Weltbilder im Wandel: Von der Antike zur modernen Wissenschaft
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1. Weltbilder: Fragen nach dem Ursprung des Universums
Weltbilder befassen sich mit Fragen nach dem Ursprung des Universums. Sie versuchen, natürliche Phänomene zu verstehen und spiegeln eine Sichtweise auf die Entstehung der Welt und ihrer Komponenten wider. Sie werden daher auch *Kosmovisionen* genannt.
1.1. Was ist eine Weltanschauung?
Eine Weltanschauung stellt eine kohärente und systematische Art und Weise dar, die Realität zu interpretieren, die Welt zu sehen und zu verstehen.
1.2. Die wissenschaftlichen Weltbilder
Max Weber sprach von der **„Entzauberung der Welt“**: Das Bild, das von der modernen Wissenschaft gefördert wurde, hat die Sichtweise des Menschen in Bezug auf die Welt verändert. Der Mensch rückte von der Mitte der Welt an ihre Peripherie.
(Der Mensch verließ seinen Sockel.)
1.2.1. Wissenschaftliche Disziplinen und ihre Rolle
- **Astronomie:** Erklärt die Bewegungen der Sterne und die sie regulierenden Gesetze.
- **Kosmologie:** Untersucht die Gesetze der Entstehung und Entwicklung des Universums.
- **Physik:** Stellt die grundlegenden Gesetze dar, die die Kräfte und Bewegungen der Körper erklären.
1.2.2. Entwicklung der Weltbilder
Die Wissenschaft hatte im Laufe der Geschichte keine einheitliche Weltsicht, doch gibt es im Laufe der Zeit einige vielfältige Gemeinsamkeiten:
- Erklärung der Form und Struktur des Universums.
- Beschreibung der Position, die der Mensch in der Welt einnimmt.
- **Antike Weltbilder:** Alle Erklärungen über die Wirklichkeit, die in Griechenland ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. entstanden sind.
- **Moderne Weltsicht:** Das Bild der Welt, das sich durch die wissenschaftliche Revolution im 16. und 17. Jahrhundert formte.
- **Aktuelle Weltsicht:** Die heute akzeptierte Weltsicht, die auf der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik beruht.
2. Die antiken Weltbilder
Die ersten Weltbilder basierten auf der Beobachtung, dass die Bewegungen am Himmel regelmäßig und geordnet waren, während die Phänomene auf der Erde sehr unterschiedlich und variabel erschienen. Dies führte zu der Annahme, dass Himmel und Erde verschiedene Welten waren.
2.1. Anaximanders Weltbild
Nach **Anaximander** bestand das Universum aus glühenden Schichten, die aus magmatischem Material entstanden und in Nebelröhren gehüllt die Erde und das Meer umkreisten. Die Himmelskörper, die wir sehen, sind Löcher in diesen Röhren, durch die das darin eingeschlossene Feuer leuchtet. Finsternisse entstehen durch das Verschließen dieser Löcher.
2.2. Prinzipien der Wirklichkeit und die Erde
Die antike Ansicht besagte, dass die Vielfalt der Stoffe in der Natur auf einige grundlegende Elemente reduziert werden könnte, die als **Prinzipien der Realität** galten:
- **Arché (Anfang, Ursprung):** Alle Dinge sind aus einem oder mehreren Elementen entstanden, die durch Transformationen das gesamte Spektrum der existierenden Dinge hervorbrachten.
- **Thales:** *Wasser*
- **Anaximander:** *Apeiron* (das Unbegrenzte oder Unendliche)
- **Anaximenes:** *Luft* (durch Kondensation/Verdünnung)
- **Die vier Elemente (Wurzeln):** Alle Dinge sind eine Mischung aus vier Elementen (Wasser, Luft, Erde und Feuer) und zwei Prozessen (Eros: Vereinigung; Neikós: Trennung).
2.2.1. Die Form der Erde
Die ersten Erklärungen basierten auf der Vorstellung einer flachen Erde, umgeben von Land. Doch bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. glaubten die **Pythagoräer**, dass die Erde sphärisch sei. Dieses Konzept basierte auf folgenden beobachtbaren Tatsachen:
- Die Masten und Segel von Schiffen verschwinden zuerst am Horizont, wenn sie sich von der Küste entfernen.
