Woyzeck: Eine Analyse von Schuld und Gesellschaft
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Interpretation von Büchners Drama „Woyzeck“
In Büchners Drama „Woyzeck“ ermordet der gleichnamige Protagonist nach etwa zwei Jahren Beziehung seine Geliebte Marie, mit der er ein gemeinsames Kind hat, weil sie ihn mit dem Tambourmajor betrogen hat. Woyzecks Tat hat mehrere Gründe: Er leidet unter einer Psychose, das heißt, sein seelisches Gleichgewicht ist gestört. Das Einzige, das ihm Halt gibt, ist seine geliebte Marie. Ihre Untreue wirft ihn völlig aus der Bahn. Er erleidet Wahnsinnsanfälle und meint Stimmen zu hören, die ihn auffordern, Marie zu töten. Die Konsequenz, das Liebste auf der Welt zu verlieren, ist ihm nicht voll bewusst; er denkt nicht an die Folgen. Sein Sohn Christian wird zur Waise, da Woyzeck für den Mord die Todesstrafe droht.
Woyzecks Psychose und ihre Ursachen
Doch woher rührt Woyzecks Psychose? Sie wird meist durch Stress ausgelöst, unter dem er stark leidet. Er nimmt mehrere Nebenjobs an, um seiner Familie den Lebensunterhalt zu sichern, da sein geringer Soldatensold nicht ausreicht. So rasiert er regelmäßig seinen Hauptmann und nimmt an Experimenten des Doktors teil. Seine ausschließliche Ernährung von Erbsen verursacht zusätzlichen Stress. Dies führt zu Krankheitssymptomen:
- schnellerer Puls
- dünner werdendes Haar
- Inkontinenz
Außerdem stellt ihn der Doktor auf eine Stufe mit einem Labortier, was sein Selbstwertgefühl zusätzlich mindert.
Die Rolle der Gesellschaft bei Woyzecks Tat
Auch sein Hauptmann demütigt ihn und kritisiert seinen „unmoralischen Lebenswandel“ aufgrund seines unehelichen Kindes. Zudem gibt er ihm den entscheidenden Hinweis auf Maries Untreue, um Woyzeck weiter zu demütigen. Der Tambourmajor fügt ihm eine weitere Schmach zu, indem er ihn im Ringkampf besiegt und ihm Marie wegnimmt. Woyzeck wird somit auch durch die Gesellschaft zu seiner Tat getrieben, da die Repräsentanten der Oberschicht – Hauptmann, Doktor und Tambourmajor – ihn als unwürdig behandeln und entmenschlichen.
Büchners Gesellschaftskritik im Drama
Büchner stellt in seinem Drama die Gesellschaft in ihrer realen Form dar. Die Wahl eines einfachen Soldaten aus der Unterschicht als Hauptfigur ist kein Zufall. Seiner Auffassung nach geht es darum, die Welt realistisch abzubilden und kein Idealbild zu schaffen. Man muss sich in das Leben des Geringsten hineinversetzen, denn nur so lässt sich laut Büchner die menschliche Natur verstehen. Diese Auffassung war für die damalige Zeit radikal neu.
Zurechnungsfähigkeit und Schuldfähigkeit
Von zentraler Bedeutung ist auch die Frage nach Woyzecks Zurechnungs- und Schuldfähigkeit. Zu Büchners Zeit kam diese Frage in der Justiz auf. Die meisten argumentierten jedoch, die Seele sei unabhängig vom Körper und dieser vielmehr dem Geist untergeordnet. In dieser Tradition steht auch der Doktor, der Woyzeck zurechtweist, weil dieser an die Wand uriniert hat, statt seinen Harndrang zu kontrollieren, da dieser dem menschlichen Willen unterworfen sei. Andererseits versucht er in seinem Experiment an Woyzeck nachzuweisen, dass eine bestimmte Nahrung zu Geisteskrankheit führen kann. Die zweite Strömung im 19. Jahrhundert, der auch Büchner folgt, geht in die gleiche Richtung wie das Experiment des Doktors. Hier wird argumentiert, dass äußere Umstände Einfluss auf die psychische Disposition des Einzelnen haben. Das bedeutet, dass unter gleichen Umständen jeder zum Mörder werden könnte. Die Lebensbedingungen bestimmt also die umgebende Gesellschaft und nicht die Person selbst. Dies zeigt sich deutlich an Woyzeck; er ist sozusagen an der Gesellschaft erkrankt.