Zeitgenössischer Spanischer Roman: Entwicklung & Merkmale
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Der Zeitgenössische Roman in Spanien
Der zeitgenössische Roman, geprägt von Bürgerkrieg, Diktatur und Elend, spiegelt die harte Realität wider.
Zwischen 1940 und 1970 dominieren Enttäuschung und Schmerz. Ab 1970, mit der Rückkehr der Freiheit, beginnt ein neues Programm.
Der zeitgenössische Roman wird in drei Hauptgruppen unterteilt:
1. Der Existenzielle Roman
Geprägt von Enttäuschung und Angst des Einzelnen. Er ist beeinflusst vom Schelmenroman des Goldenen Zeitalters und dem Erbe Pio Barojas.
Themen:
- Menschliche Schicksale: Die Handlungen der Charaktere sind Fehler, die sie von der Eintönigkeit ihres Lebens abbringen.
- Mangel an Kommunikation: Isolation des Einzelnen, Annäherung schließt den anderen aus.
- Der Bürgerkrieg: Versuch, den Krieg und das daraus resultierende Ressentiment zu überwinden.
Charaktere:
Einzelpersonen, die sich ihrer vitalen Unschärfe bewusst sind. Sie erzeugen extreme Situationen, die zu Isolation, Gewalt und Verzweiflung führen.
Raum und Zeit:
Urbane Umgebungen: Die chaotische Stadt. Die Handlung spielt sich oft innerhalb von Stunden oder Tagen ab.
Erzählperspektive:
Erzähler in der 1. Person (Erzähler = Protagonist). Zeigt Gefühle und Gedanken durch Monolog.
Stil:
Funktionale Sprache dominiert über die künstlerische, oft mit umgangssprachlichen Elementen.
2. Der Soziale Roman
Entsteht in den 50er Jahren, geprägt von langsamer wirtschaftlicher Erholung, soziokulturellem Wandel in Europa und der Öffnung Spaniens. Autoren wie Cela, Delibes, Aldecoa und Goytisolo erneuern den Roman. Die Handlung gewinnt an Bedeutung (z.B. in "La Colmena"). Der soziale Anspruch ist ein gemeinsamer Faktor aller sozialen Autoren. Das Thema ist die spanische bürgerliche Gesellschaft.
Die bürgerliche Gesellschaft wird in drei Bereiche unterteilt:
Bereiche der Gesellschaft:
- Urbanes Leben: Die Stadt als Schauplatz. Die Lebensweisen werden kritisch dargestellt. Delibes verspottet das Verhalten der Bourgeoisie (z.B. in "Mi sisi").
- Die Arbeitswelt: Beschreibt die Wurzeln der Migration vom Land in die Industrie. Der Anpassungsprozess des Arbeiters und die daraus resultierenden Konflikte werden reflektiert (z.B. in Werken wie "MINADER" oder "Pacheco Salinas").
- Ländliches Leben: Zeigt die unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung, die isoliert lebt.
Merkmale des Sozialen Romans:
- Stil: Nüchtern und einfach.
- Charaktere: Die Hauptfigur ist oft das Kollektiv, nicht das Individuum (z.B. in "Gran Sol" von Aldecoa).
- Raum und Zeit: Spezifische physische Orte (Feld, Dorf, Bergwerk, Café). Die Zeit ist linear und auf kurze Zeiträume beschränkt.
- Interne Struktur: Lange Kapitel ohne Titel, unterteilt in Fragmente.
- Erzählperspektive: Die 3. Person verliert an Bedeutung. Der Erzähler ist oft nur Beobachter dessen, was er sieht oder hört, oder Richter.
3. Der Experimentelle Roman
Entsteht Ende der 50er Jahre. Die literarische Qualität des sozialen Romans hatte nachgelassen, was zur Bereicherung des narrativen Subgenres führte. Der Verschleiß des sozialen Romans und lateinamerikanische Einflüsse ebnen den Weg für eine formale Reform. Es wird mit Elementen experimentiert, die sich zuvor nur auf den sozialen Anspruch konzentrierten. Eine dialektische Sicht auf die spanische Realität. "Tiempo de Silencio" von Martín Santos markierte den Beginn dieser Etappe.
Neuerungen:
- Anspruch: Verliert an Bedeutung und verschwindet manchmal ganz.
- Charaktere: Der individuelle Charakter kehrt zurück, oft im Konflikt mit sich selbst oder dem sozialen Umfeld, das ihn zu zerstören versucht. Er sucht seine Identität.
- Erzählperspektive: Der allwissende Erzähler übernimmt die Sichtweise der Realität aus mehreren Charakteren. Es entsteht eine multiple Sichtweise.
- Struktur: Das Kapitel verschwindet. Die Sequenz ist sorgfältig komponiert, aber oft durch Flashbacks oder Flashforwards unterbrochen (Technik des Kontrapunkts).
- Ausdrucksform: Direkte Ansprache des Lesers mit Kommentaren, die die Gedanken des Autors zu bestimmten Fakten oder Charakteren wiedergeben. Der innere Monolog wird verwendet.
Sprache und Stil:
Gekennzeichnet durch eine sehr rhetorische Sprache. Vielfalt an gelehrten Wörtern, Slang, rhetorischen Figuren etc. Reichlicher Gebrauch rhetorischer Mittel. Aufgabe der syntaktischen Struktur. Mischung aus Prosa und Vers. Mischung von Gesprächen in andere Sprachen.