- Bei einer Mondfinsternis ist der auf den Mond projizierte Erdschatten kreisförmig.
2.3. Das antike Himmelsbild
Die antike Erklärung des Himmels war an die griechischen religiösen Überzeugungen angepasst und zeichnete sich durch die **kreisförmige Bewegung** der Himmelskörper aus (als die perfekteste Bewegung).
- **Geozentrismus:** Die Erde ist stationär und befindet sich im Zentrum des Universums.
- Das **Universum** wird von der Sphäre der Fixsterne begrenzt.
2.4. Das Problem der Planetenbewegung (Platons Problem)
Die Sterne bewegen sich täglich in regelmäßigen, perfekten Kreisen um die Erde. Es gibt jedoch einige Himmelskörper, die sich nicht so verhalten, sondern eine scheinbar unregelmäßige Bewegung aufweisen – die **Planeten**. Die Bewegung der Planeten konnte nicht einfach durch kreisende Bewegungen erklärt werden.
2.4.1. Eudoxos von Knidos: Theorie der konzentrischen Sphären
**Eudoxos von Knidos** entwickelte die **Theorie der konzentrischen Sphären**: Er postulierte 27 konzentrische, kristalline und miteinander verkettete Kugeln, deren Mittelpunkt die Erde war. Die Bewegung jedes einzelnen Himmelskörpers war das Ergebnis der Kombination von Bewegungen von vier Sphären. Die Kombination einfacher Bewegungen führte zu komplexen Bewegungen.
2.5. Der aristotelische Kosmos
Die Struktur des **aristotelischen Kosmos** bestand aus zwei heterogenen Welten:
- **Sublunare Welt (irdisch):**
- **Beschaffenheit:** Besteht aus den vier Elementen (Erde, Wasser, Luft, Feuer). Jedes Element strebt seinen natürlichen Platz an.
- **Veränderung:** Lineare Bewegung, Entstehung und Vergänglichkeit. Die Bewegung wird durch Reibung von den äußeren Sphären auf den inneren Bereich übertragen.
- **Supralunare Welt (himmlisch):**
- **Beschaffenheit:** Besteht aus dem 5. Element, dem **Äther** (perfekt, rein, unveränderlich und schwerelos).
- **Bewegung:** Gleichförmige Kreisbewegung.
- **Eigenschaften:** Unveränderlichkeit und Ewigkeit. Die Bewegung wird durch einen unbewegten ersten Beweger verursacht.
2.6. Das ptolemäische Kosmosmodell
In der Struktur des **ptolemäischen Kosmos** ist die Erde leicht außerhalb des Zentrums des Universums positioniert. Die Planeten kreisen um die Erde. Die Sphäre, auf der die Planeten kreisen, wird **Deferent** genannt. Auf dem Deferenten befindet sich ein kleinerer Kreis, der **Epizykel**, auf dem sich der Planet selbst bewegt. Die Kombination beider Bewegungen erklärt die rückläufige Bewegung der Planeten.
2.6.1. Mängel des ptolemäischen Modells
Das aristotelisch-ptolemäische Modell war mangelhaft, da es nicht in der Lage war, die beobachteten Bewegungen der Planeten vollständig zu rechtfertigen und vorherzusagen:
- Veränderung der Helligkeit
- Veränderung der Geschwindigkeit
- Retrogradation (rückläufige Bewegung)
**Claudius Ptolemäus** (ca. 100–170 n. Chr.) entwickelte ein mathematisches System, das mit dem aristotelischen Modell kompatibel war. Sein Werk *„Almagest“* (arab. „Das Größte“) legt sein gesamtes kosmologisches System dar.
2.6.2. Ptolemäus' Erklärung der Retrogradation
Die **Retrogradation** wird durch die kombinierte Bewegung von **Epizykel** und **Deferent** erklärt.
2.7. Philosophische Implikationen antiker Weltbilder
Die antiken Weltbilder hatten folgende philosophische Implikationen:
- **Die Realität ist geordnet:** Das gesamte Universum ist perfekt organisiert, einheitlich und vorhersehbar.
