Wege der Arzneimittelverabreichung: Ein umfassender Leitfaden

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Wege der Arzneimittelverabreichung

I. Enterale Verabreichungswege (Magen-Darm-Trakt)

Mundschleimhaut

  • Die Mundschleimhaut dient als Korridor für Arzneimittel, jedoch findet hier in der Regel keine signifikante Absorption statt. Sie ist primär ein Bereich für das Schlucken.

Ösophagusmukosa (Speiseröhre)

  • Die Absorption über die Ösophagusmukosa ist minimal und erfolgt hauptsächlich während des Transits des Arzneimittels.

Magenschleimhaut

  • In der Magenschleimhaut findet kaum Absorption statt. Der pH-Wert liegt bei 2,5-3,5 und fördert die Resorption von schwachen Säuren. Die Absorption hängt vom pKa-Wert ab, insbesondere bei Werten über 2.

Dünndarmschleimhaut (Intestinale Mukosa)

  • Die Dünndarmschleimhaut ist ein sehr großes Gebiet (dank Zotten) und stark vaskularisiert. Der pH-Wert liegt bei 5-8 (basisch) und begünstigt die Absorption von schwachen Basen mit einem pKa-Wert von weniger als 9.

Dickdarmschleimhaut (Intestinale Mukosa des Dickdarms)

  • Die Absorption im Dickdarm ist geringer als im Dünndarm oder Magen. Der pH-Wert ist alkalisch. Hier werden hauptsächlich Elektrolyte, Wasser und Glukose absorbiert. Der Dickdarm dient auch als Reservebereich und Ort der Biotransformation durch die bakterielle Flora.

II. Parenterale Verabreichungswege

Intravaskuläre Wege

Intravenös (IV)
  • Verabreichung als Bolus oder Infusion (Fleboklyse).
  • Sofortige Wirkung: Besonders geeignet zur Behandlung akuter Notfälle.
  • Erfordert sterile Geräte und die Durchführung durch medizinisches Fachpersonal.
  • Es dürfen nur wässrige, pyrogenfreie und isotonische Lösungen verwendet werden.
  • 100% Bioverfügbarkeit: Der First-Pass-Effekt wird vollständig umgangen.
Intraarteriell (IA)
  • Ähnlich der intravenösen Verabreichung, jedoch direkt in eine Arterie.

Extravaskuläre Wege

Intramuskulär (IM)
  • Verabreichung in das Muskelgewebe, vorzugsweise in große, gut durchblutete Muskeln.
  • Die Bioverfügbarkeit ist höher als bei enteraler Verabreichung, aber niedriger als bei intravenöser.
  • Es können sowohl wässrige als auch nicht-wässrige Lösungen verwendet werden.
  • Die Absorption kann durch Massage der Injektionsstelle verbessert werden.
Subkutan (SC) / Intradermal (ID)
  • Die Absorption ist größer, wenn das Arzneimittel gut löslich ist; sie erfolgt durch einfache Diffusion.
  • Die intradermale Verabreichung wird für geringe Mengen, z.B. bei Impfstoffen oder Allergietests, verwendet.

III. Inhalation

  • Darreichungsformen: Gase, flüchtige Flüssigkeiten, Aerosole, Rauch und sogar Feststoffe.
  • Die Absorptionsfläche in der Lunge ist extrem groß.
  • Die hohe Durchblutung der Lunge führt zu einer schnellen und erhöhten Absorption.
  • Der First-Pass-Effekt wird vermieden.

IV. Weitere Verabreichungswege

Lokale Verabreichung

Haut (Topisch)
  • Die Wirkung hängt stark von der Darreichungsform ab.
  • Die Wirkung ist lokal, typischerweise angewendet bei Allergien, Muskel- oder Gelenkschmerzen.
Schleimhäute (Bindehaut, Nase, Vagina)
  • Diese Schleimhäute sind gut durchblutet, was die Absorption begünstigt.
  • Anwendung bei pathologischen Prozessen dieser Membranen.
  • Es ist eine minimale Dosis erforderlich, und das Medikament muss gut löslich sein.

Systemische Verabreichung über Schleimhäute

Sublinguale Schleimhaut (unter der Zunge)
  • Dies ist ein schneller Weg mit systemischer Wirkung.
  • Das Arzneimittel wird nicht geschluckt und gelangt direkt in den Blutkreislauf.
  • Die Schleimhaut ist sehr dünn und stark vaskularisiert.
  • Es ist der einzige nicht-parenterale Weg, der den First-Pass-Effekt vollständig umgeht.
  • Wird für einen schnellen systemischen Effekt verwendet.
  • Eine Zerstörung des Medikaments im Magen wird vermieden.
Rektumschleimhaut (Rektal)
  • Ebenfalls ein Weg für systemische Wirkungen.
  • Die Schleimhaut ist stark vaskularisiert, was eine schnelle Absorption ermöglicht.
  • Die Wirkung kann je nach Applikationsstelle variieren.
  • Der First-Pass-Effekt wird teilweise umgangen (ca. 50-70%).
  • Nützlich bei bewusstlosen Patienten oder bei Übelkeit/Erbrechen.

Definition: First-Pass-Effekt

  • Der First-Pass-Effekt (oder präsystemische Elimination) beschreibt den Metabolismus eines Arzneimittels in der Leber, bevor es den systemischen Kreislauf erreicht.
  • Ein Teil des Arzneimittels wird dabei metabolisiert und geht somit für die systemische Wirkung verloren.
  • Alle parenteralen Verabreichungswege sowie die sublinguale und rektale Verabreichung umgehen den First-Pass-Effekt (vollständig oder teilweise).

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