Verfahrensgrundsätze: Ein Überblick
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Grundlegende Prinzipien der Gerichtsbarkeit
Verfahrensgrundsätze sind die grundlegenden Werte und Leitlinien, die einem gegebenen Rechtssystem zugrunde liegen. Diese Prinzipien, die den Gesetzgeber bei der Gestaltung von Gesetzen inspirieren, dienen auch als Interpretationshilfe bei Gesetzeslücken.
Unterscheidung zwischen Prozess und Prinzipien
Es ist wichtig, zwischen dem Prozess an sich und den Prinzipien, die ihn leiten, zu unterscheiden. Einige Prinzipien sind inhärent mit der Idee des Prozesses verbunden, wie:
- Grundsatz des Widerspruchs (Kontradiktion): Ein Prozess erfordert notwendigerweise zwei Parteien mit gegensätzlichen Positionen (Kläger und Beklagter). Ohne Kontroverse wäre es ein Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
- Grundsatz der Gleichheit: Die Parteien müssen unter gleichen Bedingungen handeln. Dieses Prinzip ist im Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verankert (Art. 24 der spanischen Verfassung). Die Parteien müssen die gleichen Rechte, Pflichten, Möglichkeiten und Lasten haben. Sie müssen über die gleichen Angriffs- und Verteidigungsmittel verfügen.
- Grundsatz des rechtlichen Gehörs: Niemand darf in einem Verfahren verurteilt werden, ohne gehört worden zu sein. Entscheidend ist, dass den Parteien die *Möglichkeit* gegeben wird, sich zu äußern, unabhängig davon, ob sie diese Möglichkeit nutzen. Im Zivilprozess kann ein Verfahren auch in Abwesenheit des Beklagten durchgeführt werden (sog. "Versäumnisverfahren"), solange der Beklagte ordnungsgemäß über die Klage informiert wurde. Im Strafprozess ist ein Verfahren in Abwesenheit grundsätzlich *nicht* zulässig.
Prinzipien, die den Prozess spezifisch gestalten
Andere Prinzipien spezifizieren den Prozess selbst und hängen eng mit der Rechtsnatur des Verfahrensgegenstands zusammen. Dazu gehören:
- Dispositionsgrundsatz (Verfügungsgrundsatz): Dieser Grundsatz dominiert im Zivilprozess, wo private Interessen im Vordergrund stehen. Er manifestiert sich in mehreren Aspekten:
- Antragsgrundsatz: Ein Verfahren wird nur auf Antrag einer berechtigten Partei eingeleitet.
- Bestimmung des Streitgegenstands: Die Parteien bestimmen den Umfang des Rechtsstreits.
- Bindung des Gerichts an die Anträge (Kongruenzprinzip): Der Richter darf nicht mehr oder etwas anderes zusprechen, als beantragt wurde.
- Verfügung über den Prozess: Die Parteien können den Prozess beenden, z.B. durch Klagerücknahme, Verzicht, Anerkenntnis oder Vergleich.
- Verhandlungsgrundsatz (Beibringungsgrundsatz): Der Richter muss sein Urteil auf der Grundlage der Tatsachen fällen, die von den Parteien vorgebracht und bewiesen wurden. Allerdings gibt es Debatten über den Umfang dieses Prinzips. In der Praxis haben Richter oft gewisse Befugnisse, um die Wahrheitsfindung zu unterstützen, z.B. durch die Anordnung von Beweismitteln. Einige Autoren sehen hierin einen Widerspruch zum Dispositionsgrundsatz.
Verfahrensgrundsätze im spanischen Zivilprozessrecht (LEC 2000)
Das spanische Zivilprozessgesetz von 2000 (Ley de Enjuiciamiento Civil, LEC) betont folgende Prinzipien:
- Mündlichkeit: Gemäß Art. 120 der spanischen Verfassung sollen Verfahren mündlich sein. Dies bedeutet jedoch nicht, dass *alle* Verfahrenshandlungen mündlich erfolgen müssen. Beweisaufnahmen erfolgen in der Regel mündlich.
- Konzentration: Verfahrenshandlungen sollen, soweit möglich, in einer einzigen mündlichen Verhandlung oder an aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt werden, damit der Richter die gewonnenen Eindrücke besser behält.
- Unmittelbarkeit: Der Richter, der das Urteil fällt, muss die Beweise *persönlich* wahrgenommen haben (Art. 137 LEC). Eine Verletzung dieses Prinzips führt zur Nichtigkeit des Verfahrens.
- Öffentlichkeit: Verfahren sind grundsätzlich öffentlich (Art. 138 LEC). Ausnahmen sind möglich, z.B. zum Schutz von Minderjährigen oder bei sensiblen Informationen. Die Öffentlichkeit für die *Parteien* kann jedoch niemals ausgeschlossen werden.