung klassischer Helden in konkaven Spiegeln, um sie zu verzerren.
- Zweck: Den tragischen Sinn der spanischen Realität einzufangen, die als groteske Deformation der europäischen Zivilisation dargestellt wird.
- Ergebnis: Das Absurde.
Merkmale des Esperpento
Das Esperpento ist eine bedeutende ästhetische Errungenschaft, die durch systematische Verformung gekennzeichnet ist:
- Thematische Verformung: Das Melodram wird durch Parodie lächerlich gemacht.
- Psychologische Verformung: Die Charaktere werden zu grotesken Wesen, die bestialisiert oder zu Marionetten gemacht werden.
- Sprachliche Verformung: Die Verwendung des Madrider Straßenslangs stellt die letzte Stufe der Deformation der Volkssprache dar.
- Verformung der Dinge: Objekte werden grell und übertrieben dargestellt, ähnlich wie in expressionistischen Gemälden.
Analyse von "Luces de Bohemia"
Luces de Bohemia, das erste als Esperpento veröffentlichte Werk (1920, endgültige Fassung 1924), schildert die letzte Nacht des Max Estrella, eines blinden Dichters und Bohemiens. Die Figur ist inspiriert vom Schriftsteller Alejandro Sawa, der auch als Vorbild für Villasuso in Pío Barojas Roman Der Baum der Erkenntnis diente.
Handlung und Thematik
Das Stück ist eine Parabel auf die nationale Stagnation Spaniens. Die letzte Nacht von Max Estrella wird zu einer Art dantesker Reise durch die Hölle Madrids, die mit seinem Tod endet – es bleibt unklar, ob durch Alkohol, Hunger, Kälte oder Ekel. In den fünfzehn Szenen des Werks wird an allem und jedem Kritik geübt: an Gaunern, Politikern, der Polizeirepression, dem gefühllosen Bürgertum und den Epigonen der Moderne. Dennoch gibt es auch Momente der Menschlichkeit, verkörpert durch Max selbst, La Lunares (eine junge Prostituierte) oder den katalanischen Arbeiter, der unter Anwendung der "ley de fugas" (Tötung auf der Flucht) stirbt.
Struktur und Rezeption
Der Dialog ist meisterhaft und besitzt eine literarische Dimension, die weit über das rein Funktionale hinausgeht. Die szenografische Komplexität und eine gewisse filmische Qualität, bedingt durch die häufigen Schauplatzwechsel, erschwerten die Inszenierung des Stücks erheblich. Eine Aufführung wurde erst in der Spielzeit 1969–1970 möglich.