Vernunft und Glaube bei Augustinus
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Augustinus lebte mit großer Intensität das Problem des Verhältnisses von Vernunft und Glaube. In seiner Jugend kehrte er, wegen der angeblichen Unvereinbarkeit zwischen ihnen, vom Schoß der Kirche zurück, um seine intellektuellen Ansprüche zu verteidigen. Später bestand er darauf, dass Glauben nicht bedeutet, auf rationale Forderungen zu verzichten.
A) Die Einheit der Wahrheit
Für Augustinus gibt es nur eine einzige Wahrheit der Dinge, die von zwei Lichtquellen beleuchtet wird: Vernunft und Glaube. Der Glaube ist jedoch die mächtigste der beiden Quellen und erreicht die Fülle der Wahrheit.
B) Harmonie und Unterscheidung
Vernunft und Glaube sind harmonisch aufeinander abgestimmt, aber sie sind deutlich zu unterscheiden und nicht zu verwechseln. Augustinus ist sich sehr klar darüber, was die eine und was die andere Quelle ist (eine Unterscheidung, die zudem für jedermann verfügbar ist).
C) Zusammenarbeit von Vernunft und Glaube
Vernunft und Glauben arbeiten harmonisch an der Entdeckung der einzigen Wahrheit. Augustinus' Formel lautet: "Intellige ut credas. Crede ut intelligas." ("Denke, um zu glauben. Glaube, um zu verstehen.")
Augustinus erklärt diese Zusammenarbeit wie folgt:
- Die Intelligenz bereitet den Glauben vor.
- Der Glaube führt und erleuchtet den Verstand: Er schlägt neue Ziele für die Vernunft vor, gibt ihr Sicherheit in den Wahrheiten, die bereits entdeckt wurden, warnt sie vor Fehlern und lässt sie neue Wahrheiten erkennen.
- Der Glaube dient der Klärung und Entwicklung der Inhalte der Vernunft.
- Vernunft und Glaube fließen in der Liebe zur gefundenen Wahrheit zusammen.
D) Augustinus' Perspektive
Augustinus spricht häufig sowohl aus der Perspektive der Vernunft als auch aus der des Glaubens. Obwohl er Vernunft und Glaube nicht verwechselt, macht er nicht immer klar, wann er nur von der Vernunft (Philosophie) und wann er sowohl von der Vernunft als auch vom Glauben (Theologie) spricht. Dies hat mehrere Gründe:
- Da die Wahrheit einzigartig ist und der Mensch tatsächlich zu einem übernatürlichen Gott erhöht ist, legt Augustinus nicht allzu viel Wert darauf, über einen rein "natürlichen", nicht existierenden Menschen zu philosophieren. Es gibt keinen "reinen Philosophen", der nur seine Vernunft benutzt, sondern einen Menschen, der die Wahrheit mit seiner ganzen Person erfasst, die sowohl rational als auch gläubig ist.
- Das Christentum sah sich mit der Philosophie konfrontiert, die es als ein System von Lehren darstellte, welches:
- a) teilweise mit der Philosophie vergleichbar war;
- b) teilweise aber unvergleichbar war.
- Augustinus glaubt im Sinne des Platonismus, dass der eigentliche Gegenstand der Vernunft die immateriellen Elemente sind, die nicht von der Vernunft selbst, sondern durch göttliche Erleuchtung erkannt werden. Die Ideen der Vernunft kommen, wie die Wahrheiten des Glaubens, "von oben", und das lässt wenig Raum für Unterschiede zwischen ihnen.
"Erstes Licht" oder metaphysische Erleuchtung
Die metaphysische Erleuchtung verhält sich zweifach: Die erste ist die natürliche Erleuchtung, die sowohl im Körper als auch im Geist notwendig ist.
A) Im Körper
Im Körper geht es darum, die sogenannten körperlichen Zahlen zu fühlen, die Raum und Zeit betreffen. Die Zahlen sind Prinzipien von Ordnung und Proportion, die kontrollieren. Die Zahl besagt, dass Determinismus notwendig ist und dass Menschen nach notwendigen materiellen Gesetzen handeln.
B) Im Geist
Im geistigen Wesen gibt es geistige Zahlen, die von zweierlei Art sind: fortlaufende Zahlen und ethische Fragen.
1) Fortlaufende Zahlen
Die fortlaufenden Zahlen sind das logische Vorwissen im Gedächtnis über die Konzepte und ersten Grundsätze der Wissenschaft. Durch die fortlaufende Zahl im Gedächtnis kann die Wissenschaft die Zahl erkennen, die den Dingen aufgedruckt ist, und über sie Erkenntnisse gewinnen.
2) Ethische Fragen
Die ethischen Fragen sind von zwei Arten: die Regeln der Weisheit und die Lichter der Tugenden.
- a) Die Regeln der Weisheit betreffen die Vorsehung im Gedächtnis über die Konzepte und die ersten Prinzipien der Weisheit (Sapientia). Sie sind Regeln der praktischen Vernunft, die das sittliche Handeln des Menschen regulieren, aber nicht zum Handeln zwingen, sondern den Menschen die freie Entscheidung lassen, ob sie danach handeln wollen.
- b) Die Lichter der Tugenden sind natürliche Kräfte, die Gott jedem schenkt, um ihn zu leiten, nach diesen Regeln zu leben.