Zugversuch & Spannungs-Dehnungs-Kurve: Materialprüfung verstehen

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Zugversuch: Grundlagen und Durchführung

Der Zugversuch ist ein grundlegendes Verfahren zur Materialprüfung, bei dem eine Probe, oft ein genormter Zylinder, einer axialen Zugkraft ausgesetzt wird, bis sie bricht. Dieser Test misst den Widerstand eines Materials gegenüber statischen oder langsam aufgebrachten Kräften. Die Dehnraten im Zugversuch sind in der Regel sehr gering.

Die Spannungs-Dehnungs-Kurve

Die Spannungs-Dehnungs-Kurve ist ein zentrales Ergebnis des Zugversuchs. Sie stellt die Verformung der Probe zwischen zwei festen Messpunkten in Abhängigkeit von der aufgebrachten Spannung dar. Im Allgemeinen weist diese Kurve vier charakteristische Bereiche auf:

Elastische Verformung

In diesem Bereich verformt sich die Probe nur geringfügig und kehrt nach Entlastung vollständig in ihre ursprüngliche Form zurück. Die Verformung ist proportional zur angelegten Spannung.

Der Proportionalitätskoeffizient zwischen Spannung und Dehnung wird als Elastizitätsmodul oder Young'scher Modul bezeichnet und ist eine charakteristische Materialeigenschaft. Beispielsweise haben alle Stähle einen ähnlichen Elastizitätsmodul, aber ihre Festigkeit kann stark variieren.

Die höchste Spannung in diesem Bereich, die den Übergang zur plastischen Verformung markiert, wird als Streckgrenze bezeichnet. Bei einigen Materialien kann es eine obere und eine untere Streckgrenze geben.

Wenn keine ausgeprägte Streckgrenze erkennbar ist, wird oft eine konventionelle Dehngrenze (z.B. Rp0,2) definiert. Diese wird ermittelt, indem eine Linie parallel zum elastischen Bereich der Kurve gezogen wird, die bei einer bestimmten bleibenden Dehnung (z.B. 0,2%) beginnt.

Fließbereich (Streckgrenzenphänomen)

Der Fließbereich ist durch eine plötzliche, deutliche Verformung der Probe ohne signifikante Erhöhung der aufgebrachten Last gekennzeichnet.

Dieses Phänomen tritt auf, wenn Verunreinigungen oder Legierungselemente die Bewegung von Versetzungen im Kristallgitter blockieren. Diese Versetzungen sind der Mechanismus, durch den sich das Material plastisch verformt.

Sobald die Streckgrenze erreicht ist, werden die Versetzungen freigesetzt, was eine schlagartige Verformung ermöglicht. Die Verformung verteilt sich in diesem Fall nicht immer gleichmäßig über die gesamte Probe, sondern kann sich auf Bereiche konzentrieren, in denen freie Versetzungen vorhanden sind.

Nicht alle Materialien zeigen dieses ausgeprägte Fließphänomen. Bei Materialien ohne deutliche Streckgrenze ist der Übergang zwischen elastischer und plastischer Verformung fließender und weniger klar erkennbar.

Plastische Verformung

In diesem Bereich der Spannungs-Dehnungs-Kurve führt die aufgebrachte Last zu einer bleibenden Verformung der Probe. Selbst nach vollständiger Entlastung kehrt die Probe nicht mehr in ihre ursprüngliche Form zurück, sondern behält einen Teil der Verformung bei.

Einschnürung (Querschnittsreduktion)

Nach Erreichen der Zugfestigkeit konzentriert sich die Verformung der Probe auf einen lokalen Bereich, meist im mittleren Teil. Dies führt zu einer deutlichen Reduzierung des Querschnitts der Probe, einem Phänomen, das als Einschnürung bezeichnet wird.

Die Einschnürung ist verantwortlich für den scheinbaren Abfall der Spannung in der technischen Spannungs-Dehnungs-Kurve, da die Berechnung der Spannung hier noch auf dem ursprünglichen Querschnitt basiert.

Bei spröden Materialien tritt in der Regel keine signifikante Einschnürung oder ausgeprägte plastische Verformung auf; sie brechen abrupt.

Während des Zugversuchs werden wichtige Materialkennwerte wie die Bruchlast, die Zugfestigkeit und die Bruchdehnung bestimmt.

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