- **Die Realität ist erkennbar:** Die Wirklichkeit ist rational und daher verstehbar. Die menschliche Ordnung basiert auf kausalen Beziehungen.
- **Anthropozentrismus:** Die Natur ist auf den menschlichen Maßstab zugeschnitten und dient ihm als Bezugspunkt.
3. Moderne Weltbilder und die wissenschaftliche Revolution
Das moderne Weltbild begann im 16. Jahrhundert und führte zur **wissenschaftlichen Revolution**. Diese war geprägt von **Experimenten**, einer **neuen Physik** und der **Mathematisierung** der Naturwissenschaften. Dies bedeutete das Verschwinden der alten Weltsicht: Aus einer heterogenen Welt, die teils von geometrischen Gesetzen (supralunare Welt) und teils von Unordnung und Chaos (sublunare Welt) geprägt war, wurde eine homogene Welt, die allgemeinen Gesetzen unterliegt und keine Hierarchien kennt.
3.1. Beiträge zur neuen Weltsicht
Das **kopernikanische System** behielt zunächst noch einige Charakteristika des antiken Weltbildes bei:
- Das Universum war endlich und durch die Fixsterne begrenzt.
- Die Sterne bewegten sich in Kreisbahnen.
- Die Geschwindigkeit der Sternenbewegung war uniform (gleichförmig).
Das kopernikanische Weltbild wurde durch die Beiträge von **Kepler** und **Galilei** vervollständigt.
3.1.1. Johannes Kepler (1571–1630)
**Johannes Kepler** lieferte die mathematische Unterstützung für den Heliozentrismus.
**Keplers Gesetze:**
- 1. Die Planetenbahnen sind **elliptisch**, wobei die Sonne in einem der Brennpunkte steht.
- 2. Der Radiusvektor, der die Sonne mit einem Planeten verbindet, überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen.
- 3. Die Geschwindigkeit des Planeten hängt von seiner Entfernung zur Sonne ab.
3.1.2. Galileo Galilei (1564–1642)
**Galileo Galilei** nutzte als Erster das Teleskop für wissenschaftliche Zwecke und bestätigte den Heliozentrismus experimentell. Seine Entdeckungen umfassten:
- Sonnenflecken
- Mondkrater
- Die Monde des Planeten Jupiter
Er erkannte die immense Größe des Universums.
3.2. Die neue Mechanik und Gravitation
Der Heliozentrismus konnte die Gesetze der Planetenbewegung zwar beschreiben, gab aber keine Erklärung für deren Ursache. Galilei und Newton waren die Ersten, die physikalische Gesetze zur Erklärung der Planetenbewegung entdeckten:
- **Das Trägheitsgesetz (Galilei):** Jeder Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen Bewegung, solange keine äußere Kraft auf ihn einwirkt.
- **Das Gesetz der universellen Gravitation (Newton):** Alle Körper ziehen sich mit einer Kraft an, die umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands und direkt proportional zum Produkt ihrer Massen ist.
Dies markierte das Ende des Aristotelismus und den Beginn eines neuen Modells, das auf der **Universalität** der Wissenschaft und ihrer **Vorhersagefähigkeit** basierte.
3.3. Philosophische Implikationen der wissenschaftlichen Revolution
Die *kopernikanische Wende* und die *wissenschaftliche Revolution* führten zu einer neuen Weltanschauung mit folgenden Merkmalen:
- **Mechanizismus:** Das Weltmodell ist eine perfekte Maschine (wie eine Uhr).
- **Determinismus:** Die Gesetze der Physik bestimmen die Zukunft aller Ereignisse.
- **Reduzierte Rolle Gottes:** Die Rolle Gottes ist auf die eines Erfinders und Designers reduziert.
- **Autonomie der Natur:** Die Natur erklärt sich selbst; sie ist autark.
- **Unsicherheit des Menschen:** Reduzierung der Bedeutung des Menschen und Bewusstsein seiner Schwäche.
- **Macht der Vernunft:** Die Vernunft hat kaum Grenzen und kann die Geheimnisse der Natur entdecken.