Verfassungsrechtliche Aspekte von Leben, Abtreibung und Würde
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Rechte und Konfliktlösung im Verfassungsrecht
Welche Rechte sind in diesem Fall betroffen?
Haben diese Rechte einen Absolutheitsanspruch?
Wie sollte das Verfassungsgericht den Konflikt lösen?
Die widerstreitenden Rechtsgüter sind das Leben des ungeborenen Kindes. Dieser Konflikt entsteht mit verfassungsrechtlich sehr wichtigen Werten wie dem Leben und der Würde der Frauen.
Kein Verfassungsinterpret ist gezwungen, Rechte absolut zu gewichten. Vielmehr wird versucht, sie zu harmonisieren, wo immer möglich, oder Bedingungen und Anforderungen festzulegen, unter denen die Vorrangigkeit eines Rechts akzeptiert werden kann.
Abtreibungsfälle und ihre verfassungsrechtliche Bewertung
Drei Fälle von Abtreibung, die das Urteil behandelt:
- Gefahr für Leben und Gesundheit der schwangeren Frau: Eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit der schwangeren Frau beeinträchtigt ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Vorrangigkeit der mütterlichen Gesundheit ist daher nicht verfassungswidrig, insbesondere da die Forderung nach erheblichen und dauerhaften Opfern der Gesundheit im Rahmen einer strafrechtlichen Sanktion als unzureichend erachtet wird.
- Schwangerschaft infolge einer Vergewaltigung: Wenn die Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Wochen durchgeführt wird, ist dies ausreichend, um eine Schwangerschaft zu berücksichtigen, die nicht nur gegen den Willen der Frau, sondern durch Überwindung ihres Widerstands mittels Gewalt entstanden ist. Dies schädigt die Persönlichkeit der Frau, beeinträchtigt ihre persönliche Würde und freie Entfaltung sowie ihr Recht auf körperliche und moralische Integrität, Ehre und Selbstbestimmung.
- Wahrscheinliches Vorliegen schwerer körperlicher oder geistiger Mängel beim Fötus: Die Grundlage für diese Annahme, auch in Grenzbereichen, ist die familiäre Situation. Die Anwendung strafrechtlicher Sanktionen würde hier ein Verhalten der Mutter fordern, das über das normalerweise Zumutbare hinausgeht. Das Verfassungsgericht ist der Ansicht, dass die erforderliche Beschwerde ausreicht, um die verfassungsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der ethischen Prüfung im Falle einer Abtreibung zu erfüllen.
Das Recht zu sterben und staatliche Schutzpflicht
Die Verfassung garantiert in Art. 15 nicht das Recht auf den eigenen Tod. Daher gibt es keine verfassungsrechtliche Unterstützung für die Behauptung, dass Zwangsmaßnahmen der medizinischen Versorgung im Widerspruch zu einem solchen Grundrecht stehen.
Staatliche Schutzpflicht des Lebens bei Verzicht?
Der Gerichtshof stellt in diesem Urteil (FJ. 7) fest, dass das Recht auf den eigenen Tod nicht Teil des Inhalts des Rechts auf Leben ist. Der Entzug des eigenen Lebens ist zwar kein gesetzlich verbotener Akt, stellt aber in keiner Weise ein individuelles Recht dar, das die Mobilisierung öffentlicher Gewalt zur Erreichung dieses Ziels impliziert. Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass die Verfassung in Art. 15 kein Recht auf den eigenen Tod garantiert und somit auch keine verfassungsrechtliche Unterstützung für die Behauptung besteht, dass Zwangsmaßnahmen der medizinischen Versorgung nicht im Widerspruch zu diesem Grundrecht stehen.
Daraus folgt, dass aus der Perspektive des Rechts auf Leben die vom Berufungsgericht genehmigte Entscheidung über die obligatorische ärztliche Versorgung dieses Grundrecht nicht verletzt. Dies liegt daran, dass das Recht auf Leben nicht das Recht beinhaltet, auf das Leben selbst zu verzichten, noch ist die Gefängnisverwaltung verfassungsrechtlich dazu verpflichtet, auf medizinische Unterstützung zu verzichten, deren Ziel gerade die Wahrung des Lebens ist, das Artikel 15 der Verfassung schützt.
