Wissenschaftliche Erklärungen, Methoden und Fortschritt
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Wissenschaftliche Erklärungen und ihre Typen
Das grundlegende Ziel der Wissenschaft ist es, Fakten zu erklären, das heißt, zu sagen, warum und wie sie geschehen, um sie vorhersagen zu können. Carl G. Hempel unterscheidet vier Arten wissenschaftlicher Erklärungen:
1. Deduktiv-Nomologische Erklärung
Bei dieser Erklärung folgt das zu erklärende Phänomen, das sogenannte Explanandum, logisch aus einer Erklärung oder einem allgemeinen Gesetz, dem sogenannten Explanans. Das Explanandum ist somit eine logische Konsequenz des Explanans.
Beispiel: Newtons Gesetz der universellen Gravitation ist ein Explanans, aus dem die Erklärung für den Fall eines konkreten Körpers (das Explanandum) abgeleitet wird.
2. Induktiv-Statistische Erklärung
Diese Art unterscheidet sich von der deduktiv-nomologischen Erklärung dadurch, dass das Explanans eine hohe Wahrscheinlichkeit ausdrückt, sodass das Explanandum-Phänomen eine logische Konsequenz ist. Das Explanans wird durch Induktion aus bestimmten Daten gewonnen, wodurch das Explanandum nur eine gewisse Plausibilität erhält.
Beispiel: Wenn eine Person dem Masernvirus ausgesetzt war, wird sie nicht zwangsläufig erkranken, obwohl es hochwahrscheinlich ist, dass sie die Krankheit bekommt.
3. Teleologische Erklärung (Finalistische Erklärung)
Diese Erklärung versucht, ein Ereignis anhand seiner finalen Ursachen zu begründen, die nach dem zu erklärenden Ereignis liegen. Auf die Frage „Warum gibt es das Phänomen B?“ lautet die teleologische Antwort: „Es gibt B, damit das Phänomen C eintreten kann.“ Diese Art der Erklärung ist charakteristisch für die Sozialwissenschaften, da menschliche Handlungen oft auf Ziele und Zwecke ausgerichtet sind. Die Zulassung solcher Erklärungen im Bereich der Biologie ist problematischer.
4. Deterministische Erklärung (Kausale Erklärung)
Diese Erklärung versucht, ein Ereignis anhand seiner effizienten Ursachen zu begründen, die dem zu erklärenden Ereignis vorausgehen. Auf die Frage „Warum gibt es das Phänomen B?“ lautet die deterministische Antwort: „Es gibt B, weil zuvor das Phänomen A existierte und zwischen A und B ein kausaler Zusammenhang besteht.“
Die wissenschaftliche Methode
In der Wissenschaft genügt es nicht, Wissen zu besitzen; man muss auch angeben, wie dieses Wissen erlangt wurde, damit es von anderen überprüft werden kann. Die Methode ist eine Garantie für die Wahrheit und Objektivität wissenschaftlicher Aussagen.
Die Methode der empirischen Wissenschaften ist die experimentelle Methode, die aus folgenden Schritten besteht:
- Beobachtung: Das untersuchte Phänomen wird beobachtet und auf seine relevanten Eigenschaften reduziert.
- Hypothesenformulierung: Eine Hypothese zur Erklärung des Phänomens wird formuliert und daraus Konsequenzen abgeleitet.
- Experimentelle Überprüfung: Die Konsequenzen der Hypothese werden in kontrollierten Laborexperimenten getestet.
- Ergebnisanalyse: Bestätigt das Experiment die Hypothese, wird sie vorläufig akzeptiert. Andernfalls wird die Hypothese abgelehnt und ein neuer Vorschlag gemacht.
- Mathematische Formulierung: Das Verfahren wird, wo immer möglich, durch die Verwendung mathematischer Sprache ergänzt.
Fortschritt in der Wissenschaft: Verschiedene Perspektiven
Die Sicht der Neopositivisten
Die Neopositivisten verteidigen einen einzigartigen, kontinuierlichen und kumulativen Charakter des wissenschaftlichen Fortschritts. Wissenschaft wird demnach verfeinert und verbessert, indem stark getestete Theorien auf andere Bereiche ausgeweitet werden (z.B. die Evolutionstheorie in der Soziologie) oder indem mehrere breitere Theorien zusammengefasst werden (z.B. die Newtonsche Mechanik, die die astronomischen Theorien von Kopernikus und Kepler sowie Galileis Theorien über die Bewegung schwerer Körper absorbierte).
Karl R. Poppers Falsifikationismus
Karl R. Popper hingegen vertritt einen unbestimmten Fortschritt der Wissenschaft. Im Gegensatz zum Neopositivismus ist Popper der Ansicht, dass keine wissenschaftliche Theorie als endgültig wahr gelten kann, da alle durch Fakten widerlegt (falsifiziert) werden können. Theorien werden als wichtige Hypothesen oder Vermutungen über die Welt und als nützliche Werkzeuge zur Erklärung von Phänomenen konzipiert.
Die wissenschaftliche Aufgabe besteht für Popper darin, bestehende Theorien durch Falsifikation zu widerlegen und neue Theorien zu schaffen, die diese verbessern und integrieren. Eine neue Theorie wird angenommen, weil sie glaubwürdiger und weniger fehlerhaft ist als die vorherige. Für Popper ist jede Theorie provisorisch (sie gilt, bis sie falsifiziert wird). Wissenschaftlicher Fortschritt ist als ein Prozess der Annäherung an die Wahrheit zu verstehen, die jedoch unerreichbar bleibt.
Weitere Perspektiven
Weitere wichtige Perspektiven zum wissenschaftlichen Fortschritt bieten die Arbeiten von Thomas S. Kuhn und Imre Lakatos.