Wilhelm von Ockham: Philosophie und politische Theorie
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Ockham in einer Zeit des Wandels
Wilhelm von Ockham (ca. 1285–1349) lebte in einer Zeit des tiefgreifenden Wandels. Die scholastische Philosophie steckte in einer Krise, die mittelalterlichen politischen und religiösen Strukturen begannen sich aufzulösen und es bahnten sich wichtige Veränderungen an, die die Grundlage einer neuen Ära bilden sollten. Mit Ockham fand ein Umbruch in der abendländischen Philosophie statt. Anstatt weiterhin die älteren Systeme zu erneuern, übte er eine systematische und radikale Kritik an allem Bisherigen.
Ockhams philosophische Prinzipien
Um diese Aufgabe zu erfüllen, stützte er sich vor allem auf zwei philosophische Prinzipien:
- Das Prinzip der Allmacht Gottes, wonach für Gott nichts unmöglich ist.
- Das metaphysische Prinzip der Sparsamkeit (Ockhams Rasiermesser), wonach Entitäten nicht ohne Notwendigkeit vermehrt werden sollten.
Angesichts des Universalienproblems vertrat er eine nominalistische Position, wonach Universalien keine Realität außerhalb des Geistes besitzen. In Wirklichkeit gibt es nur spezifische und einzigartige Wesen, während Universalien lediglich im Geist als Zeichen existieren – Zeichen, die der Geist erzeugt, um die Dinge zu bezeichnen.
Ockhams politische Theorie
Seine politische Theorie konzentriert sich auf die Verteidigung der Autonomie der zivilen Macht, vertreten durch den Kaiser, gegenüber der geistlichen Macht, vertreten durch die Kirche.
Die Grenzen der päpstlichen Macht
Der zentrale Gedanke ist, dass der Papst nicht in die Rechte der Kaiser und Könige eingreifen darf. Ockhams Argumentation basiert auf folgenden Punkten:
- Die legitimen Rechte von Kaisern, Königen und anderen Menschen sind von der Macht ausgenommen, die Christus dem heiligen Petrus und seinen Nachfolgern (den Päpsten) verliehen hat.
- Diese weltlichen Rechte bestanden bereits vor dem evangelischen Recht und der Gründung der Kirche.
- Daher kann der Papst diese Rechte nicht kraft der ihm von Christus verliehenen Macht verändern oder schmälern.
- Sollte der Papst ein Urteil gegen solche Rechte fällen, wäre dieses nach göttlichem Recht null und nichtig.
Trennung der Gewalten
Ockham folgert, dass es zwei völlig unabhängige Mächte gibt, die getrennt sein müssen. Die Macht, die Christus Petrus und seinen Nachfolgern verliehen hat, darf die Rechte der Kaiser und Könige nicht antasten. Ein Handeln des Papstes gegen diese Rechte würde jeglicher göttlicher Legitimität entbehren. Die Existenz des Römischen Reiches beweist, dass souveräne, weltliche Macht bereits vor der Kirche mit voller Legitimität ausgeübt wurde.
Für Ockham hat die Autorität des Kaisers ihren Ursprung nicht in Gott und ist somit nicht heilig. Im Gegenzug besitzt das Papsttum nicht die Fülle der Macht, die es für sich beansprucht. Die Rolle des Papstes sollte die eines Verwalters der geistlichen Güter sein, ohne Einmischung in irdische Angelegenheiten. Darüber hinaus betont Ockham die Fehlbarkeit des Papstes, da auch er nur ein Mensch ist.
Revolutionäre Thesen und ihre Folgen
Ockhams Vorschläge griffen die grundlegenden Annahmen der mittelalterlichen Kultur frontal an und nahmen den Humanismus der Renaissance vorweg. Im 14. Jahrhundert, im Rahmen des politischen Konflikts zwischen Papst und Kaiser, waren seine Thesen zutiefst revolutionär und für das Papsttum inakzeptabel. Aus diesem Grund wurden seine Schriften verboten, und er war gezwungen, zu fliehen und Schutz bei Kaiser Ludwig IV. zu suchen.