In Fällen, in denen medizinische Versorgung als wesentlich zur Vermeidung des Lebensverlusts von Gefangenen – die in einem besonderen Obhutsverhältnis zum Justizvollzugsdienst stehen – manifestiert wird, schloss das Gericht daraus, dass eine Einschränkung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit, wie im Prinzip die Zwangsernährung durch parenterale Mittel, das Recht auf Leben nicht beeinträchtigt. Dies ist eine ausgewogene und angemessene Maßnahme, um die Dimension des Rechts auf Leben in seiner objektiven Form zu gewährleisten, da es ein „höherer Wert des Verfassungsrechts“ und eine „ontologische Annahme“ ist, ohne die andere Rechte nicht existieren könnten.
Die doppelte Dimension des Lebens: Wert und Recht
Das Recht auf Leben ist in seiner doppelten Bedeutung – physisch und moralisch – in Art. 15 der Verfassung anerkannt und garantiert. Es ist ein Ausdruck eines höheren Wertes des Verfassungsrechts und stellt ein wesentliches Grundrecht dar, die ontologische Voraussetzung, ohne die alle anderen Rechte keine mögliche Existenz hätten.
Besonderheit des Rechts auf Leben im Vergleich zu anderen Rechten
Innerhalb unserer Verfassungsordnung dient das Recht auf Leben als Ausgangspunkt, als logisches und ontologisches Prius (Voraussetzung) für die Existenz und Spezifikation anderer Rechte.
Grundrechte: Individuelle Rechte und staatliche Pflichten
Grundrechte sind nicht nur individuelle Abwehrrechte von Personen gegen den Staat und institutionelle Garantien, sondern auch positive Pflichten des Staates. Da Grundrechte den juristischen Ausdruck des Wertesystems bilden, das die gesamte rechtliche und politische Organisation prägt, ergibt sich daraus die Forderung nach Unterordnung aller Staatsgewalten unter die Verfassung. Dies beinhaltet nicht nur die negative Verpflichtung des Staates, den individuellen oder institutionellen Bereich nicht zu verletzen, sondern auch eine positive Verpflichtung, zur Verwirklichung aller Rechte und Werte beizutragen, die sie repräsentieren.
Definition des Lebens nach Art. 15 EG durch das Verfassungsgericht
Nach Ansicht des Verfassungsgerichts ist das menschliche Leben ein Werden, ein Prozess, der mit der Schwangerschaft beginnt, in der eine biologische Realität eine körperliche und sensible menschliche Konfiguration annimmt, und im Tod endet. Es ist ein Kontinuum, das unter dem Einfluss der Zeit qualitativen Veränderungen somatischer und psychischer Natur unterliegt, die sich im rechtlichen Status des Einzelnen im öffentlichen und privaten Leben widerspiegeln.
Schutz des ungeborenen Kindes nach Art. 15 EG
Das ungeborene Kind wird durch Art. 15 EG geschützt. Man kann jedoch nicht behaupten, dass das ungeborene Kind Inhaber des Grundrechts auf Leben ist, da sein Schutz einen zentralen Wert des menschlichen Lebens verkörpert, der durch Art. 15 EG garantiert wird. Es handelt sich um einen Rechtsanspruch, dessen Schutz verfassungsrechtlich vorgesehen ist.
Aus den Parlamentsdebatten lässt sich ableiten, dass der Begriff „alle“ eine offene Formel ist, die so weit gefasst ist, dass sie den Schutz des ungeborenen Kindes umfasst.
Staatliche Schutzpflicht für das ungeborene Kind
Der Staat hat in der Regel zwei Verpflichtungen: erstens, den natürlichen Prozess der Schwangerschaft nicht zu unterbrechen oder zu behindern, und zweitens, eine gesetzliche Regelung zum Schutz des Lebens zu schaffen, die einen wirksamen Schutz desselben beinhaltet. Angesichts der grundlegenden Natur des Lebens muss dieser Schutz, als letztes Mittel, auch durch das Strafrecht gewährleistet werden.
Die Würde des Menschen im Verfassungsrecht
Die Würde ist eng verbunden mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 10 EG), den Rechten auf körperliche und seelische Unversehrtheit (Art. 15 EG), der Freiheit der Ideen und Überzeugungen (Art. 16 EG) sowie dem Recht auf Ehre, persönliche und familiäre Privatsphäre und Reputation (Art. 18 EG). Das Verfassungsgericht bezieht sich auf diese Vorschriften, um abzuleiten, dass Würde ein moralischer und spiritueller Wert ist, der dem Einzelnen innewohnt. Dieser Wert manifestiert sich in der Fähigkeit, selbstbewusst und verantwortlich für das eigene Leben zu sein, und begründet den Anspruch, von anderen respektiert zu werden.